Etwa Ende April jeden Jahres erstellen Gymnasien ihre vorläufige Unterrichtsplanung für das kommende Schuljahr: Wie viele Klassen mit wie vielen Stunden in welchen Fächern wird es geben, wie viele Anrechungsstunden und Wahlunterrichte gibt es? Diese Informationen werden dann ans Kultusministerium geschickt, das auf dieser Basis und unter, äh, Berücksichtigung der zur Verfügung stehenden Mittel den Schulen Lehrer zuweist, falls es nicht genügend für die zu erwartende Schülerzahl gibt. (Jedes Jahr werden Lehrer pensioniert, Referendare müssen auf Einsatzschulen verteilt werden, und junge Lehrer kommen nach Abschluss ihrer Ausbildung an ihre erste Schule.)
Schulen dürfen sich nicht einfach aussuchen, wie viel Wahlunterricht oder wie viel Englisch sie geben, oder wie viele Entlastungsstunden Mitglieder der Schulleitung oder andere mit zusätzlichen Aufgaben betraute Lehrer kriegen. Das steht alles genau in einer Vielzahl von Gesetzen, Verordnungen, Erlassen, Dienstanweisungen. Deshalb sendet das Kultusministerium dazu – neben einem Anschreiben mit weiteren Informationen – 40-50 Seiten „Planungsgrundlagen zur Unterrichtsübersicht“, die Fassung von 2013/14 kann man bei der GEW herunterladen, sonst habe ich es – wie so oft – nirgendwo gefunden.
Außer den Schulleitungen und Personalräten weiß kaum ein Lehrer davon, weshalb ich das hier vorstelle. Folgendes ist zum Beispiel dort gesammelt:
- In welchen Jahrgangsstufen es wie viel Nachmittagsunterricht geben darf.
- Höchstzahlen für Klassen, derzeit 33 Schüler.
- Höchstzahlen für Oberstufenkurs, derzeit 25 (Deutsch, Mathematik, Fremdsprache), 28 (andere Kurse) und 15 Schüler (Seminare)
- Referendare sollen auch in Q11 und Q12 unterrichten, da es „eine nicht gerechtfertigte zusätzliche Belastung für die Seminar-
schulen“ ist, wenn die ihre Oberstufenlehrproben dann alle dort machen. - Wie viele Lehrerstunden man verteilen darf. Klar: Wenn es da keine Grenze gäbe, würde jede Schule einfach viele kleine Klassen bilden und viele Lehrerstunden aufwenden.
- Wie viele Stunden davon auf die Jahrgangsstufen 5-10, wie viel auf 11-12 und wie viele auf Wahlunterricht entfallen. Allerdings muss die Schule sich nicht daran halten, darf aus dem einen Bereich Stunden nehmen und sie dem anderen zuführen.
- Neu: Wie viele Stunden für „Individuelle Lernzeit“ aufzubringen sind. Das sind je nach Schulgröße 7-9 Stunden für die Flexijahrleute und andere. Wie die Schule diese Stunden sinnvoll nutzt, bleibt der Schule überlassen. Ich bin schon sehr gespannt.
- Neu: Wie viele Stunden für „Integrierte Lehrerreserve“ aufzubringen sind. Das sind je anch Schulgröße 8-12 Stunden, die auf „mehrere“ Lehrkräfte verteilt werden. Die können dann einspringen, wenn eine andere Lehrkraft erkrankt, in Mutterschutz oder Elternzeit geht. Was die währenddessen machen… Präsenzen schieben? Anmerkenswert: Das sollen explizit Lehrer mit Deutsch oder Englisch sein. (Unter anderem deshalb, weil es nicht genug Mathe- oder Physiklehrer gibt.)
- Wie viele Stunden Lehrer geben müssen, Berechnung von nichtwissenschaftlichem Unterricht, verpflichtendes Arbeitszeitkonto, Teilzeitregelungen.
- Unterrichtseinsatz von Referendaren – wie in den letzten Jahren üblich: bis zu 17 Stunden. Die Unterrichtspflichtzeit der fertigen Lehrer ist wieder auf dem Niveau, auf dem ich sie anfangs erlebt habe; aber Referendare dürfen mehr arbeiten als damals. (Das waren früher in der Regel bis zu 14 Stunden, plus 2 falls nötig.) Kosten auch weniger als fertige Lehrer, und es gibt zu viele davon.
- Umgang mit Grundschullehrkräften am Gymnasium.
- Wie viele Anrechungsstunden es für Schulleiter gibt, wieviele für Mitarbeiter+Stellvertreter+Oberstufenkoordinator. (Wie das mit dem zusammenhängt, was in der Bekanntmachung über die UPZ der Lehrer an Gymnasien unter „Anrechnungen für die Schulleitung“ steht, habe ich noch nicht herausgefunden.)
Alles in allem: eine geeignete Lektüre für die mittlere Phase des Lehrerseins, wenn man schon etwas Routine im Unterrichten hat und sich für die Strukturen interessiert.
Schreibe einen Kommentar