Letzte Woche war ich in Berlin, politische Bildungsfahrt mit einer 10. Klasse. Mit der Fahrt an sich hatte ich wenig zu tun, es fehlte lediglich eine männliche Begleitperson, und so fuhr ich mit, auch weil die Klasse eine nette Klasse ist. (Dass ich der Meinung bin, dass insgesamt zu viel weggefahren wird, ist ein anderes Thema.) An sich fahre ich nicht sehr gerne weg. Eine Woche ständig unter Menschen, das ist ein bisschen viel für mich.
Aber die Klasse hat sich sehr gut verhalten, und die Kollegin hat die Fahrt sehr gut vorbereitet und durchgeführt. Hier ein Überblick über unser Programm.
Montag
Fahrt mit dem Zug nach Berlin. Ankunft im Hostel (Moabit, zehn Fußminuten vom Bahnhof), dann gleich zum Brandenburger Tor und die Schüler allein Unter den Linden entlang zum Alexanderplatz gehen lassen. Von dort zur East Side Gallery, dann freie Abendgestaltung.
Dienstag
Gleich morgens zum Reichstag, dort eine Führung im Bundestag. Sitzung war leider keine; während der der Sitzungsperiode gibt es alle zwei, drei Wochen eine Woche ohne Sitzungen, während der dann auch Reinigungs- und Wartungsmaßnahmen durchgeführt werden. Aber das weiß man nicht, wenn man – lange vorher – den Termin für die Gruppenführung bucht.
Gelernt: Parlamentsferien sind immer dann, wenn irgendein Bundesland Schulferien hat. Es gibt 41 Stenographen, die – anders als etwa im Europaparlament – nicht mit Stenographiemaschinen schreiben, sondern per Hand, in 10-Minuten-Schichten. (Nicht gesagt wurde uns, dass das, was als Wortlaut der Rede veröffentlicht wird, vorher noch durchgesehen und verbessert wird, also nicht etwa dem echten Wortlaut entspricht.) Mitprotokolliert wird auch das Drumherum, es gibt 8 verschiedene Stufen von Applaus, bis hin zum ¨Tumult¨.
Jeder Besucher sagt: das sieht im Fernsehen größer aus. Die fette Henne, zweieinhalb Tonnen schwer, hängt an nur zwei Seilen. Und die Bundestagsverwaltung sieht sich dezidiert als eigene Institution mit dem Auftrag, für einen reibungslosen Ablauf zu sorgen.
Danach zum Holocaust-Mahnmal. Gerade in einer Gruppe durchzugehen ist interessant: Außen sind die Stelen nicht hoch, man sieht noch die Köpfe der anderen; je weiter man hineingeht, desto mehr verschwinden die anderen, bis man später nur ab und zu zehn Meter vor sich jemanden kurz auftauchen sieht, der in Querrichtung geht und nach zwei Schritten wieder verschwunden ist.
Nach regnerischer Mittagspause ins Mauermuseum am Checkpoint Charlie. Für die Führung hatten wir einen Zeitzeugen erwischt, der die Inhalte – Geschichte des Checkpoint Charlie und der Fluchtmöglichkeiten in den Westen – sehr anschaulich vermitteln konnte. (Selber Deserteur der Nationalen Volksarmee, dann Fluchthelfer im Westen. Zum Schluss hat er noch eine Kopie des Mordauftrags gegen ihn aus den Stasi-Unterlagen verteilt. „Die zur Liquidierung des Objekts beuaftragten GM [Geheime Mitarbeiter] sind äußerst zuverlässig und besitzen die politischen sowie fachlichen Voraussetzungen um den ihnen übertragenen Auftrag durchzuführen.“)
Es folgte in kurzer Abstecher in das Asisi Panorama zum geteilten Berlin. Ein riesiges fotorealistisches Panorama zeigt einen Blick auf die Grenze, den Todesstreifen, Ausschnitte aus Ost- und Westberlin, als stünde man auf einem Baugerüst im Westen und blickte hinüber.
