Gestern war ich im Stadion, Augsburg gegen Eintracht Frankfurt. Und das kam so:
Eine meiner Augsburger Freundinnen ist seit Jahren und für mich doch immer noch überraschend Fußballfan, so richtig mit Dauerkarte. Irgendwer machte dann bei einem der letzten Treffen den Vorschlag, dass wir uns alle ein Spiel der Augsburger ansehen könnten. Vor über 35 Jahren habe ich mein letztes Spiel live gesehen, zu meiner, ahem, Zeit als aktiver Spieler. Fußball interessiert mich genauso wenig wie andere Mannschaftssportarten. Aber seit Augsburg in der Bundesliga ist (jetzt drei volle Jahre), verfolge ich zumindest die Ergebnisse des Vereins meiner Heimatstadt.
Vorher hatte ich die Stadionordnung gelesen, um zu sehen, was ich alles mitnehmen darf. Ohne Tablet und vor allem ohne Buch bin ich sonst eigentlich nie unterwegs, aber beides kann man ja eigentlich auch als Wurfgeschosse vewenden. Oder wie ist das? Jedenfalls habe ich alles außerhalb deponieren können, und war dann so ganz ohne Buch unterwegs. Ungewohnt.
Also: Gelangweilt habe ich mich nicht. Wurst gegessen, Bier getrunken. Das Spielfeld sieht kleiner aus als im Fernsehen – gilt für Bundestag und Showbühne auch, wird also wohl bei allem so sein. Man sieht überall sehr gut hin, aber ob irgendwas, das am anderen Ende des Spielfeldes passiert, ein Foul ist oder nicht, das kann ich nicht erkennen.
Es gibt diverse „Blöcke“. In einem sitzen die Gäste, ein anderer ist der „Familienblock“, damit man davon ausgehen kann, dass es da besonders gesittet zugeht. Und dann gibt es den Block, wo die lauten Fans stehen und springen und singen und allerlei Geräusch machen. (Andere Leute wissen das alles wohl schon.) Ich saß brav gesittet in einer ruhigen Ecke nahe einem Tor. Immer wieder mal musste man aufstehen und sich dann wieder hinsetzen, je nachdem, was gerade gesungen oder im Mikrofon gesagt wurde. Wie beim Gottesdienst, wenn man sich nicht auskennt und auf die anderen schauen muss.
Schön ist, dass nach einem Tor der Augsburger die Torhymne im Stadion gespielt wird. (Apropos, muss man für Fangesänge eigentlich Gebühren an die GEMA zahlen?) Denn die ist „Eine Insel mit zwei Bergen“ aus der Version von Jim Knopf der Augsburger Puppenkiste. Und das hört man immer gern. Überhaupt ist Augsburg ein sympathischer, kleiner Underdogverein, der sich gut schlägt.
Wir haben dann auch verdient gewonnen. Im Stadion ging es übrigens sehr zivisiliert zu, kein Gedränge, kein unangenehmes Geschrei. Und zuschauen macht schon einen gewissen Spaß.
Überrascht hat mich die Jahrmarktsatmosphäre, die der Ansager verbreitet hat. Klang wie beim Autoscooter.
Nach dem Verhalten im Stadion ist mir klar, warum auch bei Klassensprecherwahlen die (männlichen) Schüler gerne mal für ihre Favoriten jubeln und die anderen ausbuhen – Hauptsache, es wird irgendein Lärm gemacht, Hauptsache, man hat ein Lager.
In der Parallelwelt von Jasper Fforde nimmt Literatur einen ähnlichen Platz in der Populärkultur ein wie bei uns Sport. Das wäre mir auch recht. Dramatisch schildert das die Kurzgeschichte „Endspiel im Prosastadion“ („Prose Bowl“) von Bill Pronzini und Barry N. Malzberg. Dort tritt der junge Herausforderer Rex Sackett gegen den Veteranen Leon Culp an, Schreibmaschine gegen Schreibmaschine, vor Zehntausenden von Zuschauern. Nationalhymne, Anspiel, 5 Sekunden Zeit für die Wahl zwischen „A) Futuristisches Liebesabenteuer“ und „B) Krimi Mitte zwanzigstes Jahrhundert“. Beide schreiben in den Halbzeiten um die Wette, Schiedsrichter pfeifen bei „Personenverwechslung“ oder „Ausdrucksweise unannehmbar“.
Im Referendariat hieß es, dass Fußballkenntnisse für die Schule sehr nützlich sind, wegen Bonding mit den Schülern und so. Stimmt wohl, es geht aber auch ohne, und man muss den jungen Leuten schließlich auch Gegenentwürfe aufzeigen.
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