Am Anfang des Jahrtausends gab es große Sorgen um Schüler und ihre Handys und was sie damit anstellten. Angeblich gab es epidemische Gewalt an Schulen, die mit dem Handy gefilmt und ins Internet gestellt wurde. (Oder waren es pornographische Bilder, die getauscht wurden?)
Vor diesem Hintergrund sah sich die bayerische Regierung an der Reihe, Handlungsfähigkeit zu zeigen, und erließ ein Gesetz.
BayEUG 56 (5)
1 Im Schulgebäude und auf dem Schulgelände sind Mobilfunktelefone und sonstige digitale Speichermedien, die nicht zu Unterrichtszwecken verwendet werden, auszuschalten. 2 Die unterrichtende oder die außerhalb des Unterrichts Aufsicht führende Lehrkraft kann Ausnahmen gestatten. 3 Bei Zuwiderhandlung kann ein Mobilfunktelefon oder ein sonstiges digitales Speichermedium vorübergehend einbehalten werden.
Die offizielle Begründung lautete, dass damit rechtliche Sicherheit für Lehrkräfte geschaffen werden sollte. Denn schon vorher durfte man Schülern Gegenstände, die geeignet waren, den Unterricht zu stören, oder mit denen der Unterricht gestört wurde, abnehmen, irgendwie jedenfalls. Aber galt das auch für Handys? Um das sicherzustellen, so hieß es, wurde dieses Gesetz ergänzt. In der spektakuläreren Presse und im unpräzisen Sprachgebrauch wurde daraus ein Handy-Verbot, kann man von mir aus ja sagen, solange klar ist, dass es nicht wirklich um ein solches geht.
Seit diesem Zeitpunkt dürfen unsere Schüler kein Handys mehr auf dem Schulgelände anschalten. Das wird auch einigermaßen konsequent eingehalten, da die Lehrer einigermaßen konsequent darauf achten.
Wie soll man das mit den Handys (und damit später auch mal ihren großen Brüdern, den Tablets) handhaben?
— Ich sehe drei Möglichkeiten: zum einen den Verzicht auf Handys an Schulen. Das ist der aktuelle Zustand. Man kann das störungsfreie Arbeiten als Vorteil sehen. Die NY Times brachte vor einiger Zeit einen Artikel über eine Waldorfschule im kalifornischen Silicon Valley, im Herzen der amerikanischen Computerindustrie, die ohne Computer und Handys auskommt – und das, obwohl drei Viertel der Eltern der Schüler aus der Hi-Tech-Welt kommen. (Waldorfschulen gibt es in allen Varianten, ich weiß nichts über diese konkrete Schule. Die Theorie und Philosophie der Antroposophie ist jedenfalls Unsinn, mit Atlantis und so.)
Es ist selbstverständlich, dass an staatlichen Schulen Lehrer und Schüler unterschiedliche Rechte und Pflichten haben. Deshalb habe ich gar kein Problem damit, dass Lehrer manche Dinge dürfen, die Schüler nicht dürfen. Trotzdem nehme ich beim Betreten des Schulgeländes immer meine Kopfhörer aus dem Ohr. Solange es keinen wichtigen Grund gibt für Lehrer, privat ihren MP3-Player oder ihr Handy vor Schülern zu nutzen, sollten sie darauf verzichten.
Wenn man das so möchte, muss man das auch durchsetzen. Da hilft es nichts, einen Schüler zu ermahnen und ihn zu bitten, das Handy wegzustecken. Wenn man sich nach und nach von jedem der hundert Lehrer an einer Schule ermahnen lässt, hält man das eine ganze Weile durch. Ein Vorschlag: Handy abnehmen, Besitzer notieren, an einer zentralen Stelle abgeben und abholen lassen. So kann die Schule mitzählen, wie oft bestimmte Schüler sich an die Regeln nicht halten.
— Die zweite Möglichkeit: Handys ganz freigeben, jedenfalls außerhalb des Unterrichts. Wer in der Pause lieber bei Facebook ist oder Musik hört, soll das tun. Das BayEUG erlaubt das nur sehr vielleicht. Die Aufsicht führende Lehrkraft darf das erlauben, könnte man daraus die Möglichkeit einer pauschalen Erlaubnis ableiten?
Ich will allerdings nicht, dass die Schüler vormittags bei Facebook posten oder sich von ihren Mitschülern abstöpseln. Das begründe ich hier nicht ausführlich, sondern mal extra oder auf Nachfrage.
Trotzdem: Man könnte mit der SMV verhandeln. Die sorgt dafür, dass das Schulgebäude einigermaßen sauber bleibt (wir reden nicht von Putzen, sondern davon, Müll nicht auf den Boden zu werfen), dafür gibt es Vergünstigungen – etwa die Erlaubnis, in der Mittagspause im Aufenthaltsraum oder von mir aus überall Handys und Laptops privat zu nutzen.
— Drittens: Man könnte Handys, Notebooks, digitale Speichermedien mehr im Unterricht nutzen, denn im Unterricht genutzt werden dürfen sie ja. Braucht es dazu die explizite Erlaubnis der Lehrkraft? Oder könnte ein Schüler einfach sein Handy zücken, um in Wikipedia nachzuschlagen, solange das etwas mit dem Unterricht zu tun hat und nicht stört?
Edushift beschreibt in einem Blogeintrag eine Situation aus dem Unterricht, wie Schüler ihr Notebook ganz alltäglich und sinnvoll im Unterricht nutzen. Und das könnte man sich mit dem Handy ganz ähnlich vorstellen.
Allerdings müssten die Schüler das auch wollen und man müsste das als Lehrkraft verlangen können. Entweder die Schule stellt die Geräte oder jeder Schüler bringt sein eigenes Gerät mit – in ein paar Jahren ist das vielleicht sogar machbar.
Andernfalls ist das ein tolles Werkzeug, das manche Schüler nutzen wollen und andere nicht, und das manche nutzen können und andere nicht, und auf das sich der Lehrer nicht verlassen darf. Aber vielleicht reicht das?
Dass man nicht groß kontrollieren kann, was ein Schüler mit dem Handy im Unterricht macht, ist dabei, wenn eines nicht wäre, kein großes Problem. Wenn der Schüler im Heft kritzelt, weiß ich ja auch nicht, was er da kritzelt. Das große Problem ist nur: der Schüler sollte möglichst nicht per Mikrofon das Klassenzimmergeschehen nach draußen senden…
Ich würde das Handy jedenfalls öfter im Unterricht nutzen, wenn ich wüsste, wozu.
Weil der Kollege S. gefragt hat, wie das an meiner Schule gehandhabt wird, habe ich hier meine Gedanken zusammengetragen, in der Hoffnung auf Ergänzungen, wie das anderswo geregelt wird. Die Verwendung des Wortes „Leitmedienwechsel“ ist dabei optional.
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