Meine Antwort: Ich weiß es nicht. Für Nationalsozialisten halte ich ohnehin kaum jemanden. Das macht für mich auch so viel an der Persönlichkeit aus, dass ich die Person mit dem Substantiv bezeichne; Nazi ist man nicht nebenbei. Antisemitisch kann man viel eher beiläufig sei, oder unter anderem, ein bisschen, deshalb verwende ich das Substantiv Antisemit ungern; Antisemitismus in der einen oder anderen Form ist weiter verbreitet, als man meint. Faschisten gibt es allerdings recht viele, da schwanke ich zwischen den Substantiv und „faschistischem Verhalten“ oder „faschistischem Weltbild“. Was Faschmismus ist, da hilft Umberto Ecos kurzer Aufsatz dazu: 14 Merkmale, die sich leicht überprüfen lassen. Alle 14 treffen vielleicht nicht immer zu, aber allein die erste Hälfte ist schon recht gruslig, wenn ich mir manche aktuellen Politiker und Politikerinnen anschaue.
Ich weiß zu wenig, ob Aiwanger Nazi ist oder auch nur war, zweifle aber daran. Ob er antisemitischer ist als in seiner – meiner – Generation üblich, weiß ich auch nicht. Jedenfalls möchte ich nicht zu viel an einem alten Flugblatt festmachen. Mehr halte ich von Zeugenaussagen von damals, aber selbst ein Kokettieren mit Hitler muss noch nicht viel heißen. Heißt aber auch nicht nichts. Dumm, geschmacklos, zumindest gedankenlos antisemitisch, und das in deutlich größerem Ausmaß, als normale Teenager das machten, war dieses Flugblatt auf jeden Fall. Das echte Problem ist der heutige Aiwanger, der sich wünscht, dass sich die Straße die Demokratie von denen da oben zurückholt; das halte ich für eine populistische und undemokratische Haltung. Dass man sich da fragt, wie viel der Aiwanger sich in den letzten Jahrzehnten geändert hat, halte ich für verständlich. Eine glaubwürdige Antwort darauf kenne ich nicht. Der jetzige Umgang mit dieser Flugblattaffäre hilf auch nicht: Aiwanger verbreitet die Ideen von Verschwörungen gegen sich und stellt das Flugblatt als Dummejungenstreich wie viele andere hin. Seine Antworten auf die 25 Fragen der Regierung sind eine Farce. (Wie sinnvoll der Fragenkatalog überhaupt war, anderes Thema; Aiwanger macht sich geradezu lustig über ihn. Wie geschickt sein Verhalten politisch ist, weiß ich nicht; ich wünsche mir eine Welt, wo Charakter über Machterhalt siegen kann, aber das ist wohl seit ein oder zwei Jahrzehnten vorbei.)
Zurück zur Ausgangsfrage: Wie mit Nazis umgehen? Ich habe immer noch keine Antwort. Das mit dem Gendern sein lassen, damit die Nazis nicht noch mehr Zulauf dadurch kriegen? In mindestens Sachsen, Sachsen-Anhalt, aber auch Schleswig-Holstein muss ich Aufsätze schlechter benoten, wenn die Schüler:innen Stern oder Doppelpunkt verwenden. Das halte ich jeweils für einen so irrelevanten Nebenaspekt, dass das Verbot doch nur aus sachfremden, also parteipolitischen, Gründen erlassen worden sein kann. Und soll es danach mit Energiewandel und Erderwärmung weitergehen?
Das mindeste ist aber doch wohl, solche Flugblätter nicht zu normalisieren. „Dummejungenstreich, haben doch alle mal gemacht“ – nein. Oder zu behaupten, die AfD sei eine ganz normale Partei. Nein. (Siehe hier.) Was man mit dem Wissen darüber macht, das weiß ich nicht, aber von vornherein den Sachverhalt zu leugnen, das kann doch keine gute Ausgangsbasis sein.
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