Twitter: Ende?

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Die Abgesänge auf Twitter häufen sich dort. Technisch funktioniert bei mir übrigens alles bestens, es gab auch in den letzten Wochen keinerlei Aussetzer; andere beobachten bereits Ausfallserscheinungen.

Für meinen Alltag ist das Ende von Twitter, wenn es denn kommen wird, keine große Einschränkung. Mastodon ist für meine Art der Nutzung ein guter Ersatz, ich versuche nicht, die Umgangsweise und die Netzwerke von Twitter genau nachzubauen, aber ähnliche Netzwerke entstehen. Es fühlt sich wie Umzug an, und Umzüge sind immer mit Wehmut verbunden. Bei Twitter war ich seit 2008, aber richtig aktiv wohl erst seit 2019 – erst das Rosenfest, dann Covid-19 und die Schulschließungen. Nach den Krisenzeiten ging es dann wohl wieder etwas runter:

Für andere und die Welt ist mit Twitter dagegen viel mehr untergegangen, und das ärgert mich sehr. Es ist mutwillige Zerstörung eines – ja, ich will Kulturgut sagen, trotz aller toxischen Desinformation dort. Für viele Stimmen auf der Welt war es die beste Möglichkeit, Gehör zu finden, Öffentlichkeit zu schaffen. Ukraine, Iran, Afghanistan. Für viele Menschen, die sonst keine Community gefunden hätten, ist Twitter wichtig. Weit mehr, glaube ich, als das von so viel mehr Menschen genutzte Facebook. Wenn Facebook plötzlich abgeschaltet werfden würde, aber vielleicht ist das nur mein Vorurteil, weil ich das nicht nutze, dann wären viele Vereine und kleine Restaurants davon betroffen, aber würde man das sonst wirklich vermissen?

War das Ziel am Ende, Twitter abzuschalten, aus politischen Gründen? Und vielleicht noch ein zweites, dann halt mit dem Markennamen dann einen Facebook-Klon aufzubauen? Elon Musk, der dummerweise versprochen hatte, Twitter zu kaufen, und das dann dummerweise kaufen musste, ist reich und berühmt, aber er scheint keine Ahnung zu haben. (Das hatte sich bei anderen Entscheidungen auch schon gezeigt.) Auf dem Twitter-Account von Zoë Schiffer gibt es regelmäßige Einblick in seine immer erratischeren Nachrichten an die Angestellten. Musks Verhalten erinnert mich an ähnliche Gestalten – Männer, mächtig, überempfindlich, unüberlegt, und ein Haufen Claqueure, die einem versichern, dass der 3D-Schach spielt und ganz super tolle Pläne hat. Aber diese Stimmchen werden dünner, es spricht sich hoffentlich herum, dass diese Kaiser alle wirklich nackt sind.

(LiveJournal, MySpace, GeoCitites waren alle mal wichtige Communities, sehr viel weniger engmaschig als Twitter, aber von vielen geliebt, zumindest in der Erinnerung – denn sie gibt es alle nicht mehr in der ursprünglichen Form. Reste und Namen und Archive sind noch da. Webseiten hören auf, genauer: sie verändern sich so, dass sie kaum mehr etwas mit dem Ursprung zu tun haben.)


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8 Antworten zu „Twitter: Ende?“

  1. Wenn es um Webseiten geht, die sich stark verändert haben, möchte ich kurz auch den Suchdienst Wikia Search nennen, „welcher nach Aussage von Jimmy Wales als Google-Konkurrent etabliert werden sollte.[5] “ (Die Geschichte zu finden unter Fandom: https://de.wikipedia.org/wiki/Fandom_(Website)#Geschichte.)
    Und das einmal vielversprechende twick.it (https://de.wikipedia.org/wiki/Twick.it)
    Nach meiner – unmaßgeblichen – Einschätzung verliert vor allem der globale Süden und auch FridaysforFuture mit twitter etwas Wichtiges. Es sollte mich freuen, wenn ich eines Besseren belehrt werden könnte.

  2. Ja, Fontanefan, das klingt nachvollziehbar. Meine Einschätzung ist aber sicher noch unmaßgeblicher.

  3. Aginor

    Das Ding mit Herrn Musk ist:

    Ich kann durchaus seine Erfolge und seinen Drive würdigen.
    Siehe dazu SpaceX (und zu einem geringeren Grad auch Tesla). Ohne einen technikaffinen Irren mit sehr viel Geld und einer erstaunlichen Bereitschaft, Arbeit hineinzustecken (dem Ego zuliebe) würden diese erheblichen technologischen Fortschritte vermutlich so nicht existieren. Irgendein wirtschaftlich orientierterer Manager hätte (bzw. hat, gerade im Elektrofahrzeugbereich kocht Tesla auch nur mit Wasser) die Konzepte angeschaut und in die Schublade gelegt, weil zu riskant und nicht rentabel genug. Erstmal an die Aktionäre denken.

