Ich tausche mich mit Kollegen aus, im Lehrerzimmer über einer Tasse Kaffee oder im Internet. Im Internet geschieht das auch über Twitter. Viele Leute verstehen nicht, was Twitter bringen soll; wenn mich jemand fragt, was Twitter ist, erkläre ich das so:
Twitter ist so etwas wie Facebook, ja, aber ohne Spiele, Umfragen, Werbung, Freunde, eingebaute Bilder und Videoclips, also eigentlich doch gar nicht so wie Facebook. Bei Twitter ist jede Nachricht („Tweet“) auf 140 Zeichen beschränkt, Leer- und Satzzeichen eingeschlossen. Das hat seinen eigenen Reiz. Man muss sich kurz fassen, den ursprünglich getippten Text mit, sagen wir, 160 Zeichen dann halt bearbeiten, bis er passt. Möglich ist es natürlich, Abkürzungen zu verwenden; ich halte das selber aber für unsportlich, ebenso wie das Verteilen einer Nachricht auf zwei Tweets. Das muss manchmal sein, aber ich achte die Twitterer mehr, bei denen das nicht nur Gewohnheit wird.
„Wer braucht denn so etwas wie Twitter überhaupt? Da schreiben die Leute doch nur, dass sie sich einen Kaffee holen gehen; das interessiert mich nicht.“ Es gibt viele Möglichkeiten, Twitter zu nutzen. Meine erkläre ich so: In einem typischen Großraumbüro arbeiten mehrere Kollegen. Man kriegt mit, wer kommt und wer geht, wer gerade mit welchem Kunden telefoniert, was die anderen gerade so besprechen, wer etwas Neues entdeckt hat oder krank ist (hust, hust), alles vom kleinen Alltagsklatsch bis zu geplanten Projekten. Man kriegt natürlich nicht alles mit, weil man manchmal zu konzentriert oder gar nicht im Büro ist.
Als Lehrer hat man weniger von diesem Hintergrundrauschen, als man meint. In der Pause trinkt man Kaffee, im Unterricht ist man allein, Sitzungen gilt es zu vermeiden. Zu Hause – notgedrungen dem zentralen Arbeitsort der Lehrer – ist man auch allein. Bei mir ist es aber so, dass ich viele Kollegen auf Twitter habe, wenn auch nicht von meiner Schule. Wenn einer von denen etwas twittert, erscheint rechts unten auf meinem Bildschirm eine kleine Notiz darüber (meist auch schon mit dem Inhalt des Tweets), und aus dem Augenwinkel kriege ich das mit. Manchmal lese ich das, manchmal nicht; manchmal sitze ich gar nicht vor dem Rechner oder er ist aus. Trotzdem kriege ich mit, über was man so redet, wer gearde an was arbeitet oder was die Leute beschäftigt. Und wie bei Kollegen im physischen Büro ist es auch nicht uninteressant, wer welchen Kaffee mag oder wer hustet oder wer sich gerade über irgendetwas freut.
Natürlich kommt man bestens ohne Twitter aus, und das soll hier keine Werbung dafür sein. Andere Leute nutzen Twitter auch ganz anders. Frau Rau etwa hat viel weniger virtuelle Kollegen als ich, liest dafür all deren Tweets. Und sie hat sie sich danach ausgesucht, wer kluge, witzige, interessante, geistreiche Tweets verfasst. Das ist dann eher ein Algonquin Round Table als ein Großraumbüro. Jeder wie er mag.
Am Wochenende las ich diesen Tweet, ohne den Zusammenhang genauer zu kennen:
Auf eine SuS-Generation, deren Kommunikation auf komplexer Vernetzung beruht, muss lehrerzentrierter Frontalunterricht wie ein Knebel wirken
— lammatini (@lammatini) November 23, 2012
Hm, dachte ich, und wollte darauf reagieren, aber es gelang mir nicht, alles, was ich mir dachte, in 140 Zeichen zu packen. Manchmal geht es halt nicht, und dann wird ein Blogeintrag daraus. Dabei wollte ich gleich mal den Schülern in meiner Klasse Twitter zeigen. Ihre Aufgabe: sie sollten auf den Tweet reagieren, in höchstens 140 Zeichen:
„Finde ich nicht, da die Möglichkeiten, mitzureden und die eigene Ansicht darzulegen, immer noch besteht.“
„Da Schüler aus ihrer Freizeit moderne Medien gewohnt sind, bietet der zentrale Vortrag des Lehrers eine andere Perspektive des Aufnehmens.“
„Die Schüler sind eben diesen Kommunikations-Standard gewöhnt. Somit kann für Abwechslung im Alltag gesorgt werden.“
„Ohne diesen Knebel wäre ein komplex-vernetzter Unterricht nicht möglich, da eine Informationsbasis fehlt, auf der man diskutieren kann.“
„Nein tut er nicht,da man stets kommunizieren kann und dadurch die Sache aufgelockert wird. Zudem sind nicht nur Schüler vernetzt, viele Lehr“
„stimmt nicht“
„Ich bin anderer Meinung, da es viele Lehrer schaffen die SuS-Generation ohne so eine Art von Unterricht gut zu unterrichten.“
„Ich gebe ihnen Recht. Wir sollten das Unterrichtssystem zur vernetzteren Kommunikation zwischen u. unter SuS entwickeln. Bringt nur Vorteile.“
„Meiner Meinung nach hat die private Kommunikation wenig mit der Schule zu tun. Generell fühle ich mich im Unterricht nicht ‚geknebelt‘.“
Was sagt uns das? Nicht viel, muss es ja auch nicht. Erst mal ging es in dem Ursprungstweet wohl (nur?) um eine iPad-Klasse und meine Schüler sind vielleicht gar nicht gemeint. Zweitens wissen meine Schüler am Ende gar nicht, dass sie geknebelt sind (und ich bin der Unterdrücker, der stolz präsentiert, wie gut es ihnen doch geht), drittens sind sie vielleicht gern geknebelt (was alleine weder für noch gegen die Knebelung als Methode spricht).
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