Vorgestern hatten wir pädagogischen Tag. Das hängt alles mit dem Buß- und Bettag zusammen, der ja vor einigen Jahren als gesetzlicher Feiertag abgeschafft wurde. Nur die Schüler, die durften weiterhin zu Hause bleiben. Weil die Lehrer an diesem Tag zu Hause bleiben durften, als Ausgleich für weniger Geld. Das war im Jahr darauf aber vergessen: Publikumswirksam schrieb das Kultusministerium den Lehrern vor, diesen freien Tag nachzuarbeiten, und zwar in Form einens pädagogischen Tages, der pädagogisch sein sollte, und einen Tag lang dauern würde. Daher der Name.
Nun halte ich es für sinnvoll, dass die Lehrer mehr miteinander reden, über pädagogische Themen, was so viel heißt wie: Über die Berufspraxis. Das geschieht noch immer viel zu wenig. Mehr, mehr! (Wenn es geht.) Trotzdem, die Genesis dieses pädagogischen Tages ist extrem unglaubwürdig.
An vielen Schulen wird statt des einen Tages an zwei Nachmittagen pädagogisch gearbeitet, und einen dieser Nachmittage hatten wir gestern von 14 bis 17.15 Uhr. Der Tag war sinnvoll; wir hatten einen Schulrat und einige Grundschullehrerinnen zu Gast. Zuerst wurde Allgemeines zum Lehren in der Grundschule, zum Lehrplan und zu den Methoden dort gesagt, dann trafen sich kleinere Gruppen, um Eigenheiten vor allem der der Fächer Mathematik, Englisch und Deutsch zu besprechen. Ich war bei der Deutschgruppe dabei.
Und das habe ich mir gemerkt:
Die Auseinandersetzungen mit den Eltern ist viel härter als bei uns. Es geht schließlich um das Gutachten für die gymnasiale Eignung; eine Entscheidung, die bei den Grundschullehrern liegt. Und da wird – aus ganz verständlichen Gründen – ab der ersten Klasse Druck gemacht, dass das Kind ja ans Gymnasium kommt.
Das führt teilweise dazu, dass Schüler mit sehr viel Elterneinsatz und sehr viel Nachhilfe auf eine 3 in der Übertrittsprüfung kommen, dann ein halbes Jahr nichts mehr tun (und im Niveau auf 4 sinken), die Sommerferien über auch nichts weiter tun, so dass sie bei uns mit dem Niveau 5 anfangen.
Die Grundschullehrer können da natürlich auch nichts machen: Eine 3 ist eine 3, wie auch immer sie erzielt wurde, und wie auch immer es danach weitergeht.
Wenn die Grundschüler ans Gymnasium kommen, sind sie große Methodenvielfalt gewöhnt. Lernzirkel, Lerntheken, Schreibkonferenzen. Sie sind gewöhnt, ihre eigenen Aufsätze anhand der Lehrerkorrekturen noch einmal neu zu schreiben und dabei zu verbessern. Sie sind selbstständiges und freies Arbeiten und offenen Unterricht gewöhnt. — Ganz glaube ich das noch nicht; das heißt, ich hweiß nicht, für wie viele Grundschüler da überhaupt gilt. Aber wenn dem so ist, dann treiben wir am Gymnasium den Schülern diese Selbstständigkeit wieder aus. Die Methodenvielfalt und den offenen Unterricht, den Wochenplan, bei dem die Schüler selber entscheiden, wann sie welche Arbeiten erledigen, gibt es bei uns nicht. Da können wir etwas von der Grundschule lernen: Aber nur, wenn wir nicht soviel Zeit damit verbringen müssen, den Lehrplan zu erfüllen. Denn das schaut so aus, dass man den Schülern das zu Lernende vor die Nase hält, einmal drüber ausfragt, und dann zum nächsten Kapitel hastet.
An der Grundschule gibt es Aufsätze, die benotet werden, und freies Schreiben: Dabei dürfen die Schüler schreiben, was und worüber die Schüler wollen. Die Schüler nähmen diese Möglichkeit auch an. (Hier bin ich skeptisch.) Die Arbeiten gehen dann zum Lehrer, der Verbesserungsmöglichkeiten zeigt, oder gleich in die Schreibkonferenz: Hier zeigt sich eine Gruppe gegenseitig ihre Arbeiten, kommentiert und bastelt daran herum, bis eine fertige Geschichte entstanden ist. Die fertigen Texte werden dann in einer Geschichtenstunde vorgelesen, wobei das Vorlesen zelebriert wird: Es gibt einen Vorlesestuhl, vielleicht sogar einen Vorlesehut, danach Beifall und Kritik. (Kritik an der Gruppe, die in Schreibkonferenz gearbeitet hat, nicht am einzelnen Schüler.)
Ein Kollege, der sich vielleicht noch zu Wort melden wird, bemängelt daran die Beliebigkeit: Schüler werden belohnt, wenn sie irgendeinen Text produziert haben. Am Gymnasium müssen sie allerdings Texte einer bestimmten Textsorte zu einem bestimmten Thema verfassen; die Bedingungen werden vom Lehrer gestellt und müssen von den Schülern akzeptiert werden. Das führt zu Konflikten.
Anschaulich hat eine Grundschullehrerin einen Unterschied beschrieben, der ihr beim Hospitieren an einem Gymnasium aufgefallen ist: Am Gymnasium war es viel unruhiger in den Klassen. An der Grundschule wird gearbeitet, auch an der Tafel, danach wird geschrieben. Und zwar mucksmäuschenstill. Sonst würden die schwächeren Schüler sofort den Anschluss verlieren, sich nicht mehr zurecht finden. Am Gymnasium geht alles ein bisschen gleichzeitig, und wenn ein Schüler für ein paar Minuten abschaltet (um mit dem Nachbarn zu tuscheln), dann schaltet er sich danach eben wieder ein in den Unterricht. An der Grundschule sei das undenkbar.
Konstruktivistische Lerntheorien: Lernen als Prozess sehen, bei dem das Gelernte eingebaut wird in vorhandenes Wissen. Das geht nur, wenn der Lerner das selber will. Er muss selber arbeiten, selber konstruieren.
Dazu gehört wie immer Piaget an, den ich schon als Student eher missliebig betrachtet habe, dazu die verschiedenen reformpädagogischen Ansätze im ersten Drittel des letzten Jahrhunderts, die ich mehr respektiere. Kerschensteiner, Pierce, Dewey, lauter Namen, die ich noch vom Examen kenne. Umgesetzt am Gymnasium wird davon wenig. Ich muss erst noch überlegen, warum nicht, und was da vielleicht doch sinnvoll machbar ist. Vielleicht in einem späteren Beitrag.
Schreibe einen Kommentar