    Erst durch den Erfolg von Tesla (der größtenteils durch Musks Engagement hinsichtlich Geld, Publicity, und auch ein wenig Zukunftsvisionen zustande kommen konnte, vor Musk war Tesla irgendein weiteres Startup mit quasi nonexistenten Zukunftsaussichten) haben die anderen Firmen endlich angefangen, ihrerseits in Elektromobilität zu investieren. Musk hat ihnen die Möglichkeit genommen zu behaupten „das geht eben nicht“.

    So ähnlich sieht es bei SpaceX aus.
    Die etablierten Firmen (Boeing, Lockheed Martin, Aerojet Rocketdyne und Konsorten) waren ein nettes kleines Oligopol das dem Staat (in dem Fall USA) die Preise diktierte und lieber auf alte Technologie setzte. Jahrelang haben sie behauptet, das was sie taten wäre der einzige gangbare Weg.
    Die waren nicht etwa zu blöd für wiederverwendbare Raketen und andere neue Technologie, sie haben einfach mit dem alten Zeug besser verdient.
    Erst durch die unbestreitbaren Erfolge, die SpaceX vorzeigen konnte, gerade weil Musk einfach mal ein paar Milliarden in die Entwicklung stecken konnte, ohne Investoren), hat der Rest der Branche angefangen, sich zu bewegen.

    Wenn man sich die Vorgänge innerhalb von SpaceX und Tesla anschaut kommt man zu dem Schluss, dass Musk durchaus in mancher Hinsicht kompetent ist, aber ethisch und moralisch unterentwickelt.

    Das riesige Ego von Musk, das ihn anscheinend (und verständlicherweise) in vieler Hinsicht zu einem unangenehmen Menschen macht (siehe Menschen die ihn persönlich kennen) hat bei seinen Erfolgen sehr geholfen. Er glaubt daran dass er Recht hat, und dass sein Weg der richtige ist. Das ist sehr nützlich wenn es der Realität entspricht, denn es sorgt (gemeinsam mit dem Geld das er hat) dafür dass es in seinen Projekten vorangeht. Und ja, es belastet z.B. die Arbeitnehmer stark, es handelt sich um kapitalistische Firmenpolitik in Reinform die sich um Vorschriften und Menschen nur dann schert, wenn die Alternative massive Nachteile bringt. Aber das hat Musks Ansatz mit dem der „Herkömmlichen“ gemeinsam.

    Bei Twitter ist es aber anders. Ich denke es liegt außerhalb von Musks Kompetenz, und er hat sich einfach saudämlich verhalten. Er reiht sich damit in eine lange Reihe von Personen ein, die sich aufgrund ihrer Erfolge auf einem Feld (verdient oder nicht) für alles qualifiziert sehen, und damit auf die Nase fallen. Und ja, ich denke auch dass Musk von einer Menge Ja-Sager umgeben ist, die sich die Hände reiben und gerne seine Kohle einstecken. Seinem Ego schmeichelt es.

    Was Twitter als solches angeht ist es mir persönlich relativ Wurst, ich habe weder Twitter noch plane ich, eine der Alternativen zu nutzen.
    Aber ich sehe schon dass es einigen Leuten fehlen wird (kenne z.B. in der wissenschaftlichen Community ein paar Leute, da haben sich ganze Fachbereiche unter bestimmten Hashtags organisiert), und ich sehe dass es ein paar Ansätze von dem hat(te) das ich am „freien Internet“ schätze (Stichwort Arabischer Frühling, die Staaten konnten es nicht kontrollieren). Ich sehe aber auch dass es über die Jahre viele dieser Aspekte eingebüßt hat (auch vor Musk schon). Inzwischen ist es auch zu einem Werkzeug der Einflussnahme geworden, die Anzahl der Bot-User übersteigt sehr wahrscheinlich die der echten, und verbrecherische Regime und Unternehmen verbreiten ihre Propaganda dort sowohl offen als auch getarnt als Nutzer.

    Also ja, weiterbeobachten unter den gegebenen Vorzeichen, und sehen wohin es führt. Ich tendiere dazu, Twitter in eine Schublade mit 4chan zu stecken: Die Klowand des Internets. Es gibt durchaus auch mal interessantes oder sogar hochwertiges zu sehen, aber es ist eben doch die Klowand, und was auch immer darauf steht ist erstmal mit Vorsicht zu genießen.

