Am letzten VERA-Test ist mir etwas aufgefallen, und ich habe Schwierigkeiten, Anspruch und Realität von VERA zusammenzukriegen. tl;dr: Eine Stelle ist fehlerhaft formuliert, was aber keine Rolle spielt; ansonsten ist der Test schlicht zu leicht.
1. Was VERA 8 ist und was Lehrkräfte davon halten
VERA 8 (für die 8. Jahrgangsstufe, es gibt auch VERA 3) sind drei Tests in den Fächern Deutsch, Englisch und Mathematik, die jährlich bundesland- und schulartübergreifend stattfinden. Die Teilnahme ist zumindest in Bayern nur alle drei Jahre verpflichtend, wobei sich die Fächer abwechseln, das heißt: alle drei Jahre müssen die 8. Klassen in Deutsch und ihre Lehrkräfte mitmachen, so auch 2024.
Die meisten Lehrkräfte mögen VERA 8 erst einmal nicht. Denn es kostet organisatorische Energie – man muss der Klasse erklären, worum es geht, Blätter austeilen, einsammeln, austeilen – und man muss korrigieren und die Ergebnisse in ein Webformular eintragen. Das dauert gar nicht so furchtbar lange, aber es ist zumindest lästig und man hat ohnehin nie genug Zeit. Man darf es nicht einmal benoten, denn:
Können Kompetenzstufen in Noten übersetzt werden?
Nein. Kompetenzstufen und Noten entsprechen einander nicht. Die Vergleichsarbeiten beziehen sich nicht auf den direkt vorangegangenen Unterricht, sondern nehmen einen längeren Lernzeitraum in den Blick, der noch nicht abgeschlossen ist. Die Vergleichsarbeiten überprüfen nicht, wie gut der kurz zuvor behandelte Unterrichtsstoff verstanden wurde, sondern […]
Richtig, und doch so knapp an echter Erkenntnis vorbei! Ich möchte nämlich durchaus auch Noten machen dürfen, die sich nicht auf den direkt vorangegangenen Unterricht beziehen, sondern einen längeren Lernzeitraum in den Blick nehmen. Noten, die ebenfalls nicht überprüfen, wie gut der kurz zuvor behandelte Unterrichtsstoff verstanden wurde, sondern insgesamt feststellen, wie viel denn noch da ist. Dann müsste man sich auch nicht den in manchen Kreisen beliebten Vergleich von Noten mit Essstörungen anhören.
Ich sehe aber auch Vorteile von VERA:
- Man erfährt, welche Schüler*innen in welchen Bereichen besondere Defizite haben.
- Für das Bildungssystem insgesamt ist es ein Erkenntnisgewinn zu erfahren, wo die Schüler*innen in einem Bundesland hinsichtlich der gesteckten Ziele stehen und wie sie sich entwickelt haben.
Die Probleme dabei:
- Welche Schüler*innen Defizite haben, weiß ich meist auch so; mir fehlen so oder so die Ressourcen, um dagegen etwas zu unternehmen.
- Ich glaube, das Bundesland interessiert sich zumindest bei meiner Schulart nicht besonders für die Erkenntnisse, und der Erkenntnisgewinn zumindest bei meiner Schulart ist möglicherweise gering.
2. Exkurs: Was nämlich wirklich wichtig ist: Aufsätze
Im Fach Deutsch gibt es einen schönen Lehrplan mit vielen schönen Inhalten. Der tatsächliche, von mir aus heimliche, Lehrplan hat mit diesem aber wenig zu tun; er entsteht aus dem separaten kultusministeriellen Schreiben zum Aufsatzunterricht, der festzurrt, welche Aufsätze geschrieben dürfen und welche nicht und welche Übungsaufsätze vorgeschrieben sind. (Ausführlicher Blogeintrag dazu.) Die Noten entstehen zu 2/3 aus den vorgeschriebenen Aufsätzen, da liegt es nahe, auch 2/3 der Zeit dafür zu verwenden. Im Lehrplan macht das Thema 1/5 aus. Und Aufsätze sind das einzige, was durch VERA 8 nicht erfasst wird, weil es nicht erfasst werden kann. Wenn mal wieder herauskommt, dass Schüler*innen nicht ausreichend lesen können, gibt es eine Initiative, aber der tatsächliche, also heimliche, Lehrplan bleibt unangetastet.
