Heute wurden die Leistungskursfotos geschossen, die dann später in den Jahresbericht kommen und von denen Schüler sich Abzüge machen lassen können. Das ist ein Termin, der den Schülern sehr wichtig ist. Ein besonders wichtiger Punkt dabei ist das thematische Verkleiden oder zumindest die Andeutung davon. So sieht man gleich, welcher Leistungskurs das war: Die Wirtschafts-LK kommen in angedeuteten Nadelstreifen, andere LKs schwenken Fahnen, halten Bücher hoch, tragen passende T-Shirts. Ich halte das für eine schöne Idee. (Dass die Lehrer manche Ideen nicht mitmachen, etwa das Demonstrieren von Wein- oder Bierflaschen, damit müssen die Schüler leben.) Trotzdem muss ich ein bisschen daran herumpieksen.
Warum machen die Schüler das? Weil’s lustig ist, klar. Aber vor allem auch deshalb, weil sie das aus dem Vorjahr kennen, weil das Tradition ist, weil das schon immer so gemacht wurde. Aber was heißt das eigentlich, schon immer?
Auch das englische Rechtswesen kennt ein „schon immer“, genauer gesagt, ein „since time immemorial“, zu deutsch „seit Menschengedenken“. Leser und Hörer von Douglas Adams wissen es bereits: dafür gibt es ein Datum, den 6. Juli 1189. Da beginnt time immemorial, da beginnt das Menschengedenken, was seit damals gilt, gilt schon immer.
Bei Schulen ist das etwas anders. Da ist „schon immer“ vielleicht acht Jahre her, höchstens zehn. Alles, was es seit acht Jahren gibt, war schon immer so. Das gilt für Abiturfeiern, für Leistungskursfotos, aber auch für Konferenzbeschlüsse, glaube ich manchmal.
Kultur ist, was eine Generation der anderen weitergibt. Wenn es das nicht gäbe, müsste die Menschheit in jeder Generation von vorne anfangen – ohne das erworbene Wissen der früheren Generationen, ohne ihre Erkenntnisse, ohne die Geschichten zur Erklärung der Welt und Bewältigung des Lebens, ohne die errungenen Wertmaßstäbe. Kulturelles Wissen wird weitergegeben in Form von schriftlichen und anderen Aufzeichnungen, aber auch durch Lernen am Vorbild und durch mündliche Überlieferung.
Was lernen eigentlich die jüngeren Schüler von den älteren? In der heilen Welt der Internatsliteratur ist das viel, da übernehmen ältere Schüler Verantwortung in Form von Aufsichten, da gibt es Aufnahmerituale, und auch weniger erfreuliche Traditionen. Wie sieht das bei uns aus? Einige Sachen fallen mir ein, vor allem die Tutoren, die an unserer Schule ganz gut funktionieren. Da lernen die Jüngeren von den Älteren. Aber sonst sind für die Vermittlung von Kultur eigentlich weitgehend die Lehrer zuständig – abgesehen vom Abitur. Da werden uralte Traditionen plötzlich interessant.
— Vielleicht dazu passend ein Lied, „Standing on the shoulders of freaks“:
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