(Tatsächlich, das schreibt man wohl mit „i“. Nun gut, ich beuge mich, bin aber nicht einverstanden.)
Wie geschieht Schulentwicklung? Wie werden Änderungen eingeführt? Formal geschieht das wohl nur auf zwei Wegen, nämlich eine Entscheidung der Schulleitung oder der Gesamtkonferenz, aber wie man auf diese Wege gerät, da gibt es sicher eine Menge informelle Lösungen.
Da ist einmal das Antichambrieren: Man hängt im Vorzimmer der Mächtigen herum und wartet auf eine Gelegenheit, den Wunsch vorzubringen, und wenn die Mächtigen sich nicht genug auskennen, gilt dann immer der Vorschlag von denjenigen, die als letztes Audienz hatten. Das klingt jetzt sehr negativ, aber wenn es der eigene Vorschlag war, würde man sagen: Man ist Experte für etwas und berät die Entscheidungsträger, die den Ratschlag dann annehmen oder nicht.
Oder die Lobbyarbeit, ähnlich verrufen: Hier stammt das Bild von der Vorhalle eines Parlamentsgebäudes, in der man als Mensch mit Zugang und berechtigtem Interesse herumhängt, um sich einen Entscheider zu krallen – englisch to buttonhole, den Zeigefinger ins Knopfloch des Gegenübers krümmen und nicht mehr loslassen, bis man zu Ende geredet hat; vergleiche auch das deutsche Schlafittchen, an dem man jemand packt, „recht alte Bezeichnung für Hemd- oder Jackenkragen bzw. Rock- oder Ärmelzipfel.“ Auch hier kann man das positiver formulieren: Man ist Experte mit berechtigtem Anliegen und berät, mitunter auch ungefragt, die Entscheidenden.
Und das geht wohl auch nicht ohne Lobbyarbeit. Einen schlechten Ruf hat das Wort, zurecht, weil halt nicht jeder so leichten Zugang haben kann und weil, vor allem, die Entscheidenden zu oft einfach so glauben, dass das stimmt, was man von Lobbyistinnen erzählt kriegt.
In der Politik geschieht das Antichambrieren und die Lobbyarbeit sicher schon oft digital. Selbst bei zweifelhaften Maskendeals in der Politik läuft das ja über Messengerdienste oder SMS. „Dickes Bussi“ schreibt Andrea Tandler an meine ehemalige Kultusministerin, die prompt dem „lieben Jens“, amtierenden Gesundheitsminister den Wunsch weiterleitet. (Schlimm übrigens, dass sich selbst da das „Liebe Grüße“ oder „Lg“ am Ende der Nachricht durchgesetzt hat.)
In der Schule… kriege ich vielleicht zu wenig davon mit. Vieles läuft über Arbeitsgruppen, die sich treffen und Dinge besprechen. Aber das ist nicht die Hauptaufgabe als Lehrkraft: Man muss Unterricht vorbereiten, Unterricht halten, Prüfungen korrigieren und, wenn man dieses eine Fach hat, Übungsaufsätze korrigieren. Da bleibt wenig Zeit für anderes. Und so geschieht es mitunter, dass zwischen zwei Arbeitsgruppentreffen nur ein wenig Lobbyarbeit betrieben wird, von Angesicht zu Angesicht, Stimmungen einholen, Mehrheiten schaffen. Richtig gearbeitet wird dann wieder im nächsten Treffen.
Mir kommt das nicht sehr effizient vor. Zum einen kann man sich natürlich Hausaufgaben geben: Wer macht was bis zum nächsten Mal. Das geschieht ja auch, ein bisschen. Zum anderen könnte man doch… auch zwischen den Treffen in der Gruppe arbeiten? Ohne einander in der Schule am Knopfloch zu packen, für Lehrkräfte in Teilzeit besser erreichbar, asynchron? Man könnte mit einem Forum arbeiten, mit einer E-Mail-Liste, mit schnöden E-Mails, mit einem gemeinsam zu bearbeitenden Online-Dokument. Aber da wird noch sehr zaghaft digital gearbeitet.
Bei Twitter habe ich gefragt, warum das so is. Eine Antwort war: „Schriftlich extrem zeitaufwändig verglichen mit Treffen… soviel Zeit hab ich in dem Job nicht“, eine andere: „Meine These ist, dass erstens viele nicht schnell tippen können, zweitens manche zurückschrecken vor einer Verschriftlichung, die dann so erst mal stehen bleibt (Angst vor Blamage, Angst, Stellung zu beziehen, solche Sachen).“ Klingt nicht unwahrscheinlich. Eine andere Schule berichtete, bei ihnen liefe das ganz gut. Aber es stimmt wohl schon: Wenn nicht alle das digitale Werkzeug nutzen können, oder auch nur gleich wenig Angst vor Schreibfehlern haben, dann ist diese schöne Werkzeug genauso undemokratisch wie der exklusive Zugang zum Vorzimmer.
Was übrigens gegen jegliche Art von Arbeit in Arbeitsgruppen spricht: Mitunter arbeitet man für die Katz. – Es gibt übrigens wenig aktuellen Anlass zu diesen Gedanken, ich hoffe, ich klinge nicht bitter. Ich fühle mich selten bitter, im Moment sogar eher gar nicht. Selbst die Aussicht auf Wintermonate mit Unterricht mit Thermoskannen und warmen Decken erfüllt mich eher mit Galgenhumor, zumal ich letztes Jahr leider kein Foto davon gemacht habe. Dabei war das so schöne Lagerfeueratmosphäre, aber vermutlich auch nur in dieser Jahrgangsstufe – zehnte Klasse, noch nicht abiturzerfurcht, aber alt genug, sich das Klassenzimmer zu eigen zu machen.
Es ist wohl eher so, dass ich gerne zwischendurch arbeite, aber klar, das mögen nicht alle. Oder jedenfalls nicht ohne analoges Knopfloch.
(Ja, es ging gar nicht wirklich um digitales Antichambrieren. Ich wollte nur das Wort verwenden, das Konzept fände ich ganz schlimm: Lieber mehr offene Diskussionen als verdeckte E-Mails. )
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