Wahlsonntag, 08.10.2023

(9 Kommentare.)

Mein erstes Mal Wahlhelfen. Um kurz vor 7 Uhr dort gewesen, es war weniger vorbereitet, als ich erwartet hätte.

Über Nacht war ein Tscholent im Ofen gewesen, ein klassisches ostjüdisches Schabbatgericht mit sephardischen Wurzeln: separat werden Zwiebeln und Fleisch angebräunt, dann zusammen mit eingeweichten Bohnen, Graupen, Kartoffeln und in meinem Fall auch weniger kanonischen Karotten in einen Schmortopf geschichtet. Würzen mit Pfeffer, Salz, Thymian, Paprika; mit Wasser bedecken und zehn bis zwölf Stunden (oder mehr?) bei 100° im Ofen lassen. So konnte man am Schabbatmittag einen Eintopf essen, ohne ein Feuer anmachen zu müssen.

Für nächste Mal: andere Bohnen nehmen, damit die sich farblich besser von den Graupen absetzen. (Aber Bohnen, Karotten, Graupen waren so im Haus.) Die Kartoffeln weglassen, die schmecken mir so nicht. Was außerdem noch drin war: ein Knödel aus halb Mehl, halb Fett (englisches suet in diesem Fall, musste auch mal weg), mit Salz, Petersilie und Wasser geformt und oben drauf gelegt.

Ich hatte ja keine Zeit, das Mittagessen zu bereiten, wegen Frühschicht als Wahlhelfer. Nachmittags müde hingelegt, zum Schließen der Wahl wieder dort gewesen. (Wobei trotz Schließen alles offen bleibt: auch beim Auszählen dürfte die Öffentlichkeit zusehen.) das hat dann noch bis nach halb zwölf gedauert und war recht anstrengend.

Anstrengend dann die Wahlergebnisverdauung. Noch ein Glück. Ich bin ja Laie, aber ich glaube, dass es den vormals stabilen rechten Parteien, also den schlichtweg konservativen, nicht den rechtextremen, übehaupt nicht hilft, auf die Grünen einzudreschen. Land oder Bund. Das hätte man auch schon nach der Landtagswahl zuvor lernen können, da hat die CSU auch schon den Wahlkampf vergiftet, da war ich auch schon auf einer Demo, „#ausgehetzt, da hat das denen auch nichts gebracht. Es gibt genügend Faschistenwähler und -wählerinnen, da sollte man diejenigen in deren Arme schubsen, die Angst haben, weil man ihnen Angst gemacht hat. Ich zweifle aber an Lernfähigkeit. Es hat zwar nichts genutzt, aber wenn man einfach mehr davon? Die FDP hat schon lange aufgegeben.

Überhaupt, die Grünen. Ich halte sie für die einzig große Partei, die konstruktive Vorschläge macht und zugleich nicht gegen andere Parteien hetzt. Dafür ist sie von anderen Parteien zum Buhmann ausgerufen worden. Auch bei den mit dem Grundgesetz vereinbaren Parteien sehe ich sonst Populismus und Nichtwahrhabenwollen. Ja, wir werden weniger haben. Nein, es muss uns nicht schlechter gehen, wenn wir das besser verteilen. Wie man das verkauft, so dass es ankommt, das weiß ich auch nicht.

Israel. Mir graut vor der „Verurteilenswert, aber“-Fraktion im Lehrerzimmer. Der verständnisvolle linke Antisemitismus.


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9 Antworten zu „Wahlsonntag, 08.10.2023“

  1. Aginor

    Das Gericht sieht (wie die meisten Eintöpfe) aus als gehöre es in die Kategorie „schmeckt besser als es aussieht“. Könnte ich mal testen.

    Zur Politik:
    Zustimmung. Mich ärgert es auch sehr dass gerade die die nicht polemisieren (ja, oft Grüne, aber auch der eine oder andere von anderen Parteien) dann von allen anderen maximal polemisch angegriffen werden, und kaum einer sieht scheinbar ein Problem darin. Hauptsache das eigene Lager vertreten. Nutzen tut das nicht den Gemäßigten die sich da den Extremisten anbiedern, sondern nur den Extremisten. Frustrierend.

