Heute war die Hochzeit meines Zwillingsbruders. Das Standesamt habe ich knapp verpasst, aber mit den Brautleuten und der restlichen Familie bin ich danach noch zum Mittagessen. Gemütlich, sonnig, wir konnten draußen sitzen und uns unterhalten. Die Braut war Französin, ihre Familie ebenso. An meinem Tisch wurde ein Gemisch aus Deutsch, Englisch, Französisch und Spanisch gesprochen, weil jeder neben der Muttersprache ein bisschen vom einen oder anderen verstand oder sprach. Ein Gast am Tisch war Französisch-Kanadierin mit gutem Englisch als Zweitsprache. Eine andere hatte am Gymnasium nie Französisch, sondern Spanisch gelernt. Einen Kongodialekt und Latein hatten wir auch. Der Kongodialekt war weniger hilfreich und mehr ein Kuriosum.
Da gingen die Sprachen zwar manchmal mitten im Satz durcheinander, aber ob das jetzt ein französisches „plus“ war oder ein spanisches „mas“, verstanden hat man sich.
Die Fehler, die uns in der Schule als heilige Kühe galten, waren dabei nebensächlich. Kein s bei der dritten Person Singular Präsens im Englischen? Machte gar nichts. Macht ja auch tatsächlich nichts. Wichtig ist Kommunikation. (Kulturelle Verschiedenheiten sind da bestimmt wichtiger – wie man das Besteck hinlegt und was man mit der Serviette macht und so weiter.)
Ein Grund, warum wir in der Schule auf diesem s und ähnlichen banalen Fehlern herumreiten, ist der, dass wir Kommunikationsfähigkeit nicht lehren können oder sollen oder wollen und nicht benoten dürfen oder wollen oder können. Wir attestieren theoretische Kenntnisse; jemand, der in einer solchen Hochzeitssituation versagt, weil er den Mund nicht aufkriegt für die einfachsten Gespräche, kann durchaus eine bessere Note kriegen als andere, die das mit dem s vielleicht nie kapieren, aber sofort mit den Leuten reden können.
Schreibe einen Kommentar