Wenn Leseverstehen wichtig ist, warum darf ich das nicht in einer großen Leistungserhebung prüfen? Oder Grammatik, oder Rechtschreibung, oder Theaterspielen? (Von Antworten, die die Wörter „ganzheitlich“ oder „implizit“ enthalten, bitte ich Abstand zu nehmen.) Es gibt allerdings eine Ausnahme, die Debatte als mündliche Schulaufgabe. Und theoretisch dürfen wir auch manchmal Grammatikschulaufgabe, aber das Kultusministerium sagt, wir sollen das gefälligst nicht tun.
Aber ist das Leseverstehen denn überhaupt ein Problemfall? Wie gut sollen Schüler*innen überhaupt lesen können? Das steht in den Bildungsstandards.
3. Was die Bildungsstandards der KMK sind
Es gibt für die zentralen Fächer bundesweite Bildungsstandards, auf die sich die KMK geeinigt hat, und die den Bundesländern zumindest als Rahmen dienen sollen. (Wikipedia dazu, auch zur berechtigten Kritik daran.) Die KMK ist die Kultusministerkonferenz, denn Bildung ist einerseits Ländersache, andererseits ist man mehr und mehr bemüht, bestimmte Dinge zu vereinheitlichen, insbesondere anforderungen. Und das spricht man in der KMK ab.
Die Bildungsstandards für den mittleren Schulabschluss (MSA) legen zum Beispiel fest, über welche Kompetenzen und Teilkompetenzen Schüler*innen in Bayern am Ende der zehnten Jahrgangsstufe in den einzelnen Fächern mindestens oder in der Regel verfügen sollen. Gemessen werden die Kompetenzen, die sich messen lassen, mit VERA (Wikipedia dazu, auch zu berechtigten Kritik daran).
Ich weiß nicht, wie die Bildungsstandards entstehen; es wird eine von der KMK beauftragte Kommission aus Lehrkräften, Universitätsmenschen und Politik gewesen sein, manche davon wahrscheinlich aus Baden-Württemberg. Für Informatik gibt es keine solchen Bildungsstandards, aber da hat die zivilgesellschafttliche Gesellschaft in Form der Gesellschaft für Informatik schon mal eigene Bildungsstandards erstellt, an denen sich die KMK orientieren könnte, wenn es denn mal welche auch für dieses Fach gäbe. Ob das für Deutsch ähnlich war, weiß ich nicht. Die Bildungsstandards findet man bei der KMK.
Gemessen wird das Erfüllen der Bildungsstandards nun eben zum beispiel durch VERA. So hängt das eine mit dem anderen zusammen.
4. Die Kompetenzstufen
Wie gut man in einer Kompetenz – hier: Leseverstehen – ist, wird in 5 Kompetenzstufen angegeben. In den Bildungsstandards stehen die nicht, sondern in den Kompetenzstufenmodellen des IQB, in diesem Fall im iKSM Lesen.
Am Ende der 10. Jahrgangsstufe soll man mindestens auf Stufe II sein (Mindeststandard für den MSA), normalerweise auf Stufe III (Regelstandard für den MSA). Stufe IV geht über die Vorgaben der Bildungsstandards hinaus (Regelstandard plus für den MSA). Stufe I ist das, was bei PISA durch die Presse geht, wenn es heißt, dass soundso viel Prozent die Mindeststandards eben nicht erreichen. Stufe V (Optimalstandard) übertrifft bei weitem die Erwartungen der Bildungsstandards. Bei Mastodon schrieb eine Lehrkraft, 80% ihrer SuS hätten Stufe V erreicht.
