Gesehen: Wicked

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Im Kino gewesen, Wicked gesehen. Das ist eine aufwendige Musical-Verfilmung, und zwar der ersten Hälfte des Musicals Wicked (2003), das seinerseits auf dem Roman Wicked (1995) basiert, das eine Um-Schreibung der Handlung des Film-Musicals The Wizard of Oz (1939) ist, das auf Elementen der Oz-Romane von Frank Baum basiert. Für das Ende des kommenden Jahres ist Teil 2 angekündigt, der die zweite Hälfte des Musicals umfassen wird.

Das alte Musical kenne ich sehr gut, auch über einen amerikanischen friend of Dorothy in der Familie, aber wir mochten ja ohnehin allesamt Musicals. Meine Zeit sind die 1930er bis 1950er Jahre, danach gibt es bis in die 1970er ehrenwerte, teils zu ernsthafte Musicals mit guter Musik (Sweet Charity, Cabaret, Chicago, West Side Story, vielleicht noch A Chorus Line), bevor dann Andrew Lloyd Webber alles übernahm mit seichter, aber eingängiger Musik. Inzwischen sind wir, von der rühmlichen Ausnahme La-La-Land und wohl auch noch The Greatest Showman abgesehen, bei Disney-Musicals, die nicht mal mehr eingängige Musik haben.

Diese Disney-Musicals für Young Adults sehe ich ab und zu beim Herumzappen auf dem Disneykanal: High School Musical 1 bis 3, Descendants 1 bis 3, und irgendeine komische Sache, in der Zeitreisende aus der Gegenwart in einem Surfer-Film der späten 1950er landen und die Surfer und die Motorradleute miteinander versöhnen müssen, musikalisch und otherwise. Vielleicht auch Teil 1 bis 3, ich müsste nachschauen.

Ich sehe das, wenn ich allein im Haus bin, nicht völlig ungern – ich mag Musicals einfach. Getanzt wird da überhaupt nicht mehr richtig, nicht allein und nicht zu zweit, sondern nur im Pulk, mit Star oder Stars in der Mitte und Tänzer und Tänzerinnen an den Flügeln, und der Art Tanz, der nach Sport aussieht. Durchaus akrobatisch, darf durchaus mal sein; aber echte Tanznummern dazwischen wären mir schon sehr recht. Schlimmer noch ist der Gesang: da ist keine Nummer, die mir nur halbwegs im Ohr bleibt. (Ausnahmen sind die Nicht-Disney-Musicals oben.)

Und so ging mir das auch mit Wicked, immerhin einer sehr erfolgreichen Broadway-Produktion. Von „Defying Gravity“ abgesehen ist nichts dabei, was ich nur halbwegs summen würde. Wie anders dagegen The Sound of Music, nur als Beispiel; da sind viele verschiedene Nummern dabei. – Bin das nur ich? Ist das bei Menschen mit jüngerem Musikgeschmack anders, dass die da Unterschiede sehen und Melodien erkennen? Oder werden diese Filme opernhafter mit viel Rezitativ, keinem Schlager, keinem Marsch darin? Frozen hatte mindestens einen Hit, La La Land mehrere, bei Wicked sehe ich nichts dergleichen.

Davon abgesehen hat mir der Film gut gefallen. Ich habe mich nicht gelangweilt, auch wenn man eine halbe Stunde hätte kürzen können. Die Hauptfiguren sind differenziert, insbesondere Galinda und Fiyero. Dass der letztere mich an Flynn Rider aus Rapunzel erinnert, geschenkt: Musical und Buchvorlage sind älter als dieser, und dass die Zaubereischule unangenehm nach Hogwarts aussieht, dafür kann zumindest die Romanvorlage nichts, die auch älter ist. Aber natürlich hat das Einfluss auf meine Wahrnehmung, und wahrscheinlich auch auf die Inszenierung.

