Aus einem Anlass heraus habe ich letzte Woche meien Studierenden – keine repräsentative Auswahl, und auch nur 15 Leute oder so – gefragt, was man den an ihrem Studiengang, Lehramt Informatik, verbessern könnte. Neben einigen anderen Punkten wünschten sich viele vor allem mehr Praxisorientierung: Besser organisierte Praktika, mehr Praxisbezug in den Veranstaltungen, bei der Leistungsbewertung mehr Gewichtung von Kompetenzen, die später in der Praxis nützlich sind. Es hat diesmal keiner direkt gesagt “Warum müssen wir etwas lernen, das wir in der Schule dann nicht brauchen,” aber das hing schon ein bisschen in der Luft.
Legitime Wünsche. Mir ging es als Student allerdings ganz anders. Ich wollte die Fachwissenschaft studieren, keine Ausbildung als Lehrer erhalten, sondern Anglistik und Germanistik, und das so vollwertig wie möglich. Danach sollte die zweite Phase der Ausbildung kommen, das Referendariat, und da würde genug Zeit für die Praxis sein.
Dementsprechend habe ich, ehrlich gesagt, das erziehungswissenschaftliche Studium (Psychologie, Pädagogik) nicht sehr ernst genommen, und die Didaktik-Veranstaltungen auch nur so mittel. Will heißen: Ich habe etliche fachwissenschaftliche Übungen und Seminare freiwillig besucht, ohne einen Schein zu brauchen oder zu kriegen, aber in Didaktik und EWS nur die Pflicht gemacht. Und das hat mir auch völlig gereicht.
Meine Unterlagen zu diesen Fächern sind fort. Schade, aber ich habe halt nicht genug Platz für alles, ist schon in Ordnung. An was ich mich noch erinnere:
Pädagogik: Nichts. Vielleicht habe ich das erworbene Wissen verinnerlicht, vielleicht hat es auch nichts Bleibendes hinterlassen: Ich weiß es nicht. Oder doch: War das das mit der Erfolgs- und Misserfolgsattribuierung? Das war nützlich.
Psychologie: Die erste Vorlesung fing damit an zu erklären, was Psychologie ist, und dass die nichts mit Freud zu tun hat. Lernpsychologie war interessant, und da ist auch viel da. Entwicklungspsychologie war auch interessant; das kam im Referendariat aber noch einmal dran. Verschiedene Theorien zu Entiwcklungsstufen waren interessant, und dass das mit der Schule oder dem Berufseintritt noch lange nicht abgeschlossen ist. Und Piaget wurde uns um die Ohren geschlagen, oder war das Pädagogik? Mit Piaget bin ich nie warm geworden, dessen Behauptungen, so wie sie bei mir ankamen, halte und hielt ich für nicht ausreichend begründet. Seine berühmten Invarianzen haben möglicherweise als Phasen der sprachlichen Entwicklung ihre Berechtigung, aber nicht als konzeptionelle Stufen.
Didaktik Deutsch: Ein Seminar zu Aufsatzkorrektur. Wie man das macht, warum ein – allerdings viel zu detaillierter – Kriterienkatalog sinnvoll ist, und dass letztlich alles auf den vorhergehenden Unterricht ankommt. Ohne dne zu kennen kann man auch keinen Aufsatz bewerten.
Und dann gab es eine Vorlesung zu kreativem Schreiben. Die habe ich als nett in Erinnerungen, aber nachdem es Jahre dauern würde, bis ich die einsetzen konnte, habe ich mir nicht viel gemerkt.
Und restringierter und elaborierter Code, war das auch Fachdidaktik Deutsch?
Didaktik Englisch: Da kann ich mich vor allem an die Geschichte der Schule in Deutschland erinnern, frühe Neuzeit, Bismarck, Aufstieg und Fall verschiedener Schularten – Realgymnasium und Oberrealschule – und die Reformpädagogik. Dazu dann noch die Geschichte des Fremdsprachenunterrichts. Das war alles auch nicht unmittelbar praxisnah, aber für mich lohnenswert, weil es mir einen Überblick gegeben hat über das, was alles schon versucht worden ist und wie es ausgegangen ist. Wenn Geschichte und Literaturgeschichte wichtig sind, dann auch die Geschichte der Fachdidaktik und des Schulwesens, und sei es nur, um das Kompetenzgedöns richtig einordnen zu können. Das steht auch heute noch in der Lehramtsprüfungsordnung bei den Inhalten des fachdidaktischen Studiums, wird aber in Informatik wenig gemacht – gut, da ist die Geschichte nicht so alt, aber wichtige Phasen gibt es schon. Die Schulinformatik, die die heutigen Entscheidungsträger früher vielleicht erlebt haben, ist eine ganz andere als die Schulinformatik heute.
Und in Fachdidaktik Englisch wurde mir auch der Unterschied zwischen Didaktik und Methodik beigebracht, auf eine Weise, die ich in einem modernen Didaktikbuch als zu vereinfachend bezeichnet gesehen habe. Und doch: Methodik ist die Frage, wie man etwas beibringt, Didaktik darüber hinaus die Frage, was man beibringt und warum. (Ich weiß schon, ich weiß schon. Man kann nichts beibringen, nichts lehren, sondern nur unterstützen beim Lernen. Und Weiß ist keine Farbe, Wale sind keine Fische, Spinnen keine Insekten.) An dieser Seite der Didaktik sind nicht alle Kollegen interessiert.
Im Referendariat hatte ich dann einen sehr guten und einen brauchbaren Seminarlehrer, und auch der Crashkurs Pädagogik-Psychologie-Schulrecht-Staatskunde war in Ordnung, vielleicht eher wegen des Materials der Lehrerakademie Dillingen dazu als wegen der Dozenten. Wegen mir brauchte es keine weitere Verschränkung zwischen erster Phase der Lehrerbildung (fachwissenschaftlich, an der Uni) und der zweiten (Referendariat). In England ist es traditionell auch so, dass man erst regulär eine Fachwissenschaft studiert, und danach noch eine Lehrerausbildung draufsetzt. In anderen Bundesländern gibt es Pädagogische Hochschulen, an denen die Lehramtsstudenten unter sich bleiben und keinen Kontakt zu Diplon-Bachelor-Magister-Studierenden haben. Das wäre für mich gar nichts gewesen. Immerhin hat man so wenigstens noch eine letzte Chance, Leute kennenzulernen, die keine Lehrer sind, Frau Rau etwa.
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