Kompetent humorfrei

(3 Kommentare.)

(In Ermangelung von Zeit für etwas Originelles baue ich hier nur einen Tröt von Mastodon aus. Sagt man noch Tröt? Ich glaube nicht, dass klingt so alt wie das Anstupsen bei Facebook. Gibt es das noch? Das Anstupsen; von Facebook weiß ich das.)

Auf Mastodon habe ich geschrieben:

Wer sagt: Man muss nicht mehr viel wissen, weil man alles nachschlagen kann, müsste doch auch sagen: Man muss keine Witze verstehen, weil man sie sich erklären lassen kann. Der angehängte verlangt Wissen aus zwei durchaus verschiedenen Disziplinen. – Oder ist es so, dass der exkludierende Charakter vieler Witze diese ohnehin unnötig oder schädlich macht? (Bildquelle: https://knowyourmeme.com/photos/2641357-vampires)

Zeichnung einer unheimlichen Gestalt in einer Balkontür stehend, Sprechblase: „Can I come in?“, innen auf einem Bett eine Frau im Nachthemd, Sprechblase: „I don’t know, can you?“ Bildunterschrift: „Cursing quietly, the vampire backed away, foiled yet again by the english teacher’s pedantry.“

Man muss wissen, dass Vampire nach gängiger Auffassung einen Ort erst betreten dürfen, wenn sie dazu eingeladen wurden; man muss außerdem den Unterschied zwischen den Modalverben „können“ und „dürfen“ kennen; es hilft außerdem, dass man weiß, dass dieser Unterschied nicht oder nicht mehr besonders wichtig ist – erschließen kann man sich vielleicht selber, dass pedantische Englischlehrkräfte (eher im englischsprachigen Raum) typischerweise auf die falsche Verwendung von „can“ mit just der oben verwendeten Gegenfrage reagieren.

Um viele Witze zu verstehen, muss man etwas wissen. Um Memes oder launige Kurznachrichtentexte zu verstehen, muss man fast immer deren Hintergrund und Zusammenhang kennen. Das ist – oft, immer? – auch ein Wissen, dass für Gruppenbildung sorgt, es trennt diejenigen, die das kapieren, und die anderen, für die das unverständlich bleibt. Wer mitspielen will, muss Wissen haben. Im Einzelfall kann man sich auf die Suche nach einer Erklärung für den Witz machen (dazu gibt es ja Urban Dictionary und xkcd explained und knowyourmeme), weil in diesen Formaten der Witz ja auch nicht versteckt sondern klar markiert ist.

(Natürlich sind wir da sehr nah am Wissen über die korrekte Besteckplatzierung, oder die richtige Aussprache von Potemkin, mit denen manchmal auch bewusst abgegrenzt wird von denen, die dieses Wissen nicht haben.)

Anders ist das bei Easter Eggs, das können Witze und Anspielungen sein, die man gar nicht erst als solche wahrnimmt, wenn man über das nötige Wissen nicht verfügt. Aber macht es etwas, wenn man die Witze nicht versteht? Ist es unanständig, Literatur zu schreiben, die dieses Wissen voraussetzt, oder einfach nicht mehr zeitgemäß und überholt?

Klar ist das auch bei Witzen wie diesem:

Auch das kann man alles recherchieren. Und als Kompetenz braucht man natürlich einen Bullshit-Sensor. Dennoch: Wer etwas weiß, fällt – vielleicht – weniger auf Falschaussagen herein. Man kann nicht alles recherchieren, man muss auch wissen.

(Andererseits: Hilft Chemiewissen gegen Homöopathiegläubigkeit? Nicht wirklich, fürchte ich. Und, Fußnote, Intelligenz auf einem Fachgebiet hilft natürlich ohnehin wenig, man bildet sich dann nur ein, für alle Fachgebiete zuständig zu sein. Lobenswerte Ausnahme Jürgen Klopp in einer längere Tirade, als er kluge Sachen zu Covid sagen sollte: „Why me? I wear a basecap and I have a bad shave.“ Fachleute solle man fragen.)

Was ich mir aber zumindest als Argument vorstellen kann: Dass in der Schule Wissenserwerb nicht so wichtig ist, weil man Wissen – heißt implizit: im Gegensatz zu anderem – auch später noch leicht erwerben kann. Ich glaube zwar nicht, dass das so stimmt; es riecht ein bisschen neoliberal: Nicht die Gesellschaft entscheidet, was relevantes Wissen ist, sondern das eigenverantwortliche Individuum selber, oder halt die arbeitgebende Institution.


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Kommentare

3 Antworten zu „Kompetent humorfrei“

  1. Sabine

    Jetzt hatte ich eben einen Yes-Yes-No-Nostalgieanfall. Hach. Schnüff. Sic transit gloria mundi.

  2. Yes-Yes-No war auch ein schönes Beispiel dafür, wie schön Nichtwissen sein kann, und etwas erklärt zu bekommen.

  3. Aginor

    Schöner Beitrag, danke!

    Ich bin häufiger mal auf Reddit unterwegs und genieße zuweilen das Unterforum r/ExplainTheJoke, vielleicht weil ich zu sehr Deutscher bin oder weil ich mich damit brüsten will dass ich Witze/Memes/Anspielungen aus vielen Bereichen verstehe (in alter Tradition von Comics wie XKCD und SMBC).

    Es ist manchmal erstaunlich, auf welche Crossover-Witzideen manche Leute kommen. Und immer wieder ein Augenöffner welche Witze ich tatsächlich nicht verstehe, weil mir irgendein sehr spezifisches Wissen fehlt, z.B. eben aus irgendeinem Computerspiel oder Comic oder Film, einem Buch oder einer (Sub-) Kultur die ich nicht kenne.

    Da wird einem immer wieder klar, wie viele Witze und Anspielungen, Zitate, Sprichwörter und Easter Eggs man vermutlich die ganze Zeit verpasst, oder auch wie viele man unabsichtlich erzeugt (weil man von so vielem keine Ahnung hat), die andere Menschen dann aber wahrnehmen und Absicht unterstellen (einfach weil es aus deren Erfahrung heraus Sinn ergibt).

    Die Grenzen des eigenen Wissens auszuloten und sich mit einem Thema zu beschäftigen von dem man nichts weiß ist immer interessant, und Witze sind ein toller Einstieg wie ich finde.

    Gruß
    Aginor

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