Im Eingangsbereich konnten Besucher aufschreiben, was für sie Freiheit bedeutet. Unsere Schüler trugen gleich mal den Namen unserer Schule ein, aber ich weiß nicht, ob sie das richtig verstanden haben.
Dann eine kleine Pause bis zum Abendprogramm: Kabarett in der Distel. Ausgezeichnet! Kabarett, auch politisches Kabarett, ist für mich immer mit Gesang verbunden. Und gesungen wurde reichlich. Dabei war das ganze zugänglich und auch die Schüler mochten das Programm sehr.
Mittwoch
So voll wie am Dienstag sollte das Programm nicht mehr werden. Morgens ging es in die Dauerausstellung „GrenzErfahrungen. Alltag der deutschen Teilung“ im Tränenpalast. Das ist die ehemalige Ausreisehalle am Bahnhof Friedrichstraße, einer Grenzübergangsstelle. Empfehlenswert. Für Schülergruppen gibt es eine Art Quiz in Form eines Notizheftchens mit Aufgaben.
Danach die Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen. Das ist ein Bau, spät im zweiten Weltkrieg errichtet, das danach den Russen als Untersuchungsgefängnis diente, einige Jahre später an die DDR übergeben und später wiederum erweitert wurde. Dort waren vor allem politische Gefangene untergebracht.
Mittagspause, dann Jüdisches Museum Berlin. Unsere Gruppe wurde geteilt, es gab jeweils eine Führung.
Zum Abschluss des Tagesprogramms optional eine Currywurst bei Konnopke am Prenzlauer Berg. Gepriesen als beste Currywurst Berlins. Hm, ja. Für eine Currywurst war das Gericht dann auch tatsächlich gut, aber es war halt immer noch eine Currywurst, und damit eher nicht mein Geschmack. Die Wurst ist immer so langweilig.
Donnerstag
Gleich am Anfang zur Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche, dann den Kufürstendamm entlang spazieren bis zum Museum Story of Berlin: Überblick über Geschichte Berlins. Für die Schüler interessant auch die 1950er und 1960er Jahre. Komische Telefone, eine Jukebox, unverständliche Slogans. („Wer zweimal mit derselben pennt, gehört schon zum Establishment.“)
Optional Kaufhaus des Westens, dann eine lange Mittagspause. Ich war beim Chinesen (kalte Rinderinnereien in Scheiben in scharfer Sauce, danach eine kleine Portion gedämpfte Auberginen mit Hackfleisch). Danach einfach nur in der Sonne gesessen und Pause gemacht.
Nachmittags dann eine Führung der Berliner Unterwelten. Das ist ein Verein, der sich mit der Unterwelt Berlins beschäftigt und dazu verschiedene Führungen anbietet, etwa Tour M: Mauerdurchbrüche. Unteriridische Fluchtmöglichkeiten waren: a) eigene Tunnels, b) das Tunnelsystem der U-Bahn, da die West-U-Bahnen durch Ostberlin fuhren, wo natürlich alle Zugänge, soweit möglich, unbenutzbar gemacht wurden und c) das gemeinsame Kanalisationssystem. Wir liefen zuerst durch die alte U-Bahn-Station, umgebaut zum Luftschutzbunker. Die Leuchtfarbe an der Wand stammt noch aus dem Zweiten Weltkrieg. Als der Führer das Licht ausknipste und sagte: „Wer von euch eine Taschenlampe dabei hat, der kann ja mal…“ konnte er kaum ahnen, dass wir zwei ausgewiesene Taschenlampenträger mit uns führten. („Ist doch praktisch. Kann man immer mal brauchen.“)
Noch kurz zum Mauerpark, dann war wieder freie Abendgestaltung. Alle wieder früh und müde im Hostel.
Freitag
Heimfahrt.
— Das Programm insgesamt war sehr auf Sozialkunde/DDR zugeschnitten. Kein Pergamonmuseum, kein Naturhistorisches Museum, nichts über Leben in Ostdeutschland heute. Aber es waren nur gut drei Tage, und die waren ohnehin voll.
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