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Eine Geschichte von Karl-Heinz Zapf, einem alten Freund von mir, geschrieben, als er sechzehn war oder so.

Die Katze

Der Raum lag in dämmriges Halbdunkel getaucht; die Fenster, welche auf die belebten Straßen hinauszeigten, waren von schweren Jalousien verschlossen. Nur wenig Licht fand seinen Weg durch einige Fugen und Ritzen.
   Die junge Frau sah sich um, ihr Blick glitt über das spärliche Mobiliar des kleinen Raumes und blieb dann an der Katze hängen, deren Augen sie kühl musterten.
   Ohne Grund lächelte die Frau und die Katze schnurrte und begann, um ihre Beine zu streichen. Ihre Augen schienen im Dämmerlicht unirdisch zu glühen. Die zarte Hand der Frau bewegte sich fast automatisch hinab und strich durch das seidige Fell des Tieres.
   Wieviel Mühe hat es gekostet, sie zu bekommen, dachte sie bei sich und schmunzelte. Ihre Freunde würden Augen machen, wenn sie sie sehen würden. Die junge Frau blickte hoch und stand dann auf, doch die Katze sprang schnell auf ihren Schoß, und mit einem Seufzen setzte sie sich wieder. Ich darf sie nicht verärgern, sie könnte sich irgendwie verletzen und das könnte ihren Wert mindern, dachte sie. Wo nur der Professor blieb? Er hatte doch um drei Uhr hier sein wollen, um ihre seltene Erwerbung zu begutachten. Nun war er schon geraume Zeit überfällig.
   Mit einem leisen Maunzen sprang die Katze herab und landete geschmeidig auf dem Fußboden, wanderte dann gemächlich zum Fensterbrett, gefolgt von den Blicken der Frau.
   Wie schön sie ist, dachte sie - da klopfte es an der Tür.
   Ein paar hastige Schritte brachten sie zur Klinke, und sanft drückte sie die Türe auf.
   Helles Tageslicht fiel von draußen herein, gefolgt von dem wie immer etwas zerstreut wirkenden Professor, der beim Eintreten heftig blinzelte, um seine Augen an das Halbdunkel zu gewöhnen. Das war natürlich beabsichtigt gewesen, und der Gelehrte wußte dies.
   Nach einer Weile schloß sie die Türe. "Nun, können Sie etwas erkennen?" Er blickte umher und schnüffelte ein paar Mal, ehe er die Frau entdeckte. Der kleine Hund vollführte einen Luftsprung.
   "Ein Mensch? Ein echter Mensch?" fragte er ungläubig.
   "Jawohl", sagte die Katze, nicht ohne Stolz in ihrer Stimme, "ein echter Mensch!"
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