Novelle und Kurzgeschichte: Stoff der 9. Klasse. Neben Originalquellen im Schulbuch (Goethe, Storm, Heyse) befindet sich darin auch ein Ausschnitt aus einem Literaturlexikon, und eben den haben wir mit dem entsprechenden Wikipedia-Eintrag zur Novelle verglichen. Die Unterschiede sind nicht mal so groß, aber das Lexikon war doch noch etwas ausführlicher.
Die erste Frage der Schüler danach: Stimmt es, dass die Wikipedia besser/schlechter als der Brockhaus ist? Ich habe ihnen nach einer kurzen Antwort den viel wichtigeren Unterschied zwischen Konversationslexikon (Brockhaus, Wikipedia) und Fachlexikon erklärt und überhaupt das Konzept Fachliteratur vorgestellt. Und frech behauptet, für ein gutes Referat reiche ein Konversationslexikon nicht aus.
Das führte einmal zur Frage, wie zuverlässig Wikipedia und gedruckte Lexika sind. Bei nächster Gelegenheit hielt ich meine Steinlaus-Stunde (mit Pschyrembel und Spektrum der Wissenschaft). Es gab wieder ein bisschen Empörung darüber, dass man nicht alles glauben darf, was man im Lexikon liest. Oder bei Wikipedia. Oder sonstwo.
Ein aktuelles Beispiel war passenderweise gleich die Generation Netz-Naiv beziehungsweise Generation Kerner: Zur Demonstration der zunehmenden Verblödung der aktuellen Generation wird eine Kandidatin bei „Wer wird Millionär“ zitiert, die die Frage: „Wie heißt George W. Bush mit Vornamen?“ falsch beantwortet hat. Sagt Kerner. Weil das in dem Buch steht, das bei ihm vorgestellt wurde. Das war selbst einigen meiner Schüler bekannt („aber die Frau war nicht unsere Generation, die war schon älter“).
Die Geschichte stimmt nur hinten und vorne nicht, auch wenn das in einem Buch steht und bei Kerner gesagt wurde. Man darf halt nicht alles glauben, und wenn man ohne Grundwissen oder Nachprüfung Informationen per copy & paste übernimmt, dann fällt man auf so etwas rein.
Wie kann man dann sicher sein, ob das stimmt, was man in einem Buch liest? Man liest zwei Bücher. Man wird Experte. Zur Demonstration, was ein Fachbuch sein kann und wie detailliert die Informationen drin sein können, brachte ich einige relativ willkürlich aus meinem Bücherschrank gegriffene Bücher mit und ließ sie herumgehen. Interessant fanden die Schüler auch die Textmarker-Anstreichungen und Randbemerkungen darin. Ohne bestimmte Reihenfolge:
Ingeborg Weber, Der englische Schauerroman (Artemis Einführungen)
Claudia Wisniewski, Kleines Wörterbuch des Kostüms und der Mode
Kleines Wörterbuch der Architektur
Heinz Schlaffer, Die kurze Geschichte der deutschen Literatur
Jacques Brunschwig/Geoffrey Lloyd, Das Wissen der Griechen
Kurth Rothmann, Kleine Geschichte der deutschen Literatur
Günther Schweikle, Minnesang (Sammlung Metzler)
Peter Nusser, Der Kriminalroman (Sammlung Metzler)
Gerry Kennedy/Rob Churchill, Der Voynich-Code
Geoffrey Moorhouse, India Britannica
Pschyrembel Klinisches Wörterbuch
(Viele der Bände haben das Wort „klein“ im Titel; das liegt auch daran, dass ich die Bücher im Rucksack von zu Hause in die Schule schleppen musste.)
Schüler wissen oft nicht, dass es Fachliteratur jenseits des Konversationslexikons und von Biographien gibt. Die müssen wir ihnen vielleicht mehr zeigen. Braucht man natürlich eine gute Bibliothek dazu.
— Und wie ich Schüler kenne, bleibt von all dem nächstes Jahr nur hängen: „Herr Rau hat uns gesagt, dass wir kein Lexikon verwenden dürfen. Die stimmen nämlich alle nicht.“
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