Wenn es in der Schule um das Jahrhundert der Aufklärung geht, geht es auch auf Änderungen im Leseverhalten und den Erfolg des Romans. Dazu gibt es einen schönen Lesesucht-Eintrag in Wikipedia, aus dem sich dieser Welt-Artikel bedient, um auf Parallelen zwischen Kritik am Aufkommen des Roman und am Aufkommen heutiger neuer Technologien hinzuweisen.
Ungesund ist das übertriebene Lesen, gerade für Frauen:
[Die] erzwungene Lage und der Mangel aller körperlichen Bewegung beym Lesen, in Verbindung mit der so gewaltsamen Abwechslung von Vorstellungen und Empfindungen […] Schlaffheit, Verschleimung, Blähungen und Verstopfung in den Eingeweiden, mit einem Worte Hypochondrie, die bekanntermaaßen bey beyden, namentlich bey dem weiblichen Geschlecht, recht eigentlich auf die Geschlechtstheile wirkt, [erzeugt] Stockungen und Verderbnis im Bluthe, reitzende Schärfen und Abspannung im Nervensysteme, Siechheit und Weichlichkeit im ganzen Körper.
Karl G. Bauer, Über die Mittel dem Geschlechtstrieb eine unschädliche Richtung zu geben (1787)
Und kulturell verwerflich auch:
Ein Buch lesen, um bloß die Zeit zu tödten, ist Hochverrath an der Menschheit, weil man ein Mittel erniedrigt, das zur Erreichung höherer Zwecke bestimmt ist.
Zur Stellung des Romans biete ich dann folgende Zeilen an:
Der Rat
Uns frieret, und das Holz auch in unserm Hain,
So klagten die Musen, wird teuer.
Heizt, sprach Apoll, mit deutschen Romanen ein,
So habt ihr ein ewiges Feuer.Gottlieb Konrad Pfeffel, 1794
Noch heute hat das Wort „Roman“ auch diese negative Konnotationen, nämlich in: „Erzähl keine Romane“, Der Bravo-Fotoroman, Der abgeschlossene Kurzroman (in Magazinen), und eben auch als Heftroman. So richtig überrascht hat es mich nicht, aber meine Zehntklässlern kannten das Konzept Heftroman nicht.
Ich habe noch als Lehrer mit Schulbüchern gearbeitet, in den Ausschnitte aus einem Jerry-Cotton-Heftroman einem Krimi von Friedrich Dürrenmatt gegenübergestellt werden. Und im Ordner habe ich eine Schulaufgabe von 1990 mit „Kommissar X: Die Engel der Hölle“ als Thema. („Was weißt du über das Personal dieser Romane? Wie lässt sich diese Gruppierung begründen? Was weißt du über das Lesepublikum — Geschlecht, Schicht, Art der Arbeit? Wie erklärst du die Vorliebe dieser Schicht für diese Art von Romanen?)
Am Montag habe ich den Schülern eine Auswahl von Heftromanen mitgebracht. Habe ja welche zu Hause:
Am interessantesten fanden die Schüler die Anzeigen darin – für Karate, Quasi-Laserpointer (ohne Laser), Medizin gegen Erröten und Bettnässen, Reiseschreibmaschinen und Kontaktbörsen. Fremde Welten.
Am Freitag dann wie letztes Jahr das Probestudium Informatik an der LMU, eine Veranstaltung für Schüler. Etwa hundert Schüler, drei Vorlesungen für sie und einer von vier Workshops. An einem bin ich auch beteiligt, damit bin ich auch Montag bis Mittwoch noch beschäftigt.

Bild von unserem Workshop, im jahreszeitlich angemessen benannten Computerraum „Antarktis“, in dem ich mir stets so angenehm exotisch vorkomme, als wäre ich bei John Carpenters The Thing dabei. (Oder bei John W. Campbell Jr., oder in Lovecrafts Mountains of Madness.)

Schreibe einen Kommentar