Lehrer machen vormittags Unterricht, nachmittags und am Wochenende haben sie entweder frei oder machen gaaaanz viel. Das ist bekannt.
Darüber hinaus fallen an einer Schule noch viele weiteren Aufgaben an, die die Lehrer übernehmen, und von denen viele Leute vielleicht gar nicht wissen, dass es sie gibt. Dazu gehören, in keiner besonderen Reihenfolge:
- Jemand muss die Schülerzeitung betreuen. (Laut Schulordnung Wahl durch die teilnehmenden Schüler.)
- Jemand muss Aufsicht bei Schulpartys führen.
- Jemand muss die fahrbaren Beamer-Computer-Kombinationen warten. („Der DVD-Player funktioniert nicht. Der Ton funktioniert nicht. Der Beamer funktioniert nicht.“)
- Verbindungslehrer: Jemand muss Kontakt zu den gewählten SMV-Vertretern halten und bei der Organisation von Schulpartys und bei den Tutoren helfen. (Laut Schulordnung Wahl durch die Klassensprecherversammlung.)
- Jemand muss die Schulbücher verwalten: Am Anfang des Schuljares austeilen, am Ende einsammeln; nachbestellen, neubestellen; den zugeteilten Etat einteilen.
- Jemand muss die Schulbibliothek verwalten: Sich um den Katalog kümmern, Ordnung halten, neue Bücher bestellen, katalogisieren und einordnen (in Rücksprache mit den anderen Lehrern).
- Jemand muss der Schulleitung und dem Sekretariat bei der Computernutzung helfen/die Computer warten.
- Jemand muss das Schulnetz, über das die Schüler im Computerraum Zugang zu Programmen und dem WWW haben, warten.
- Jemand muss bei der jährlichen Einschreibung der neuen Schüler die technische Seite organisieren (schon wieder Computer).
- Der Medienwart kümmert sich darum, dass defekte Tageslichtprojektoren und CD-Player repariert oder ersetzt werden.
- Jemand muss Layout und/oder Redaktion des Jahresberichts übernehmen.
- Betreuuung der Schul-Homepage
- Die Mitglieder des Personalrats treffen sich zu Besprechungen mit und ohne die Schulleitung.
- Jedes Jahr gibt es ein Geheft mit Informationen für zukünftige Schüler und deren Eltern. Das muss geschrieben, redigiert und layoutet werden.
- Jemand muss die Verweise der Unter- beziehungsweise Mittelstufe verwalten – in eine Liste eintragen und kontrollieren, ob die unterschriebenen Verweise zurückgegeben wurden.
- Jemand kümmert sich um den Schulsanitätsdienst und die Streitschlichter.
- Der Betreuungslehrer: Eine wichtige Aufgabe. Der Lehrer oder die Lehrerin berät Schüler und deren Eltern, die Probleme in der Schule haben. Das können disziplinarische Probleme sein, oder schlechte Leistungen.
- Jemand muss die Referendare betreuen.
- Die Fachbetreuer respizieren die Schulaufgaben der anderen Lehrer: Das heißt, sie schauen sich an, ob die Schulaufgaben sinnvoll gestellt und sinnvoll bewertet sind. Außerdem leiten sie Fachsitzungen und kümmern sich um die Ausrüstung für ihr jeweiliges Fach.
- Jemand muss den Schüleraustausch organisieren.
- Jemand muss den Stundenplan entwerfen: Welche Klasse wann welchen Lehrer in welchem Fach hat, so dass keine Lücken entstehen und die Stunden sinnvoll verteilt sind.
- Es gibt außerdem noch den Disziplinarausschuss, der von den Lehrern gewählt wird, der aber nur bei großen disziplinarischen Problemen zusammentritt.