    Zu Israel:
    Gerade als jemand der sich dagegen wehrt, dass ganze Volksgruppen dämonisiert werden und sich deswegen auch mit den Palästinensern und Israelis und deren spezifischen Problemen auseinandergesetzt hat, schmerzt es mich sehr dass es Leute gibt, die allen Ernstes diese Angriffe der Hamas und Konsorten relativieren oder gar gutheißen.
    Da unten werden auf beiden Seiten in den kommenen Tagen tausende Menschen sterben, wie immer im Krieg größtenteils Unschuldige, und Extremisten jeder Art reiben sich die Hände weil damit der Nachwuchs gesichert ist. Die Spirale des Hasses und der Gewalt wurde ein weiteres mal weitergedreht. Da gibt es nichts gutzuheißen, egal aus welcher Perspektive man den Konflikt ansonsten betrachtet.
    Ich finde es auch befremdlich dass ich heute Leuten erklären muss, dass in dieser Situation (oder auch generell) solidarisch mit den Menschen in Israel zu sein auch nicht heißt, dass ich jetzt plötzlich Herrn Netanjahu oder seine Politik (z.B. Justizreform) leiden kann. Das spielt angesichts dessen was die Hamas tut im Moment keine Rolle. Es gibt kein ‚aber‘, es ist einfach nur falsch.

    EDIT: Hoffe es wird nicht zu schlimm im Lehrerzimmer.

    Gruß
    Aginor

  2. Der Angriff und die Greuel der Hamas sind eines, die Palästinenserpolitik Israels etwas anderes.
    Ja, es ist furchtbar, was diese fanatisierten Extremisten anrichten.
    Danke, Thomas, für Deine Worte zum Wahlergebnis. Auch dieses ist erschreckend.

  3. Eine gute Gelegenheit eine Lieblingstrivia von mir anzubringen: Tscholent war die Inspiration für die Erfindung des Slowcookers.

  4. Veronika

    Tut mir leid, aber die Grünen sind für mich nicht wählbar. Nur 1 Punkt, Stichwort Heizungsgesetz. ich wohne in einem Haus, daß 100 Jahre alt ist, bin selbst schon Ü 70 und soll nun meine Heizung austauschen. Haben Sie eine Lösung? Ich nicht.

  5. Ich glaube, Sie sollen Ihre Heizung gar nicht austauschen. Niemand verlangt das von ihnen! Wenn sie funktioniert, darf sie drinbleiben; wenn sie kaputt ist und sich reparieren lässt, auch. Nur wenn sie kaputt ist und nicht repariert werden kann, also ersetzt werden muss, dann müssen Sie wirklich etwas ändern. (Und das danke ich Ihnen wirklich, als noch etwas jüngerer Mensch mit noch jüngeren Neffen und Nichten.) Aber selbst da gibt es Übergangslösungen und Hilfen. In der Presse wurde das oft falsch dargestellt, von Anfang an.

  6. Veronika

    Danke für die Antwort, aber meine Heizung ist älter als 30 Jahre, wenn die kaputtgeht, hab ich ein Problem. Hatte heute die Heizungsberatung da, da hilft nur ein Austausch und zwar sehr schnell, Förderung gibt`s in meinem Fall keine. Und jetzt sind Sie dran!

  7. Ich melde mich erst einmal per E-Mail, verzeihen Sie. Ich bin ein bisschen skeptisch bei Kommentaren bei Menschen, die ich nicht kenne. Es sind auch zwei verschiedene, wenn auch ähnliche E-Mail-Adressen angegeben bei den Kommentaren, ich schaue mal, welche stimmt.
    Nachtrag: Beide E-Mail-Adressen melden „Unknown recipient“.

  8. So k-a-n-n man am Schabbatmittag einen Eintopf essen, ohne ein Feuer anmachen zu müssen.

    Orthodoxe Juden und Jüdinnen praktizieren das nach wie vor so.

  9. Ah, natürlich, den Tscholent gibt es auch heute noch, Entschuldigung. Ich hatte den Eindruck, er ist altmodisch geworden, also nicht unbedingt die Zubereitungsart, sondern das Gericht an sich, aber dennoch ist Präsens angebracht. In Israel musste ich lange nach einem suchen, aber das war auch in Tel Aviv, da wird diese Tradition wahrscheinlich eh weniger gepflegt. Aber im Web findet man noch viele Fotos und Rezepte dazu.

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