re:publica24

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Die re:publica ist eine Art Kongress, der seit 2007 einmal im Jahr stattfindet, gegründet von Leuten, die das Internet noch von früher kennen, es auch deshalb für eine feine Sache halten, die sich aber auch Sorgen um die Zukunft von Planet und Gesellschaft machen. So sagt man wohl „Digitalkonferenz“ oder „Zukunftskonferenz“ dazu. Seit etlichen Jahren findet parallel zur re:publica die Tincon für jüngeres Publikum statt.

Die Veranstaltung dauerte drei Tage, es gab 30000 Besucher und Besucherinnen, Programmpunkte (Sessions) gab es 818 eigene plus etwa 200 weitere von Partnern wie ARD oder ZDF, verteilt auf 31 Bühnen oder Räume (fachsprachlich: Bühnensituationen) mit Sitz- oder Stehplätzen für 20 bis 1200 Zusehende. Es gab 1615 Sprecher:innen im Alter von 16 bis 92 Jahren aus 60 Ländern.

Der Besuch kostet viel Geld (299 Euro regulär, 999 Euro Business, 99 Euro ermäßigt, jeweils plus 5% Ticketgebühren), es gibt günstigere Early-Bird-Tickets für Frühbuchende, für Kinder bis einschließlich 15 Jahren ist der Eintritt kostenlos (ernsthaft? ich wäre als Berliner Schüler so was von dabei gewesen). Auch freiwillige Helfer:innen kommen kostenlos hinein (also gegen Arbeit an einem der Tage, es gab 460 solcher Voluntees), als Speaker zahlt man nichts; ich selber habe reduzierte 250 Euro gezahlt, weil ich Mitglied der Gesellschaft für Informatik bin.

Was sind das für Sessions und Sprecher:innen?

Sessions sind entweder Vorträge von einzelnen, Vorträge im Team, Diskussionspanels, Interviews, Workshops, Vorführungen; jeweils meist eine halbe oder eine ganze Stunde lang, aber es gibt auch längere Workshops. Natürlich finden die parallel auf den verschiedenen Bühnen statt, man sucht sich einfach aus, wohin man geht; die Veranstaltungsapp erleichtert es, einen Überblick zu behalten.

Der Inhalt der Sessions ist sehr unterschiedlich und hängt von den Vortragenden ab. Da kann

  • der Präsident der Mozilla Foundation einen Vortrag halten über die Zukunft und Notwendigkeit von offener KI,
  • oder ein Internet-Urgestein eine Präsentation halten dazu, was es von seinem Hund Frida gelernt hat. (Und das war eine sehr gute Session!)
  • Journalist:innen erklären ihre Arbeit oder ihre Probleme oder ein Projekt (aktuelle Correctiv-Recherche),
  • Sachbuchautor:innen fassen ihre Erkenntnisse zusammen (Finanzierungsmodelle von Open-Source-Software),
  • Wissenschaftler:innen stellen Forschungsprojekte vor (DNS-Datenbanken, Exoskelette in der Pflege),
  • Künstler:innen zeigen neue digitale Techniken,
  • Informatiker:innen erklären Grundlagen (Quantencomputer) oder sprechen über Frauenrollen in der IT,
  • zu einem zentralen Thema (Migrantische Online-Communitys in Deutschland) tauschen sich Politik, Aktivismus und Wissenschaft aus,
  • Politiker werden interviewt oder stehen Rede und Antwort (mindestens da waren: Habeck, Lauterbach, von der Leyen, Baerbock),
  • und manchmal stellt nur jemand einen schrägen Zeitvertreib vor.

(Hier das Programm.) Quasi von ausformuliertem Blogeintrag über Seminararbeit bis Doktorarbeit ist alles dabei. Selbst wenn die Grundlage eines Vortrags eine Buchveröffentlichung war, hatte ich nie den Eindruck, dass es um eine Werbeveranstaltung ging. Zentrale Themen waren für mich schwer auszumachen, weil das Programm so vielfältig ist; eines war sicher Extremismus und der Umgang damit. Das Motto diesmal war das doppeldeutige: „Who cares?“

Wer ist das Publikum, und warum geht man dort hin?

Also, viele gehen überhaupt nicht dorthin, selbstverständlich. Etwa die Hälfte der Besucher:innen kommen aus Berlin; um die 2,7% (ich weiß die genaue Zahl nicht mehr) aus München, also etwa Frau Rau und ich und noch 800 weitere.