Unklar ist mir, wie Regelstandard und Bildungsstandard zusammenspielen: Es heißt, der Regelstandard bezieht sich auf die Kompetenzen, „die im Durchschnitt … erreicht werden sollen.“ Das hilft mir nicht viel. Wie viele der vollmundigen Kompetenzen der Bildungsstandards sollen denn im Durchschnitt ereicht werden? 50%, 80%, 30%? Oder ist Stufe III gar nicht der Durchschnitt, der erreicht werden soll, sondern schlicht der Durchschnitt, der erreicht wird – also soziale Bezugsnorm statt kriterienorientierter? Wenn das so ist, kann man sich auf die Schulter klopfen: dann werden die Vorgaben, dass der Durchschnitt Stufe III hat, immer erreicht, weil Stufe III das ist, was der Durchschnitt erreicht.
In der Kurzform, für Eltern und Schüler und Schülerinnen etwas vereinfacht, sind die Kompetenzstufen so angegeben:
Schülerinnen und Schüler…
- … auf Kompetenzstufe III sind in der Lage, im Text verstreute Einzelinformationen miteinander zu verknüpfen und eigene Schlussfolgerungen zu ziehen. Sie können Fließtext und Darstellungsformen wie Diagramme, Tabellen und Schaubilder ansatzweise als Ganzes erfassen. Zudem unterscheiden die Schülerinnen und Schüler unterschiedliche Textsorten voneinander und können das jeweilige Textthema benennen.
- … auf Kompetenzstufe IV können Texte als Ganzes erfassen. Sie erkennen wesentliche Zusammenhänge und Funktionen von Textteilen und sind in der Lage, über deren sprachliche Gestaltungen und deren Aufbau nachzudenken. Beispielsweise gelingt es ihnen, die Absicht des Erzählers aus einem Text herauszulesen.
- … auf Kompetenzstufe V zeigen eine hohe Sicherheit in den Anforderungen der vorigen Kompetenzstufen, auch bei längeren und komplexen Texten. Sie können Interpretationsansätze bewerten und selbst entwickeln. Außerdem gelingt es ihnen, typische Merkmale verschiedener Textsorten zu erläutern und darüber nachzudenken.
Ich sehe zwei Probleme, ein kleines und ein großes. Erstens: Sind in der Lage, über sprachliche Gestaltung und Aufbau nachzudenken (Stufe IV)? Es gelingt ihnen, über typische Merkmale nachzudenken (Stufe V)? Das gelingende Nachdenken als Operator halte ich für nicht aussagekräftig. Aber gut, das sind Kurzfassungen in verständlicher Sprache, nehme ich zähneknirschend hin.
Zweitens: Entsprechen diese Formulierungen wirklich den Ansprüchen der Bildungsstandards? Dort steht zum Beispiel unter der Überschrift Literatur in unterschiedlicher Medialität: Die Schülerinnen und Schüler…
- nutzen implizite und explizite Informationen zu Figuren und Figurenkonstellationen, zu Raum- und Zeitdarstellung, Handlungs- und Konfliktverlauf sowie Atmosphäre zum Aufbau von Textverständnis und zur Entwicklung einer differenzierten Deutung,
- nutzen implizite und explizite Informationen zu Figuren und Figurenkonstellationen, zu Raum- und Zeitdarstellung, Handlungs- und Konfliktverlauf sowie Atmosphäre zum Aufbau von Textverständnis und zur Entwicklung einer differenzierten Deutung,
- nutzen Fachbegriffe bei der Erschließung (u. a. Autor, Erzähler, Erzählperspektive, Erzählzeit/erzählte Zeit, Figur, Monolog, Dialog, Szene, Regieanweisung; Reim, Vers, Sprecher/lyrischer Sprecher; Kameraperspektive, Einstellungsgröße, Montage, Kamerabewegung, Schnitt),
- formulieren eigene Deutungen von Texten und belegen diese,
- formulieren Wertungen von Texten und begründen sie differenziert,