Die Handlung: Es handelt sich um eine Art Prequel zum alten Musical, das dessen Geschichte aus anderer Sicht erzählt. Die Prämisse: die böse Hexe des Westens ist gar nicht böse, alles nur Propaganda. Dazu kriegt sie eine Hintergrundgeschichte. Das ist gut gemacht, ganz im Sinne meines „Zwischen den Zeilen schreiben„. Im zweiten Teil gibt es wohl chronologische Abweichungen, so dass die Handlung dann nicht mehr in allen Details zum Ursprungsmusical passt. Sehr gut ist, dass die ganze Handlung umgedeutet und neu gesehen wird, die Schurkin also gar keine ist und auch nie war oder gewesen sein wird. Manchmal sieht man ja auch, dass stattdessen die Schurkin oder der Schurke eine rührselige Hintergrundgeschichte kriegt, die erklärt, warum er oder sie so geworden ist (Maleficent, Cruella, Anakin Skywalker.) Am End war der Tyrann gar kein Tyrann.

Lobenswert die Steampunk-Elemente im Film, insbesondere der Zug, auch wenn dessen Fahrt von der Shiz University nach Oz in einem Katzensprung erledigt war. So hatte ich das Gefühl, dass Oz gleich um die Ecke der Universität liegt, was nicht dazu passen will, dass die meisten diese Stadt nur vom Hörensagen zu kennen schienen.


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3 Antworten zu „Gesehen: Wicked“

  1. Das eigentliche Problem ist, dass wir hierzulande keine eigenständige Musicalkultur haben – obwohl es in den letzten zwanzig, dreißig Jahren ein paar durchaus ansehbare und anhörbare Versuche gegeben hat – und das deutsche subventionierte Theater englische und amerikanische Musicals erst nachspielen, wenn sie verfilmt worden sind. So sind z. B. das brillante „City of Angels“ von Larry Gelbart oder Sondheims Meisterwerk „Assassins“ (für mich das beste moderne Musiktheaterstück überhaupt) hierzulande nicht wirklich wahrgenommen worden. Was sicherlich auch damit zu tun hat, dass das subventionierte Theater hierzulande zunehmend weniger Wert auf Akzeptanz beim Publikum legt und die Macher nicht merken wollen, dass dieser Weg pfeilgerade in den Abgrund führt.
    Das Problem mit den Hits spiegelt sich m. E. auch in der aktuellen Pop-Musik wieder: Die Menschen, die heutzutage jung sind, haben andere Vorstellungen von „eingängiger Melodie“ als z. B. meine Generation. Ich kritisiere das überhaupt nicht, jeder soll hören was er will. Nur Texter/Komponisten, die generationenübergreifend Menschen erreichen (wie eben Kander/Ebb oder Rodgers/Hammerstein) gibt es derzeit wohl tatsächlich nicht.

  2. Das Subventiontheater, Erörterungsaufsatzthema meiner Jugendjahre, ähnlich wie: Buchclubs – fluch doer Chance? Letztere sind ausgestorben, das erste geht vielleicht noch manchmal, aber da muss man vorher viel über Theater reden. Im Vergleich mit englischen Theater tauchte das im Anglistikstudium wieder auf.

  3. Erst kürzlich las ich in der Zeitung eine Eloge über diesen Film, daher erwartete ich hier zuerst eine weitere. :D Zur Zeit scheint der Hype über diesen Film jedenfalls gross zu sein. Leute posten Fotos von sich, wie sie vor dem Film aussahen und, verweint, danach. Angeblich sei der Film verdammt rührend, und wer nicht gerührt wird, soll einen Preis für besondere Hartherzigkeit verdient haben. Je nun… ich sah vor Monaten einen Werbetrailer auf Youtube und fand ihn optisch begeisternd. Als ich dann aber las, dass es sich um ein Musical handeln soll, erlahmte mein Interesse abrupt, da Musicals nicht mein Genre sind. Ähnlich erging es mir bei der Fortsetzung von Joker, Joker: Folie à Deux. Der Trailer hat mich gefesselt, aber es ist tatsächlich ein Musical. Seit rund einem Jahr bin ich Single; wenn ich ein Date hätte, könnte ich eventuell versucht sein, die Frau zu Wicked einzuladen, da der Film angeblich auf Frauen massgeschneidert sei. Aber eher lockt mich Nosferatu – Der Untote, der demnächst ins Kino kommt. Ein abgelutschter Stoff, soviel ist sicher, aber Robert Eggers hat mich schon mit anderen Filmen überzeugt.

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