Wer geht dahin und warum: Alte Internethaudegen, junge Interessierte, und Leute aus Journalismus und Forschung und Aktivismus, Medienschaffende. Wie viele der Besucher sind privat dort und wie viele kriegen die Karte bezahlt von Universität, Agentur, Firma, Verlag? Ich weiß es nicht. Warum gehen all diese Leute dorthin: Aus verschiedenen Gründen, nehme ich an. Um sich Anregungen zu holen und sehr viele kluge Leute auf einem Haufen zu erleben. Um zu networken. Um Internetfreunde und -freundinnen zu treffen. Als Groupie oder um damit angeben zu können. Um das mit einem Berlinurlaub zu verknüpfen.

Ist es das wert?

Also aufwendig ist es schon, kein Wunder, dass die Hälfte aller BesucherInnen aus Berlin kam. Und teuer ist es auch. Andererseits kann man das mit einem Dreitage-Konzert vergleichen, nur ohne Schlamm. Schlamm ist extra. Oder mit einem Dreitage-Wellnessaufenthalt im Hotel, nur hlt fürs Hirn. Auch hier Schlammbad extra. Wenn es nur um die Inhalte geht: viele Sessions werden aufgezeichnet und stehen als Audio oder Video zur Verfügung, man kann also vieles von zu Hause aus nachhören. Aber das wäre bei einem Konzert ja auch so.

Und ich?

Es ist auf jeden Fall einigermaßen anstrengend oder erschöpfend zumindest. Ich habe drei Tage lang Sachen gehört und mir viele Notizen gemacht, viele Links notiert, viele Fotos aufgenommen und Videos heruntergeladen. Das muss ich jetzt erst sortieren in: gleich bei Mastodon veröffentlichen, in den nächsten Wochen erledigen, Projektordner dafür aufmachen, in To-do-Liste aufnehmen, in die Sommerferien schieben. Ich würde gerne mehr networken dort, mich mit mehr Leuten verabreden, von denen ich weiß, dass sie auch dort sind, aber das fällt mir schwer. Ich habe Joël getroffen, Thomas und Thomas, Susanne, einen Vortrag von Timo und Soraya Off gehört und viel zu kurz Hallo gesagt, und über Frau Rau noch einige andere Internetgestalten zumindest kurz gesehen, das war alles sehr schön. Nun, nächstes Mal nehme ich mir besonders vor, mich mit Leuten zu treffen. Ich glaube nämlich, ich will da wieder hin; 2022 war ich das erste Mal dort. Je nach Pfingstferiensituation.

(Traditioneller Schlusspunkt: Das gemeinsame Singen von Bohemian Rhapsody.)

Steuerlich absetzbar? Weiß nicht. Ich war auch bei Themen Informatik und Schule, und die Gesellschaft für Informatik ist ja auch Kooperationspartner. Und beruflich bringt mir das sicher etwas.


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4 Antworten zu „re:publica24“

  1. Danke! Wäre mir zu anstrengend, aber gut, dass es die Veranstaltung gibt. Wenn du mit Links andeuten könntest, wo man interessante Aufzeichnungen finden kann, wäre ich dankbar.
    Andererseits, auch ohne die re:publica bietet das Internet mir mehr Gutes, als ich verdauen kann. Gruß Fontanefan

  2. Hier erscheinen nach und nach alle die Videos, die es gibt:
    https://www.youtube.com/playlist?list=PLAR_6-tD7IZV6D2ud_q905-riF4QAp3Jy

    Gutes gehört, aber selber nicht dagewesen, habe ich von dem hier und dem, hier Kritisches zu KI, dort zu KI und Urheberrecht. Aber da sind so viele. Manche fand ich auch durchaus nicht gut, für andere war ich nicht die Zielgruppe; einer meiner Favoriten ist (noch?) nicht online.

    Nachtrag: Der Hundevortrag ist hier, vielleicht kommt aber noch eine andere Aufnahme: https://www.youtube.com/watch?v=Rt_2XvOYJdY

  3. Jetzt erst gesehen! Ja, das war ein kurzes Hallo!
    ist dein „ich glaub, ich will da wieder hin“ schon konkreter? Biete doch ne Session an. ich würde zu dir auch hingehen.

  4. Grüß dich, Timo! Ja, kurz, aber ich bin auch nicht gut mit Menschen. :-)
    Ich bin jedes Jahr unentschlossen, ob ich zur re:publica will oder nicht. Früher war das keine Frage, weil das nie in den bayerischen Pfingstferien war, aber seit vier oder fünf Jahren ist das anders. 2022 war ich das erste Mal dort, habe aber schon früh immer viel mitgekriegt.
    Natürlich habe ich schon darüber nachgedacht, eine Session anzubieten. Aber dann fällt mir doch nichts ein. Aber ja, ich denke weiter darüber nach. Ich schaue wieder bei dir vorbei, wenn etwas ist!

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