Einen mir bekannten Sportlehrer habe ich gefragt, wie denn der Sportunterricht, oder die Sportlehrer, oder zumindest er, zu singenden und Bier trinkenden Fußballsfans im Zug stehen. Die Kurzfassung: Gehört halt dazu. Und Bier trinken in Zügen sei („inzwischen“) ja ohnehin verboten, also sei das kein Problem mehr.
Ich habe das Gefühl, er hat es sich da zu einfach gemacht. Wenn er gesagt hätte, dass es eh keine Rolle spielt, was Lehrer machen, und dass sich die Gesellschaft nicht durch Schule ändern lässt – einverstanden, sehe ich genauso. Aber trotzdem sollten Sportlehrer klar machen, dass man sich so nicht verhält, auch nicht als Fußballfan. Sah der Kollege anders. Geselligkeit gehöre nun mal zum Sport, und dass Geselligkeit mit Bier verbunden ist, ist ein Phänomen unserer Gesellschaft und hat nichts mit Sport zu tun.
Das hat mich unbefriedigt gelassen. Also habe ich mir mal den Lehrplan Sport angeschaut, ob da etwas dazu drinsteht, wie man sich als Fan verhält. Tut es nicht. Aber sonst ist Sport für so ziemlich alles zuständig: Studierfähigkeit, Entwicklung eines Werteverständnisses, den verantwortungsvollen Umgang mit Natur und Umwelt (Integration von sportlichen Aktivitäten in eine umweltorientierte Lebensgestaltung). Wie man „die eigenen Interessen unter Beachtung konkurrierender Ansprüche [durchsetzt]“, wie man „fragwürdige Trends und Sportkonzepte [durchschaut]“. Zentral und auch tatsächlich wichtig scheinen mir Begriffe Fairness und Spielregeln zu sein.
Die Schüler erkennen, inwieweit die Strukturen der gewählten Sportarten faires und partnerschaftliches Handeln fördern, erschweren oder sogar unterbinden können. Gleichzeitig erfahren sie auch, wie Regeln und Interaktionsformen geändert werden können, um einen die Gemeinschaft fördernden und Freude bereitenden Sport zu gewährleisten. Dabei erkennen sie, inwieweit sportliche Handlungsmuster zwischenmenschliche Umgangsformen positiv oder negativ beeinflussen können. Durch Anerkennen und Einhalten von Regeln, partnerschaftlichen Umgang mit dem sportlichen Gegner, faires Verhalten bei Sieg und Niederlage entwickeln die Schüler wichtige Kompetenzen weiter, die es ihnen ermöglichen, bei außerschulischen Situationen in Familie, Freizeit und Beruf mutig und fair Position zu beziehen.
Gerade im Sportunterricht könnten Schüler lernen, dass Regeln auch dann gelten, wenn niemand hinschaut; dass ein Regelverstoß auch dann einer ist, wenn der Schiedsrichter ihn nicht gesehen hat. In der Praxis ist das aber wohl anders.
Eines stört mich an den Regeln: wenn ich das richtig verstanden habe, ist innerhalb der Regeln alles erlaubt, notfalls muss man die Regeln ändern und das Verhalten den neuen Regeln anpassen. Ich möchte aber eine Gesellschaft, in der es erlaubte Dinge gibt, die man trotzdem nicht tut. Die Inhalte finde ich trotzdem lobenswert. In der Praxis glaube ich nicht, dass da viel gelernt wird. Aber in anderen Fächern ist der Lehrplan ja auch nur aus Papier.*
*Stimmt schon seit zehn Jahren nicht mehr – nur noch digital, also noch flüchtiger.
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