    Gruß
    Aginor

  4. Ich find Mastodon auch erfreulich gechillt und sehr flauschig. Deutlich weniger miese Stimmung oder Geheule. Allerdings muss sich da für mich noch ein Netzwerk aufbauen, damit ich es gut nutzen kann. Der Vorteil von Twitter war, dass ich relativ schnell zu allen Themen Beiträge und Verlinkungen in die Timeline bekam, die sich durch die Bank prima für den Unterricht nutzen ließen. Ohne Twitter wäre ich deutlich weniger für die Oberstufe am Puls der Zeit. Aber das heißt nicht, dass sich das auf Mastadon wiederherstellen ließe.
    Ich teile deinen Groll. Twitter war ein über mehr als ein Jahrzehnt wirklich gut funktionierendes Konstrukt. Dass man das nun in nicht einmal zwei Wochen so in alle Einzelteile zerschlägt, ist Wahnsinn. Man will fast Vorsatz unterstellen

  5. @Herr Mess Fast Vorsatz: Ja. Entweder ganz kaputt machen oder vielleicht nur die alten Mieter herausekeln.

    @Aginor Danke für diese Perspektive. Ich möchte widersprechen, weiß dazu aber nicht genug. Twitter: Eher reddit als 4chan? Aber ich kenne halt nur mein persönliches Twitter und weiß, dass je nach Nutzungsweise alle ein unterschiedliches haben.

  6. Aginor

    @Herr Rau:

    Ich bin nicht sicher, welchem Punkt Sie gerne widersprechen wollen (diskutabel sind prinzipiell ja alle, die Geschichte ist alles andere als eindimensional, aber ich meine einschätzen zu können dass sie meine persönliche Abneigung Herrn Musk gegenüber teilen)
    Ich nehme an Sie meinten den letzten Teil, also die Netzwerke betreffend. Da möchte ich gerne erläutern wie ich zu der Einschätzung komme:

    Reddit ist eher wie früher Foren aussahen, es erinnert mich in vieler (meist, aber nicht immer angenehmer) Weise an die End-1990er.

    Es gibt eben viele Subforen, und die sind einzeln moderiert, in jedem können andere Regeln gelten. Und man kann auch neue machen in denen man eben selbst die Regeln aufstellt. Habe gehört dass es sowas in Facebook auch gibt, aber auf reddit kann man idR mitlesen, ohne dass man einen Account hat. Das ist für mich ein wichtiger Unterschied.
    Bei Twitter muss ich dafür den Nitter-Umweg benutzen oder einen Account machen.
    Fürs schreiben braucht man bei Reddit einen Account, aber den kann man anonym anlegen (man braucht nur eine Email-Adresse, und die selbe Email-Adresse darf zu mehreren Accounts gehören. Sie darf sogar eine Wegwerf-Adresse sein. Verknüpfungen zu Google-Konten oder Telefonnummern kann man machen IIRC, aber muss man nicht).

    Auf 4chan wird man sogar ermuntert, gar keine Accounts zu haben, jeder darf anonym alles lesen und idR auch schreiben. Mit allen Nebeneffekten. Es ist moderiert, aber nicht sehr streng. Ab und an kommt der Hausmeister und übermalt die schlimmsten Teile der Klowand.

    Auf Twitter gibt es IIRC keine Moderation außer die von Twitter selbst, das sehe ich sehr kritisch weil jetzt Elon Musks und seine Handlanger tun und lassen können was sie wollen, z.B. Twitter- oder Musk-kritische Inhalte oder User verschwinden zu lassen. Das passiert auf Reddit meines Wissens idR nicht. Was dort hin und wieder passiert ist, dass einzelne Communities (wie z.B. r/DonaldTrump) geschlossen werden. IdR solche mit in den USA illegalen Inhalten. Aber das Spektrum ist schon weiter, und gerade weil man nicht persönlich an seinen Account gebunden ist, macht man selbst im Fall eines Bans einfach einen neuen, der im Grunde genauso wertvoll ist wie der alte.
    In Facebook hängt so viel an einem Account, dass Bans richtig schmerzen, und Facebook kann seine arbiträren Regeln durchsetzen wie es will (weil es sozusagen Druckmittel hat), und die einzige Beschwerdestelle Facebook selbst ist.

    Man kann vermutlich sagen dass Reddit strukturierter als Twitter ist, weniger chaotisch als 4chan, weniger reguliert als Facebook, ein wenig persönlicher als 4chan, aber weniger persönlich als Twitter oder Facebook.

    Möchte man auf Twitter oder Facebook gehört werden, dann spielt eine extreme Rolle wer man ist, und dann erst was man sagt. Daher auch die Taktik, entweder jemand berühmtem auf die Wand zu schreiben, oder selbst berühmt zu sein, oder sich für jemand anderen auszugeben als man ist. Und auch die Diskussion um blaue Häkchen. Das stört mich immens.

