Die letzten Schul-Tage (2022)

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Wandertag im Zoo: Kam dann doch gut an, wie immer, trotz Regen. Viele der Kinder waren noch nie oder schon lange nicht mehr dort gewesen. Die Fledermäuse sind fort, die Wölfe wurden vom Personal genau beobachtet (auf Nachfrage: der erste Tag ganz neuer Wölfe), und schön aktiv die von mir sehr geschätzten Röhrenaale:

Danach Projekttage an der Schule, Motto „Schule als Staat“. Das hatten wir schon mal, das gab es anderswo auch schon größer, dieses Jahr war aus allgemeinem Stress nur wenig davon: „Die Schüler*innen sollen einen Einblick in den wirtschaftlichen Ablauf eines echten Staates bekommen.“ Es gibt eine eigene Währung (mit Umtausch am Anfang), Geschäfte und Gehälter, einen Beamtenapparat für Polizei und Gericht. Keine Legislatur, das wäre das eigentlich Interessante gewesen, aber für zwei Tage lohnt sich das kaum – jedenfalls nicht am Ende eines solchen Schuljahrs.

Ohne Regierung kann man den Staat natürlich auch nicht stürzen, nur den einen oder anderen Bildschirm kapern:

Aber auch als Wirtschaftssimulation finde ich das Projekt bedenklich. Ressourcen sind einfach da, Strom kommt aus der Steckdose. Man könnte von den Klassen-Betrieben je nach Stromverbrauch ja auch unterschiedlich viel Steuer verlangen. Müll-Entsorgung geschieht auch automatisch, besser wäre: jeder Betrieb zahlt pro Norm-Müllsack. Gar nicht eingepreist sind Erbschaften bzw. andere Ressourcen außerhalb des Systems: Eltern backen Kuchen, der verkauft wird; Eltern transportieren mit dem Auto Limokästen. Produziert wird quasi global, nämlich im Supermarkt oder Discounter, wo man Produkte ersteht und dann weiterverkauft. Wie die Produkte in dieser Kette ursprünglich entstanden sind, das will niemand wissen.

Aber es ist das Ende eines langen und anstrengenden Schuljahrs, da darf man nicht viel erwarten. Herr Mess hat die Erschöpfung beschrieben. Das Schuljahr war wesentlich anstrengender als die anderthalb Pandemiejahre zuvor: Man hat so getan, als wäre jetzt alles wieder wie vorher, aber das war es nicht. Wesentlich anstrengender, Gründe wohl offensichtlich.

Ich flüchte mich jetzt in mein Sabbatjahr; diese Aussicht hat mir vielleicht geholfen, relativ kraftvoll zu bleiben. Aber das kann es ja auch nicht sein, dass ich freiwillig auf Geld verzichte (Sabbatjahr ist Teilzeit im Blockmodell), um Energie für die Arbeit zu tanken. Aber vermutlich reichen da schon die Sommerferien.

Nachgetragene Notizen: Nicht Kuchenverkaufprojekttage als Vorbild/Ausgangspunkt nehmen, sondern Brettspiel/Börsensimulation. Mit App dazu? Stündliche unvorhergesehene Einflüsse, Inflation, schwankende Wechselkurse, asymmetrische Ausgangssituationen? Ein Parlament obendrein. Keine Polizei, weil die im Spiel Verbrechen erfordert oder produziert. Die eigentliche Beschäftigung müsste aber wohl weiter Kuchenverkauf sein, weil nicht alle Börsenhandeln wollen.

Vielleicht ist bei nur 800 Schülern und Schülern „Schule als Staat“ nicht das richtige Modell? „Schule als bronzezeitliche Gemeinschaft“. Man könnte damit anfangen, dass das Konzept „Geld“ noch nicht eingeführt ist und man zu Tauschhandel oder zu Edelmetall ausweichen muss.


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7 Antworten zu „Die letzten Schul-Tage (2022)“

  1. An meiner alten Schule wurde vor ein paar Jahren das Projekt „Räterepublik“ durchgeführt, eine ganze Woche lang. Die SchülerInnen bestimmten den Lauf der Schule, legten die Projekte fest, mussten sich um die Finanzierung kümmern, stellten Anträge an die Stadt und den Bezirksausschuss usw.
    Es war ein voller Erfolg. Natürlich standen Schulleitung und Lehrkräfte im Hintergrund mit Rat bereit.

  2. Alles Gute für das sabbatical!

    Ich habe das 2020 gemacht – durch Corona war es sehr anders als gedacht, vieles was ich mir vorgenommen hatte (einmal in jedes Museum in Berlin etc) habe ich bis heute nicht gemacht, aber ich habe es keinen Tag bereut.

    Liebe Grüße
    Poupou

  3. Elisabeth

    Das Projekt habe ich in meinem allerersten Jahr auch mal betreut, es lief bei uns eine halbe Woche. Die (berechtigte) Kritik an Müll & Discounterqualität war damals dieselbe.

    Die Legislative fand im Vorfeld der tatsächlichen Projekttage statt.
    Da als „zahlende Staatsgäste“ auch Eltern zu Besuch kommen durften, hat ein konservativer Vater dann tatsächlich Klage eingereicht: gesetzlich erlaubt war in unserem Kleinststaat nämlich auch die polygame Ehe, das fand er moralisch verwerflich. Die Gerichtsverhandlung fand dann auch statt, er wurde meisterhaft von einem ehemaligen Schüler widerlegt, der mittlerweile tatsächlich Jura studiert hat.

    Eine schöne Zeit war das, mit den angeregten Verbesserungen würde ich das Projekt gern nochmal durchführen. Aber es hängt so sehr von Durchhaltevermögen und Engagement von SuS und KuK ab wie wohl wenige andere Schulveranstaltungen.

    Deine Anmerkungen zum anstrengenden Pseudo-Normalschuljahr kann ich nur bestätigen. Für das hart verdiente Sabbatjahr wünsche ich alles, alles Gute, neue Horizonte und vor allem viel Entspannung.

    Liebe Grüße!

  4. Danke euch für die lieben Grüße und Wünsche! Neue Horizonte erhoffe ich mir, aber wenn nicht, dann ist das auch recht.

  5. Einen guten Start ins Sabbatjahr, wünsche ich :)

  6. Aginor

    Na dann viel Spaß im Sabbatjahr!

    Wegen der Fledermäuse: Schade. Ich war vor gut zehn Jahren in der Fledermausgrotte und das war für mich ein Highlight dieses Zoos.

    Gruß
    Aginor

  7. Vielen Dank, ich bin gespannt, was ich in dem Jahr anfangen werde. Vielleicht auch nichts, mal sehen.

    (Ja, die Fledermausgrotte war toll. Ich habe sie recht spät entdeckt, aber dann war das Herumsausen um einen herum sensationell.)

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