Dieser hehre Anspruch der Bildungsstandards scheint mir nicht zu Kompetenzstufe III zu passen. Aber es geht ja auch bei Stufe III darum, dass diese Kompetenzen im Durchschnitt erworben werden sollen. Dann passt das vielleicht wieder. Schauen wir uns Kompetenzstufe IV in der ausführlicher Vollfassung an:
Kompetenzstufe IV: Auf der Ebene des Textes wesentliche Zusammenhänge erkennen und die Textgestaltung reflektieren
Schülerinnen und Schüler auf Kompetenzstufe IV sind in der Lage, wesentliche Zusammenhänge und Funktionen einzelner Textteile zu erkennen und die sprachliche Gestaltung und Struktur ganzer Texte zu reflektieren. Dies gelingt auch bei strukturell und/oder inhaltlich schwierigen, längeren Texten sowie bei Kombinationen von kontinuierlichen Texten und diskontinuierlichen Grafiken bzw. Diagrammen. So werden unter anderem Aufgaben gelöst, bei denen die Erzählerintention in erzählenden Texten beurteilt, eine Interpretationshypothese plausibel bewertet und begründet oder Wissensbestände von Figuren erschlossen werden müssen. Darstellungsstrategien und Strukturen des Textes werden richtig erkannt und verarbeitet.
Neben der Lösung von Aufgaben, bei denen vorgegebene Absatzüberschriften in die richtige Reihenfolge gebracht oder Zeilenintervallen zugeordnet werden müssen, gelingt es den Schülerinnen und Schülern auch, auf Basis eines globalen Textverständnisses im Text verstreute begriffliche Varianten zu lokalisieren und zu verarbeiten oder Figurenmerkmale, die über den gesamten Text verstreut dargestellt werden, richtig zuzuordnen. Bei Sachtexten gelingt es den Schülerinnen und Schülern, Informationen aus Grafik und Text miteinander abzugleichen.
Auf der Kompetenzstufe IV werden insgesamt Leistungen gezeigt, die über die Vorgaben der Bildungsstandards hinausgehen, sodass Schülerinnen und Schüler auf dieser Kompetenzstufe den Optimalstandard für den Hauptschulabschluss bzw. den Regelstandard plus für den Mittleren Schulabschluss erreichen.
Passt das besser? Ich bin immer noch skeptisch. Es ist ja auch so, dass in Bayern am Gymnasium sehr, sehr viele Schüler und Schülerinnen Mitte der 8. Klasse auf Stufe II, IV oder V sind. Aber gut, dass habe ich noch nicht völlig durchdacht.
Einfacher ist die Kritik bei dieser Stelle, die ich für unsinnig halte: „So werden unter anderem Aufgaben gelöst, bei denen die Erzählerintention in erzählenden Texten beurteilt“ werden muss, in der einfacheren Variante: „Beispielsweise gelingt es ihnen, die Absicht des Erzählers aus einem Text herauszulesen.“ Den Literaturtheoretiker in mir schüttelt es ein wenig. Was ist mit dieser Erzählerintention oder Absicht des Erzählers wohl gemeint? Die Intention in einem pragmatischen Text? Steht so in den Bildungsstandards, ist legitim, aber dann würde man nicht von Erzähler sprechen. Die Intention des Autors? Steht nicht in den Bildungsstandards und wäre extrem fragwürdig beziehungsweise Humbug. Die Wirkung der Erzählperspektive? Das würde am meisten Sinn ergeben, und ich vermute mal, dass das gemeint ist. Oder soll es wirklich um die Erzählerintention gehen?
5. Was die Bildungsstandards zur Erzähltheorie sagen
Ich habe darin mal nach dem Wort „Intention(en)“ gesucht. Das Wort taucht beim Mittleren Schulabschluss nur im Zusammenhang mit Kommunikation, pragmatischen Texten (also Sachtexten) und digitalen Formaten (gemeint: Internet) auf, nicht im Zusammenhang mit fiktionalen Texten.