    Auf Reddit interessiert es niemanden, wie man heißt, woher man kommt, wie viele Follower/Freunde man hat. Jeder ist gleich (un)glaubwürdig, wenn es nicht gerade um ein AmA oder so geht (und da machen die Leute oft einfach Wegwerf-Accounts, die sie gegenüber Mods des jeweiligen Subforums oder öffentlich verifizieren), und persönlich identifizierende Daten sind idR unerwünscht.
    Wenn ich etwas behaupte, dann wird von mir standardmäßig erwartet, dass ich belastbare Belege vorweise, egal wer oder was ich behaupte zu sein. Oder wie Redditoren sagen: „Source?“
    Ich denke deswegen haben es Desinformationsschleudern (etwa zur Beeinflussung von Wahlen) auch auf Reddit ein wenig schwerer, es ist einfach weniger lukrativ.

    Bei 4chan geht die Anonymisierung ein wenig zu weit IMO, da ist (mangels Namen, jeder heißt anonymous) nichtmal sichergestellt dass man in einem Austausch einen Vorredner gezielt ansprechen kann, außer durch ein Zitat, und dass eine Antwort darauf dann wirklich auch von eben jenem User stammt.
    Das hat durchaus ein paar interessante Aspekte (das grundsätzliche Misstrauen ist dort Kultur, siehe oben), aber es kann auch sehr ermüdend sein und ab einem bestimmten Punkt erschwert es Kommunikation.
    Das ist dann der entscheidende Klowand-Aspekt.

    Auf Reddit kann ich natürlich auch per r/all oder r/popular der Klowand zuhören, aber ich kann mich eben auch gezielt in Subforen für bestimmte Themen engagieren.

    Ich persönlich ziehe Reddit sowohl Twitter als auch Facebook und 4chan vor, gerade weil es ein Mittelmaß in einigen Dingen findet, die mir bei den anderen zu weit gehen.

    Gruß
    Aginor

  7. Sehr vielen Dank für die Beschreibung von reddit! Ich habe mich damit tatsächlich nie sehr beschäftigt, bin nur gelegentlich Links gefolgt. Das ist alles nachvollziehbar und überzeugend. Innenpolitisch wäre es für die USA zum Beispiel ein Segen, wenn Twitter einfach ganz aufhört. Und die vielen Benutzer und Benutzerinnen mit ihren persönlichen Netzwerken (ein Aspekt, der mir auf reddit zu fehlen scheint, wenn die Accounts dort flüchtiger sind, aber das ist sicher je nach subreddit unterschiedlich), die können ausweichen auf andere Kanäle.
    Aber der leichte Zugang zu Information aus dem Iran, aus Afghanistan, der Ukraine, der fehlt.

    Ja, die Abneigung gegen Musk teile ich. Und da hätte ich gerne widersprochen, also etwa, wie wichtig er für die Popularität von Elektroautos ist. Aber er ist es wohl. Könnte man diskutieren, ob das eher en Hilfsmittel weg von fossilen Brennstoffen ist oder ein Bremsklotz auf dem Weg zur Reduzierung des Individualverkehrs. Aber mir fehlt die Basis für den Widerspruch; vielleicht gibt es einfach keine.

  8. Aginor

    Ah, achso.
    IMO ist das Thema Verkehr durchaus ein schwieriges Thema. Hat vielerorts auch was von einem Henne-Ei Problem. Wo ich wohne kommt man z.B. mit den Öffis kaum irgendwo zeitnah hin, weil alles aufs Auto ausgelegt ist. Oder sind die Öffis so rudimentär weil jeder ein Auto hat, und die Autoindustrie sehr mächtig ist? Schwer zu sagen. Und drüben in den USA z.B. hat das nochmal eine ganz andere Dimension.

    Zu reddit und Ukraine/Afghanistan etc: Evtl. nicht ganz so gut wie bei Twitter, aber da gibt es schon einiges. Ich empfehle z.B. immer mal auch einen Blick in r/Ukraine oder wenn man keine schwachen Nerven/Magen hat auch r/UkraineWarVideoReport, da kriegt man schon auch die landesspezifische Bubble mit, idR von Ukrainern auf Englisch übersetzt. Nur für die Russische Seite habe ich keine Quelle auf Reddit. In r/Afghanistan habe ich schon lange nicht mehr reingeschaut, aber es ist schon so dass Reddit größtenteils englischsprachig ist, was natürlich den Großteil der Afghanen ausschließt.

    Gruß
    Aginor

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