Heute sollte ich einen Gast in München herumführen, D., männlich, aus den USA, vielleicht gut fünfzehn Jahre älter als ich. Das habe ich natürlich gerne gemacht, und zwar das volle Programm:
Zuerst gingen wir durchs Sendlinger Tor und in die Asamkirche. Die ist (Spät-)Barock und vor allem sehr bunt innen. Dann zum Marienplatz, pünktlich zum täglichen Glockenspiel. Kurz dessen Geschichte recherchiert und weitergegeben. Weiter zur Feldherrnhalle (am Platz eines der weiteren alten Stadttore), in den Norden auf Siegestor und Königsplatz hingewiesen. Kurz in die Theatinerkirche. Die ist auch Barock, aber eher weiß und gold, wie man das so kennt. Ursprünglich war sie sicher auch so bunt wie alle Barockkirchen, aber heute, nach viel Wiederaufbau und vielleicht auch mit anderem Zeitgeschmack, lässt man sie vie viele Barockkirchen weiß.
Danach gingen wir in die Residenz. „Kurfürst“ heißt auf Englisch „Elector“, das wusste ich mal, hatte ich aber vergessen. „Kur-“ gehört zu ahd. chiosan, „wählen, ernennen“, wenn ich mich recht erinnere, und steckt noch in „Kür“ und „auserkoren“ drin, und natürlich im englischen choose. Die Residenz ist groß und man läuft sehr viel herum. Die Galerie der Familienportraits gefällt mir am besten.
Danach, früher Nachmittag, zum Sedlmayr, Einkehren in Traditionsgaststätte. Schweinebraten für ihn, für mich die Kalbszunge – weil die Bäckchen zwar auf der Karte standen, aber erst wieder im Herbst zu haben sein würden. Nu, meine Zunge ist besser, aber ich nehme auch gepökelte. Aber war schon okay. Nächstes Mal vielleicht doch mal die sauren Nierchen?
Zum Abschluss Viktualienmarkt, dann via Sendlinger Tor und Karlstor zum Hauptbahnhof.
D.: Den kennt meine Familie seit 1977. Er ließ sich als junger Soldat nach Deutschland versetzen, erst für ein Jahr, dann für ein weiteres, und ging danach zurück nach New Mexico. In Augsburg gab es viele amerikanische Soldaten, und damit viel amerikanische Comics auf den Flohmärkten, schon früh Pizzerias und – viel später – einen Kentucky Fried Chicken. Und es gab das sagenumwobene PX („pi äx“), post exchange – so hießen die Läden auf den US-Stützpunkten, wo Truppenangehörige, aber eben nur die, amerikanische Waren einkaufen konnten. Comics! Hershey bars! Golden Grahams! Butterfingers! Live Savers! Erdnussbutter nicht, die gab’s ja bei uns auch im Supermarkt; „Skippy“ hieß die früheste Sorte, an die ich mich erinnern kann, so wie das Buschkänguru aus der gleichnamigen Fernsehserie. (Flipper an Land, sozusagen.)
Damit die G.I.s Anbindung an Familien fanden, gab es es ein Programm, bei dem Augsburger Familien amerikanische Soldaten über Weihnachten aufnehmen konnten. Und das tat meine Familie, mehrere Jahre hintereinander. D. war der erste davon. Ich kann mich noch sehr gut erinnern. Wir hielten zwei Jahre in Deutschland Kontakt und auch danach immer wieder, besuchten ihn 1979 in New Mexico. Dort: Eine freilaufende Tarantel gesehen, Klapperschlangenklappern gefunden, in den Carlsbad Caverns und den White Sands gewesen:

Im Fernsehen eine Episode Spider-Man gesehen – genau, das mit dem Titelsong. Bei einem Prachtessen Süßkartoffelauflauf vorgesetzt bekommen und nicht gemocht. Elfeinhalb Jahre war ich bei all dem, und dazu kamen dann noch New York und Florida, mit Raketen und Alligatoren. My parents were awesome.
Meine Eltern und D. hielten die ganze Zeit über weiter Kontakt, tauschten Weihnachtskarten aus, D.s Tochter verbrachte mal ein paar Wochen bei uns – und jetzt war D. eben wieder einmal in Augsburg.
Schreibe einen Kommentar