Ich habe auch nach „Erzähl*“ gesucht. Als Fachbegriff für die Erschließung werden „Erzähler, Erzählperspektive, Erzählzeit/erzählte Zeit“ genannt. Die Schüler und Schülerinnen „formulieren eigene Deutungen von Texten und belegen diese,“ sie „formulieren Wertungen von Texten und begründen sie differenziert“.
Das finde ich völlig angemessen, ich habe hier kein Problem mit den Bildungsstandards. Der Fehler liegt beim Kompetenzstufenmodell.
6. Die Erzählerintention
Bei Genette, Die Erzählung, 3. Auflage, finde ich den Begriff gar nicht. Wikipedia sagt einmal, aber ohne Quelle, den durchaus richtigen Satz: „Dabei ist der Erzähler und die Erzählerintention nicht gleichsetzbar mit dem Autor eines Erzähltextes und der Autorintention.“ Google findet nicht viele Treffer dazu. (Hier übrigens die wortwörtliche Suche, da stehen also wirklich nur Seiten, die diese Zeichenfolge enthalten.) Die meisten Treffer sind just die Kompetenzstufen-Formulierung, daneben gibt es ein paar Fundorte, an denen der Begriff verwendet wird wie in der Wikipedia. Das heißt in dem Sinn, dass der Erzähler in einem fiktionalen Werk eine Erzählabsicht hat. Die erkennt man am ehesten bei expliziten Ich-Erzählern:
Da unser Gutsherr, Mr. Trelawney, Dr. Livesay und die übrigen Herren mich baten, alle Einzelheiten über die Schatzinsel von Anfang bis zu Ende aufzuschreiben und nichts auszulassen als die Lage der Insel, und auch die nur, weil noch ungehobene Schätze dort liegen, nehme ich im Jahre 17.. die Feder zur Hand und beginne bei der Zeit, als mein Vater noch den Gasthof „Zum Admiral Benbow“ hielt und jener dunkle, alte Seemann mit dem Säbelhieb über der Wange unter unserem Dache Wohnung nahm.
Robert Louis Stevenson, Die Schatzinsel (Anfang)
Hier ist die Erzählerabsicht, Zeugnis abzulegen und damit einer Bitte nachzukommen. Anders bei Poe:
Es ist wahr! Nervös, schrecklich nervös war ich und bin ich noch; aber weshalb soll ich wahnsinnig sein? Mein Übel hatte meine Sinne nur geschärft, nicht zerstört oder abgestumpft. Vor allem war mein Gehörsinn außerordentlich empfindlich geworden. Ich hörte alle Dinge, die im Himmel und auf der Erde vor sich gingen, und auch vieles, was in der Hölle geschah. Wie könnte ich also wahnsinnig sein? Hören Sie nur zu, wie vernünftig und ruhig ich lhnen die ganze Geschichte erzählen werde.
Edgar Allan Poe, Das verräterische Herz, Übersetzung von Hedda Eulenberg (Anfang)
Hier besteht die Erzählerintention darin, sich zu rechtfertigen, sich zu erklären, sich als nicht verrückt zu präsentieren. Besonders bei unzuverlässigen Ich-Erzählern ist die Absicht des Erzählers ein Element der Textdeutung. Bei anderen Perspektiven halte ich diesen Begriff für selten hilfreich. Aber vielleicht geht es auch nicht darum und der Begriff ist einfach falsch verwendet? Schauen wir uns die konkreten Fragen dazu an.
7. Die konkreten Testfragen
Klar, ohne die Textgrundlage kann niemand, der hier liest, diese Testfragen wirklich beurteilen. Dennoch vermitteln sie wohl einen Einblick.
1.10 Warum wird in den Zeilen 21 und 46 Kursivdruck verwendet? Nenne einen möglichen Grund.
Richtig: es werden Gedanken wiedergegeben
Falsch: es ist wörtliche Rede/ein Zitat.
