Frage: Wo kommt „müder Krieger“ her?

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In meiner Kindheit in den 1970er Jahren war oft scherzhaft von „müder Krieger“ die Rede, wenn ein Kind schläfrig war. Das gab es auch in anderen Haushalten. Wo kommt das eigentlich her? Bibel, Kunstgeschichte, kalter Krieg, Schiller, antiker Topos? Bei Mastodon gab es immerhin diese Hinweise:

Die Korpussuche hat tatsächlich ein Ergebnis bei Karl May – über die Verfilmung von „Old Surehand“ von 1965: „Wie soll ein müder Krieger bei der ewigen Knallerei schlafen?“ Auch bei der Verfilmung vom Geist von Canterbury kommt der Ausdruck in den deutschen Untertiteln vor.

Als fester Ausdruck scheint es dennoch älter zu sein, z.B. in einem Artikel im Berliner Tageblatt über Massengräber im Ersten Balkankrieg im heutigen Babaeski. (Berliner Tageblatt, 1. März 1913, Abendausgabe, S. 3)
Zwei etwas weniger dramatische Treffer gibt es auch aus der Gartenlaube von 1855 in der dort abgedruckten Novelle „Die schöne Kathi“ von August Sander, jeweils bezogen auf erschöpfte Soldaten.

Von Picasso gibt es 1962 Der müde Krieger („El Guerrero Cansado“), ich habe auch eine Lithographie von Andreas Weber aus dem Jahr 1967 gefunden. Dennoch, für die Verbreitung des Begriffs scheint mir ein wesentlicher Zwischenwirt zu fehlen.


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7 Antworten zu „Frage: Wo kommt „müder Krieger“ her?“

  1. Lempel

    Die Seite hier verweist auf Tacitus: https://marjorie-wiki.de/wiki/Krieger#cite_note-3

  2. Sabine

    In meinem Umfeld wird der Begriff immer noch verwendet, ja, ich verwende ihn selbst.

  3. Danke, Tacitus, eine Spur! Die angegebene Übersetzung hat auf S. 783, Annalen, Vierzehntes Buch, Kapitel 54, Absatz 1953 (Inhalt: Senecas Rede an den Kaiser Nero):

    Wie ich, ein müder Krieger oder Wanderer, um Unterstützung bitten würde, so flehe ich jetzt auf dieser Reise des Lebens, alt und zu den geringsten Geschäften ohnmächtig, da ich mein Vermögen nicht mehr übersehen kann , um (deinen) Beistand.“

    Also Seneca? Mir fehlen nur noch mehr Zwischenstationen, oder war die Tacitus-/Seneca-Kenntnis viel verbreiteter, als ich annehme?

  4. Aginor

    Ich kenne das auch noch (aus den 1980er/1990ern), aber der Ursprung ist mir auch nicht bekannt.

    Kann mir aber schon vorstellen dass das was aus dem Altertum ist, denn gerade unter älteren Generationen (von denen ich den Spruch ausschließlich kenne) war es noch sehr verbreitet, als Zeichen von literarischer Bildung alte Texte zu zitieren. Oft sind es Klassiker, entweder aus dem Altertum oder der Renaissance.

    Gruß
    Aginor

  5. Tired Pony

    Auch das ist eine Möglichkeit. Die Rede des Chief Joseph, der in einem Wettlauf in erbitterter Gegenwehr gegen die verfolgende US Army versuchte mit seinem Volk nach Kanada zu entkommen wurde in einigen populären Indianerfilmen wörtlich übernommen bzw. zitiert.

    „Tell General Howard I know his heart. What he told me before, I have it in my heart. I am tired of fighting. Our chiefs are killed; Looking Glass is dead, Too-hul-hul-sote is dead. The old men are all dead. It is the young men who say yes or no. He who led on the young men is dead. It is cold, and we have no blankets; the little children are freezing to death. My people, some of them, have run away to the hills, and have no blankets, no food. No one knows where they are—perhaps freezing to death. I want to have time to look for my children, to see how many I can find. Maybe I shall find them among the dead. Hear me, my chiefs! I am tired; my heart is sick and sad. From where the sun now stands, I will fight no more forever.

    Chief Joseph (Nez Perce)

  6. MM

    Suche bei Projekt Gutenberg liefert: „Krieg und Frieden“ (aber nee, nix Tolstoi, sondern eine Erzählung von Ottilie Wildermuth) – „Das Zimmer war warm und die Lampe strahlte hell oben in dem teppichbelegten Wohnzimmer, wo der müde Krieger im besten Schlafrock seines Bruders auf dem weichen Sofa gebettet war.“ Jugendliteratur aus dem 19. Jhdt., das würde doch passen.

  7. Danke euch, genau so etwas suche ich. Das sind jetzt vier Treffer aus dem langen 19. Jahrhundert und einige aus dem 20. Dafür, dass sich das so lange gehalten hat, scheint mir immer noch etwas zu fehlen, ein Bestseller wie bei „Tücke des Objekts“ oder ein Drama für „Tussi“.

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