- Kollegstufenbetreuer
- Personalräte
- Betreuung von Referendaren
- Sicherheitsbeauftragter (Probealarme und so weiter)
- Mitarbeit im Schulforum (je drei Eltern-, Schüler- und Lehrvertreter; darf bei manchen Dingen mit enstcheiden)
- Ansprechpartner des Gleichstellungsbeauftragten im Ministerium
(Und sicher gibt es noch viele solche Jobs, die mir gerade nicht einfallen.)
Alle diese Arbeiten werden von den normalen Lehrern übernommen, nicht von den Mitgliedern der Schulleitung. Die haben selber ja noch weitere Aufgaben. Auch die Mitarbeiterinnen im Sekretariat übernehmen viele weitere Arbeiten, die ich vielleicht auch nochmal aufzählen werde.
Manche dieser Lehrerjobs kosten viel Zeit und Energie, andere wenig; manche sind mit Entlastungsstunden verbunden (so dass man eine oder auch zwei Stunden weniger pro Woche unterrichtet), andere nicht; manche machen Spaß, andere nicht; manche sind begehrt, andere nicht; manche sind beförderungsrelevant, andere nicht.
Welche Jobs mit wieviel Entlastung verbunden sind, das entscheidet die Schulleitung. Welche Jobs beförderungsrelevant sind, das legt das Kultusministerium fest. Beides hat häufig etwas damit zu tun, wieviel Arbeit oder Fähigkeit diese Jobs tatsächlich verlangen.
Laut Lehrerdienst- und Schulordnung gilt für die meisten dieser Jobs, dass kein Lehrer sie übernehmen muss. (Eine Ausnahme ist z.B. die Mitarbeit im Disziplinarausschuss.) Irgendwer muss die Sachen aber machen. Warum sollte man als Lehrer dieses Jobs übernehmen, wenn man es genauso gut nicht machen könnte – und dafür vielleicht seinen Unterricht besser vorbereiten könnte?
Welche Belohnungsmöglichkeiten hat die Schule, um diese Arbeiten zu honorieren? Da gibt es Anrechnungsstunden, so dass man weniger unterrichten muss. Davon gibt es aber auch nur begrenzt viele. Dann gibt es die Beförderungsrelevanz mancher Jobs. (Ohne solche Jobs kann man dereinst kein Studiendirektor werden. Es gibt nur wenige davon.) Danach wird die Luft auch schon dünn: Man kriegt dafür vielleicht mal einen Wahlkurs statt regulärem Unterricht. Man kriegt das Wohlwollen der Schulleitung, was immer eine gute Sache ist, auch wenn man sich in der Praxis nicht viel dafür kaufen kann. Außerdem kriegt man vielleicht eine besser Beurteilungsnote: Alle vier Jahre werden Lehrer am Gymnasium nämlich durch die Schulleitung bewertet. Und in diese Note fließen der Einsatz und die Bereitwilligkeit, solche Aufgaben zu übernehmen, sehr wohl ein. Diese Note spielt eine sehr große Rolle für das Selbstwertgefühl von Lehrern, die ja sonst kaum Feedback erhalten. In keinem Verhältnis dazu steht die tatsächliche Relevanz der Note: Ausreichende Leistungen vorausgesetzt, wird man unwesentlich schneller oder langsamer befördert und kriegt auch nicht mehr Geld. (Zudem wird der Notendurchschnitt pro Schule vom Kultusministerium vorgegeben; möglicherweise wird das aber in Zukunft geändert.)
Welche Bestrafungsmöglichkeiten hat die Schule, wenn Lehrer sich weigern, Aufgaben zu übernehmen? Einmal die oben angesprochene Note; in der Praxis kein sinnvolles Instrument. Außerdem noch: Entzug des Wohlwollens, so dass man auf keine Gefälligkeiten hoffen darf. Nicht dass es da so viele Möglichkeiten gäbe. Das war’s.
Kein Wunder, dass Schulleitungen immer mehr Schwierigkeiten haben, Kollegen zu finden, die all diese Aufgaben übernehmen.
Schreibe einen Kommentar