Das ist bereits Kompetenzstufe IV. Es gibt einen ausführlicheren Kommentar, der erklärt, warum das Stufe IV ist, also warum das über die MSA-Regelanforderungen hinausgeht; der Kommentar überzeugt mich nicht.
1.13a Aus wessen Sicht hier wird erzählt?
Richtig: aus der Sicht von Milo [Anmerkung von mir: 3. Person]
Falsch: der Erzähler1.13b Was soll diese Perspektive bewirken?
Richtig: sich in Milo hineinversetzen/kindliche Perspektive verdeutlichen
Falsch: (keine Angabe)
Das ist ebenfalls Kompetenzstufe IV. Diese Frage gehört ebenso wie 1.10 zuvor zu Bildungsstandards (oder eher: iKSM Lesen) Punkt 3.3.7 – leider habe ich nirgendwo eine Fassung gefunden, die diese Nummerierung benutzt. Es wird sich vielleich handeln um den Punkt „wesentliche Fachbegriffe zur Erschließung von Literatur kennen und anwenden, insbesondere Erzähler, Erzählperspektive, Monolog, Dialog,sprachliche Bilder, Metapher, Reim, lyrisches Ich.“ Auch hier nichts von Erzählerintention.
1.3 Eine Schülerin sagt: „Während seiner Zeit in Afrika war Milos Vater gastfreundlich,
humorvoll und beliebt.“ Notiere für jedes Adjektiv eine passende Textstelle.
Das ist bereits Kompetenzstufe V. Denn die drei unterstrichenen Wörter tauchen im Text nicht auf, sondern man muss Synonyme suchen und finden. Das ist schon eine gewisse Leistung. Aber wenn das das wirklich „bei weitem die Erwartungen der Bildungsstandards übertreffen“ sollte, dann stimmt etwas nicht. Aber gut, ich bin Laie, habe mich nur wenig – aber doch ein bisschen – mit Testtheorie beschäftigt.
8. Die VERA-Ergebnisse und mein Fazit
Auf Basis dieser Fragen kommt heraus… leider sind die Ergebnisse nicht öffentlich. Als Instrument für die individuelle Diagnose und Hilfe für die Deutschlehrkraft ist das auch nicht nötig. Bildungspolitisch will ich aber sehr wohl wissen, wie viel Prozent am Gymnasium auf Stufe III, IV oder V sind und ob das an anderen Schularten oder in anderen Bundesländern anders ist. Wenn sehr viele Schüler und Schülerinnen „bei weitem die Erwartungen der Bildungsstandards übertreffen“, dann machen mich die Erwartungen wundern. Entweder das, oder – sehr viel wahrscheinlicher – die Tests sind zu leicht und messen nicht das, was sie sollen. Weil sie es vielleicht auch nicht können?
Kurzfassung: Ich bin für VERA. Dafür Jahrgangsstufenarbeiten abschaffen. Die VERA-Ergebnisse sollten öffentlich sein und die Tests schwieriger. Das mit der Erzählerintention ist einfach ein Fehler, der aber keine Auswirkungen hat.
- Es gibt die Bildungsstandards der KMK. Die klingen okay.
- Es gibt für die darin genannten Kompetenzen ein Kompetenzstufenmodell der KMK. Darin steht entweder Falsches zur „Erzählerintention in erzählenden Texten“, oder das Gemeinte wird im weiteren Verlauf falsch verstanden.
- Es gibt VERA 8, das diese Kompetenzstufen überprüft. Möglicherweise manchmal auf nicht sinnvolle Weise.
(Nachgereichte Offenlegung: Ich war mal beim Pilotieren eines VERA-Tests beteiligt, und Teil einer sehr großen Arbeitsgruppe, die VERA bei der Einführung den bayerischen Lehrkräften schmackhaft machen sollte. Der erwartete Aufschrei blieb damals dann aber aus. Wir schieden im Guten.)
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