Nachdem Herr Klinge von seinen Fernsehquiz-Erfahrungen berichtet hat, muss ich auch mit meinen herausrücken. Eigentlich kann ich gar nichts dafür, und ich habe auch nur eine kleine Rolle dabei gespielt. Es war das Jahr 2000. Mein Freund U. guckte diese Quizshows im Fernsehen, ein relativ neues Format, das gerade boomte, und er bewarb sich für eine Sendung, Risiko, glaube ich. Dort konnten sie ihn nicht gebrauchen, aber er blieb in der Kartei, und als SAT1 ein neues Format namens Das Millionenquiz herausbrachte, kriegte er eine Einladung dazu.
Das Problem: er musste – kurzfristig – einen Mitspieler mitbringen. Frau Rau sagte für mich zu, da ich selber gerade im Schüleraustausch unterwegs war. Also flogen U. und ich wenig später nach Amsterdam zur Aufzeichnung.
Das Millionenquiz war ein ungeschicktes Format. Es gab vier verschiedene Runden, in der ersten wurde aus zweimal 6 Kandidaten jeweils ein 1 Gewinner ermittelt, und diese beiden spielten dann mit ihren Partnern die Runden zwei und drei gegeneinander, und die vierte Runde spielte dann nur ein Sieger allein mit dem Mitspieler als Joker. Unnötig kompliziert für die Zuschauer. Gut war aber folgende Idee: Man fing, sagen wir, mit einer Million Euro an. Bei den üblichen Multiple-Choice-Fragen konnte man diese Summe auf die verschiedenen Antworten aufteilen: 400.000 auf A, 600.000 auf B, weil man sich da nicht richtig entscheiden kann, nichts auf C und D, weil man sich da sicher ist, dass die Antworten nicht stimmen. Weitergespielt wird dann mit 600.000 Euro, wenn Antwort B richtig war. Für Chancenausrechner eine schöne Sache.
Die Auswahlrunde am Anfang dagegen war weniger durchdacht. 6 Spieler versuchten, schneller als die anderen eine Frage zu beantworten. Wer als erster die Antwort hatte, konnte einen der übrigen Mitspieler aus dem Spiel herausschmeißen. Beim ersten Mal war das noch Glück, danach wählt man dafür natürlich den, der die vorhergehende Frage richtig beantwortet hat. Der hat dadurch schließlich demonstriert, dass er als möglicher Konkurrent ernst zu nehmen ist. Für Spieltheoretiker eine schöne Sache.
Während der Vorbereitung der Show saßen die Kandidaten alle stundenlang zusammen. Natürlich überprüft man da, welcher der anderen wie gut ist. Wenn sich da zwei finden, die sich beide für gut halten, gehen sie dann vielleicht ein Gentlemen’s Agreement ein: schmeißt du mich nicht raus, schmeiß ich dich auch nicht raus. So schützt man sich davor, eventuell von den anderen – vielleicht schwächeren – herausgeworfen zu werden. Die Moderatorin hat dann auch bei manchen Entscheidungen in der ersten Runde sichtlich gestutzt. (=> Gefangenendilemma.)
Was ist noch erwähnenswert? Keine gemusterten Hemden anziehen, das gibt unschöne Moiré-Effekte im Fernsehen. „Lassen Sie die Zuschauer an Ihren Überlegungen teilhaben“ – man soll also laut nachdenken und immer etwas reden dabei. „Was werden Sie mit Ihrem Gewinn anfangen?“ – da soll man sich etwas Interessantes überlegen, auch wenn’s gar nicht stimmt.
Jedenfalls gewann U. die erste Runde, wir spielten gemeinsam die Runden zwei und drei, lagen vor dem anderen Team, so dass U. in der letzten Runde mit einem nicht gewaltigen, aber ansehnlichen Sümmchen nach Hause gehen konnte. Ich beschränkte mich auf einen kleinen Anteil, weil ich kein Geld brauchte und ohnehin nicht viel zu tun gehabt hatte. Ich weiß zwar wirklich eine ganze Menge Sachen, aber leider auf ähnlichen Gebieten wie U. selber, der auch eine ganze Menge Sachen weiß.
Beweisfoto:
Nachspiel:
Das Geld gab es laut Vertrag erst nach und auch nur im Falle der Ausstrahlung. Die kam dann auch, und kurz nach ihr der Zuhörerprotest. Eine Antwort von U. war als falsch bezeichnet worden, so dass mit der kleineren Summe weitergespielt wurde, die er auf eine alternative Antwort gesetzt hatte. Nun war die ursprüngliche Antwort aber doch die korrekte, so dass er eigentlich mit einer höheren Summe weiterspielen hätte können. Anrufe von Pressesprechern und Boulevardzeitung folgten, vor allem bei U., nur wenige bei mir. Das Ergebnis: U. und ich flogen noch einmal nach Amsterdam, um den Schluss ab der beanstandeten Stelle mit neuen Fragen weiterzuspielen. Sicher zugesagt war uns nicht nur der ursprüngliche Gewinn, sondern der, den wir gekriegt hätten, wenn die Antwort als richtig akzeptiert worden wäre – aber wir hatten die Chance, noch mehr zu gewinnen. Es braucht aber nicht viel spieltheoretisches Interesse, um in der gegebenen Situation festzustellen, dass man besser alles auf eine Karte setzt, statt die Summe auf verschiedene Antworten zu splitten und dadurch zu verkleinern. Und so verloren wir in der zweiten Runde dann auch alles – und begnügten uns mit dem zugesagten Gewinn.
(Mein einziger anderer großer TV-Auftritt ist in einer Episode einer Schulfernsehen-Reihe, in der ich kurz erkläre, wie WWW-Adressen aufgebaut sind.)
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