Gestern war Fortbildung zu Mobbing. So mittel, aber einiges habe ich gelernt, darunter auch wichtiges. Vor allem war mir neu, dass Bullying und Mobbing synonym verwendet werden. Ich habe mich gelegentlich darüber beklagt, dass das Wort „Mobbing“ inflationär gebraucht wird; das muss ich in Zukunft einschränken, weil die Definition des Worts nun mal sehr umfassend ist.
(Inflationär ist es allerdings, wenn ich in einem Elternforum lese: „Rechtschreibfehler bewerten in einem anderen Fach als Deutsch, das ist Mobbing!“ Auch sonst fällt das Wort Mobbing manchmal schnell, ohne dass mehr als ein Konflikt dahinter steht.)
Uneinigkeit gab es bei der Frage, inwiefern Mobbingopfer schuld am Mobbing sein können. Ich glaube, die Uneinigkeit kam von der Mehrdeutigkeit des Wortes „schuld“. Meine Ansicht: Mobbingopfer sind nicht schuldig, sind nicht moralisch schuldig, dürfen sich nicht die Schuld geben, darf man nicht zum Schuldigen machen. Aber kausal beteiligt können sie schon sein, und das meint man landläufig ja auch, wenn man von „schuld“ redet.
Mobbing kann jeden treffen. Aber bestimmte Merkmale gibt es häufiger als andere. Laut Wikipedia sind – einer Auffassung nach – vor allem Kinder gefährdet:
- die kleiner oder schwächer sind als der Durchschnitt.
- die übergewichtig sind.
- die ängstlich oder schüchtern sind.
- die sozial nicht akzeptierte Merkmale haben (keine Markenkleidung, ärmliches Aussehen etc.)
- die sich selbst aggressiv verhalten.
- die einem Elternhaus mit überbehütendem Erziehungsstil entstammen
Das hat die Referentin zwar nicht alles so gesagt oder vielleicht gesehen, aber dazu hat man ja ein iPad, das man während eines Vortrags gleich ein paar Sachen nachprüfen kann. Und schimpft mir nicht auf die Wikipedia, die gibt immerhin Quellen an, wenn man etwas genauer wissen will, etwa: Hans Jürgen Groß: Bullying (Gewalt in der Schule) Begriff, Ausmass, Folgen: unter besonderer Berücksichtigung des Opfermerkmals „überbehütetes Kind“ Saarbrücken: Trainerverlag. 2012
Auch für Täter gibt es Merkmale, die häufiger zutreffen als andere. Wer zu Hause Machtmissbrauch zwischen sich und den Eltern erlebt, oder zwischen den Elternteilen, wendet diesen Machtmissbrauch dann eher selber an. Aber natürlich gibt es auch Persönlichkeitsmerkmale, die nichts mit den Eltern zu tun haben müssen.
Am Anfang gab es einen etwas reißerischen Videoclip „jeder 6. Schüler wird gemobbt“, eine Zahl, die sich in der herumgereichten Fachliteratur nicht bestätigt fand. Ich traue auch nicht jedem Filmemacher zu, einen Unterschied zu machen dazwischen, ob ein Sechstel aller Schüler gemobbt werden oder ein Sechstel aller Schüler irgendwann mal gemobbt wurden. — Am Gymnasium gibt es weniger Mobbing als an anderen Schularten; gemobbt wird in der Sekundarstufe vor allem in der 6. bis 8. Jahrgangsstufe; mehr bei Jungs als bei Mädchen – außer beim Cybermobbing, das betrifft eher Mädchen.
Cybermobbing (wer hat dieses Wort verbrochen!) ist besonders infam, weil es anonym geschehen kann und man davon auch im eigentlich sicheren heimischen Bereich getroffen wird.
Mobbing gibt es an Schulen, und die Schulen müssen sich darum kümmern. Wie erkennt man Mobbing? Es gibt Warnzeichen, die aber auch andere Ursachen haben können. Manche Kollegen störten sich daran; dass keine genauere Möglichkeit genannt wurde, Mobbing von anderen Problemen zu unterscheiden – ich fand das weniger schlimm. Wenn man als Lehrer Warnzeichen für Mobbing erhält, muss man nachfragen, und dann kriegt man das schon heraus.
Schwieriger ist die Frage, was man dann tut. Das muss sich eine Schule überlegen. (Immer wenn ich von einer Methode höre, die „in europäischen und außereuropäischen Ländern große Erfolge“ hat, muss ich an die Blues Brothers denken, wie sie „nach ihrer exklusiven Drei-Jahres-Tournee durch Europa, Skandinavien und die Subkontinente“ wieder in Calumet City ein Konzert geben.) Auf jeden Fall offen legen, war ein Rat, aber nicht gegen den Willen des Opfers. Daneben wurden Methoden kurz vorgestellt, die aber eine weitere Fortbildung erfordern würden.
Am wichtigsten die Frage, wie man Mobbing in der Schule vermeidet. Das Schulklima spielt eine große Rolle, und klare Regeln im Klassenzimmer wurden als zentral genannt. Leuchtet mir ein. Daneben gab es empfohlene Lektüren für den Deutschunterrichts, der ja alles richten kann; von deren Wirksamkeit bin ich weniger überzeugt.
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