(Noch bis zum 4. Februar 2024.)
Ich war zweimal in dieser Ausstellung. Ignacio Zuloaga y Zabaleta (1870 – 1945) ist in Spanien weltberühmt, in Deutschland unbekannt. Mir ist er über Geschichten aus der Familie von Frau Rau einigermaßen vertraut.
Die Ausstellung ist thematisch sortiert:
Frühe Jahre
Vor allem Bilder aus seiner Zeit in Paris. Das Porträt „Retrato de José de Orueta Perez de Nenín“ gefällt mir ganz besonders. Leider habe ich online nichts Passendes gefunden.
Auseinandersetzung mit Vorbildern
In „La enana doña Mercedes“ (1899) erkennt man das Vorbild von „Las meninas“ von Velázquez, bei anderen Bildern erkenne sogar ich El Greco und Goya (ein Bild, inspiriert von der Nackten Maja, die übrigens übrigens 85 Jahre in den Magazinen der Inquisition versteckt war und erst 1900 wieder an die Öffentlichkeit geriet).
Das propagierte Spanienbild

Torerillos de pueblo, 1906
Im Lauf des 19. Jahrhunderts haben zumindest Frankreich und Deutschland Spanien für sich entdeckt. Prosper Mérimée schrieb die Carmen-Novelle, Bizet machte die weltberühmte Oper daraus, „Die Bettlerin vom Pont des Arts“ von Wilhelm Hauff erschien 1826, die Zigaretten Gitanes gibt es seit 1910: Wenn man an Spanien denkt, denkt man an Stierkampf, gitanos und gitanas, Religion, stolze und eifersüchtig aufbrausende Dons und verführerische Doñas. Diese Motive greift Zuloaga auf und bedient sie. Das geschieht nicht ganz ohne ironischen Twist – seine Modelle sind Fabrikarbeiter in der Rolle von Kardinälen, Bordellbesitzerinnen geben feine Damen, und die liebreizenden Damen sind teilweise so grell geschminkt, dass es eigentlich nur eine Parodie sein kann. Die Bilder sind konstruiert, auch wenn sie reale Orte darstellen, können einzelne Häuser dazugemalt sein, die aus einer anderen Stadt kommen; Trachten sind bunt gemischt.
Dennoch, es ist ein konservatives, rückwärtsgewandtes, romantisierendes Spanienbild, Autos und Fabriken gibt es nie zu sehen – Zuloaga war im frühen 20. Jahrhundert nicht unumstritten, schließlich wollten auch die spanischen Intellektuelle eine Moderne haben. Aber Franco, Franco mochte Zuloaga, und Zuloaga Franco, und Franco schenkte Hitler drei Bilder Zuloagas. Vielleicht mit ein Grund, warum man hier nicht viel von Zuloaga hört.

El Cristo de la sangre (1911), im Original sehr viel heller als diese Version von Wikimedia. Das ganze ist Kulisse, wie man auf den zweiten Blick sieht: Die Stadt Ávila im Hintergrund ist eine aufgespannte Leinwand, das ist rechts oben und am linken Rand gut zu erkennen. Im Vordergrund Mitglieder verschiedener religiöser Orden und Richtungen, aber alle für sich, kein Miteinander. Für die Figur ganz links hat Zuloaga eines seiner häufigsten Modelle verwendet, Francisco, der mit seinem markanten Gesicht in vielen Bildern in verschiedenen Rollen auftaucht. (Ich glaube, er war Fabrikarbeiter.)
Porträts
Viele schöne Porträts, auf die Zuloaga sich dann legte, hier die Gräfin Mathieu de Noailles 1913 (auf Wikimedia gefunden):

Landschaften und Porträts in Landschaften
Und Landschaften, aber vor allem Landschaften mit Menschen davor. Sein Werk „Mujeres de Sépulveda“ hängt in keinem Museum, sondern im Rathaus des wenig zentralen Irun in einem Sitzungssaal. Letztes Jahr waren wir dort:

Das Bild ist auch in München, die haben wirklich eine großartige Ausstellung zusammengestellt. Vor dem Ersten Weltkrieg war es übrigens schon einmal in München, bei einer Ausstellung der Münchner Secession.
In etlichen späteren Werken kombiniert Zuloaga Porträt und Landschaftsgestalung. Das Format eignet sich dann auch sehr für Titelbilder, finde ich, auch wenn das in meinem Entwurf natürlich nach Self-Publishing aussieht:

(Original heftig bearbeitet, auch etwas verwischt, den Glanz habe ich trotzdem nicht weggekriegt. Tatsächlich heißt das Bild „Retrato de Enrique Larreta“ und zeigt den argentinischen Diplomaten und Schriftsteller dieses Namens vor der Stadt Ávila.)
Wie interessant ist Zuloaga?
Ich verstehe wwenig von Kunstgeschichte, aber im Deutschunterricht spielt die doch immer wieder mal eine Rolle. Impressionismus (vielleicht Pointillismus), Expressionismus (vielleicht Futurismus, Dadaismus), dann abstrakte Malerei, dann abstract expressionism, popart. Zwischen den Seiten taucht ein bisschen Surrealismus auf. Picasso, Miró, Pollack. Bis zu Miró gehe ich noch mit, dann werde ich Philister. – Zuloaga ist ein Maler, der diesen Weg der Moderne eben nicht eingeschlagen hat, sondern beim Gegenständlichen, Naturalistischen, wenn auch sicher nicht Photorealistischen geblieben ist. Deshalb taucht er in meiner Kunstgeschichte auch nicht auf. Vermutlich gibt es viele wie ihn? (Mir fallen nur die realistischen Amerikan einer: Grant Wood, Edward Hopper, Norman Rockwell. Und von Grant Wood kenne ich nur das eine Bild.)

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