In den ersten Räumen des Museums geht es um die letzten Jahre des Kriegs und die Kapitulation Deutschlands – systematische Ermordung von Juden, Bombenangriffe, zerstörte Städte. Befreiung der Konzentrationslager, Umgang mit Geflüchteten und Vertriebenen und Displaced Persons, Zusammenführung von Familien, Militärregierung und Aufteilung Deutschlands in Sektoren. Da war wenig, das mir ganz neu war, aber es hilft mir, das immer wieder zu hören, weil jedesmal nur ein Teil dauerhaft angedockt wird an mein Gedächtnis. Es ging viel und exemplarisch um Einzelschicksale. Später dann: Entnazifizierung, Nürnberger Prozesse, Aufbau dessen, was die Bundesrepublik und die DDR werden sollten.
Neu und konkret: Sammelmarken-Bescheinigung, dass jemand 100 Ziegelsteine aus den Schuttruinen geholt und aufgestapelt hat:

Neu auch: die Überwindung des Kapitalismus durch die CDU, und das in NRW?

Bleisatz, so wie das früher aussah:

Frau Rau in Originalmöbeln des alten deutschen Bundestags:

(Was heißt alt, das kenne ich doch selber noch gut von früher!)
Ich habe eine Frage der Wiederbewaffnung: Woher kam eigentlich die Gegnerschaft? “Nie wieder Krieg” hieß ein Ruf, der Protest habe “zahlreiche Wurzeln” gehabt, “persönliche, pazifistische und nationale.” Ich kann mir nicht vorstellen, dass in der ersten Hälfte der 1950er Jahre so viele Deutsche so pazifistisch waren. Oder war das so? Traumatisierend genug hätte Deutschlands Geschichte sein können. Ging es um die Sorge vor noch mehr Ost-West-Spaltung, war es schlichte Bequemlichkeit?
Typische Konsumartikel beginnen im Museum zu erscheinen. Ganz besonders hat mich das gefreut:

Ich hätte diese Flasche eher in die 1980er getan, aber sie stand wohl in der 1950er-Bar: Denn noch in meiner Kindheit und Jugend hatten wir genau diesen Behälter zu Hause. (Aber wer weiß, ob ich mich richtig erinnere: Was dem Linguisten der native speaker ist dem Historiker der Zeitzeuge.) Ich erwähne das auch deshalb, weil meine Eltern auf der Suche nach Pflaumen in Armagnac sind. Die kamen früher in diesem großen Behältnis, und heute gibt es sie gar nicht oder nur nur in Portionen von ein bis drei Stück.

Zeitlich geht es immer weiter nach oben. Die Räume sind an sich sehr groß, aber durch Raumteiler und Exponate so sehr gegliedert, dass ich mir meist wie in viel kleineren Räumen vorgekommen bin.

Hier das originale Mokick (allein das Wort!), mit dem der einmillionste Gastarbeiter 1964 als Geschenk überrascht wurde, der Portugiese Armando Rodrigues de Sá. Der von mir ins Bild kopierte QR-Code verweist auf die Web-App des Museums, wo man sich Audio-Ergänzungen anhören kann.

Sehr interessant dieses Buch/Kunst-Objekt “NPD/Sieg/Heil” von Klaus Staeck aus dem Jahr 1969. Das Buch besteht aus nur schwach geleimten Minipostern zum Abreißen und einer Tube Alleskleber. Es war eine Zeit vor Post-Its oder Aufklebern an Ampeln und Laternen:

(Zur Zeit für 250 Euro antiquarisch in der signierten Erstauflage erhältlich; es gab mindestens eine zweite Auflage.)
Das Weltraumfieber der 1960er Jahre und seine deutsche Frucht:

Auch ein Thema in den 1960er Jahren – ist sie das nicht immer? – war die Bildungspolitik:

“Lehrermangel, unzureichende Ausstattung, unzeitgemäße Lehrinhalte und -methoden” werden kritisiert, als eine Lösung gelten “Neuartige Schulformen [neben] Volks- und Realschule sowie Gymnasium.” Ahem.
Strukturiert wird der Geschichtsgang immer wieder durch Wahlen und Wahlplakate, die späteren auch mir immer vertrauter:

Die 1980er Jahre beginnen, und ich sehe erst jetzt, wie teuer die Geräte waren, die mein Bruder und ich damals zu Hause einfach vorgesetzt bekamen:

In einem der letzten Räume: der Care-o-bot, mit Spracherkennung, ein “mobiler Roboterassistent zur aktiven Unterstützung des Menschen im häuslichen Umfeld” (Wikipedia dazu). Als alter Textadventure-Spieler wusste ich, dass man mit dem Befehl “Tanze” sicher etwas bewirken würde, und so war es dann auch:

In den letzten Räumen der 1990er, 2000er 2010er Jahre wurden die Ausstellungsstücke weniger. Neonazis, Flüchlinge, alles sehr wichtige und spannende Themen, über die ich gerne noch mehr erfahren hätte. Aber klar, je jünger die Geschichte wird, desto schwieriger ist sie wahrscheinlich einzuordnen.
Und ja, insgesamt etwas von Billy Joel, “We didn’t start the fire”, aber dennoch ein tolles Museum. Wir waren fünf Stunden dort und haben uns dabei eher wenig Zeit gelassen.
Als Kind und Jugendlicher hat mich Geschichte nicht besonders interessiert. Ich hatte, so erkläre ich mir das, nicht genug Faktenwissen zum Andocken; das kam erst mit der Zeit. Heute finde ich Geschichte interessant. Ist Geschichte wichtig? Für die Identität ohnehin, aber sonst? Geschichte wiederholt sich nicht, und ich weiß nicht, was genau man aus der Geschichte lernen kann. Vorhersagen lässt sich kaum etwas, denke ich, aber man kann nach einem Ereignis Erklärungen finden.
(Danach bin ich noch ins Arithmeum, historische Rechenmaschinen anschauen. Vielleicht komme ich auch noch ddazu, darüber zu bloggen. Es gab viele Geräte zum Anfassen und Drehen und Bewegen, und jetzt schaue ich schon gelegentlich bei eBay nach solchen Geräten. Aber nein, macht keinen Sinn, lieber erst einmal ins Deutsche Museum, schauen was die da haben.)
Schreibe einen Kommentar