Es gibt seit zehn Jahren im Abitur „informierendes Schreiben“, meist in Form einer Eröffnungsrede oder eines Vorworts zu einem Ausstellungskatalog, mit Themen wie: „Das Unheimliche in der Literatur“ oder Faust. Dazu gibt es dann jeweils vier oder fünf Seiten Material, aus denen man sich einfach die interessanten Sachen heraussucht.
Es ist keine sehr beliebte Aufsatzsorte im Abitur und taucht dort auch nur alle paar Jahre auf – aber diesmal eben schon, so dass ich meinen Kurs darauf vorbereite. Das haben wir schon im letzten Schuljahr gemacht, aber zu einem Übungsaufsatz war es nicht gekommen, und ich wollte nicht gleich wieder mit Literaturgeschichte anfangen. Die habe ich letztes Jahr ganz lehrplankonform und wie immer mit dem Naturalismus abgeschlossen.
Die Aufgabe also, nicht genau in diesem Wortlaut:
- Recherchiere (im Computerraum, oder mit einem Tablet-Klassensatz), was die Walhalla ist, wie man reinkommt, und merke dir fünf Leute, die schon drin sind. Tipp: Wikipedia.
- Wähle einen Kandidaten oder eine Kandidatin für die Walhalla und sammle Informationen über ihn oder sie.
- Schreibe einen Aufsatz, in dem du entweder a) die Kandidat*in vorstellst und ihre Aufnahmeberechtigung begründest, oder b) eine Festrede zur erfolgten Aufnahme in die Walhalla schreibst.

Beispiele für Walhalla-Aufnahmereden habe ich so gut wie keine online gefunden, nur immer wieder Zitate daraus in verschiedenen Zeitungsbeiträgen. Eine Ausnahme ist die Festrede zur Aufnahme von Carl Gauß 2007, etwas mehr als doppelt so lang wie der entsprechende Abituraufsatz. Die kriegte der Kurs als Beispiel.
Hauptsächlich wird in dieser Textsorte informiert; das Material ist halt nicht gegeben, sondern muss selber recherchiert werden. Man muss aber auch argumentieren, denn die Entscheidung oder zumindest einzelne Aspekte bedürfen der Klärung. So etwa bei Sophie Scholl:
So meint Scholls Schwester Elisabeth Hartnagel, dass „Sophie die Hände über dem Kopf zusammenschlagen würde“ angesichts der Ehrung, zumal sie in der Tat nie „anders als die anderen“ innerhalb der Widerstandsgruppe hatte behandelt werden wollen.
Jörg Schallenberg in der taz

Denn: Wieso dann doch Sophie Scholl (2003)? Und auch zu Heinrich Heine (2010) kann man geteilter Meinung sein:
Es ist doch eine absolute Respektlosigkeit gegenüber einem toten Dichter, der sich nicht mehr wehren kann, wenn man ihn genau dahin bringt, wo er nie sein wollte. Das kann man ja aus seinem Werk ganz deutlich entnehmen. Die Walhalla verkörperte all‘ das, gegen was er sein ganzes Leben lang gekämpft hat. Mit allem, was ihm an Witz und Satire und Ironie zur Verfügung stand.
Bernd Kortländer, zitiert im Deutschlandfunk
Könnte so etwas im Abitur drankommen? Kann ich mir nicht vorstellen. Auf vier, fünf Seiten genug Informationen für einen sinnvollen informierenden Text? Das geht vielleicht; geht bei anderen Themen ja auch. Aber die politische Entscheidung dahinter… Bertolt Brecht? Franz Josef Strauß? Ohne schlechte Presse geht das so oder so nicht ab.
Ich habe mir schon mal die Namen der Kandidaten und Kandidatinnen geben lassen; an den Aufsätzen wird noch gearbeitet. Etliche Personen sind mehrfach nominiert, allein Willy Brandt dreimal.
- Emil von Behring
- Carl Benz
- Dietrich Bonhoeffer
- Willy Brandt
- Ludwig Erhard
- Sigmund Freud
- Richard Hamming
- Fanny Hensel
- Heinrich Hertz
- Franz Anton Hoffmeister
- Alexander von Humboldt
- Erich Kästner
- Robert Koch
- Max Planck
- Arnold Schönberg
- Clara Schumann

Im Kunstunterricht könnte man die passende Büste dazu entwerfen lassen. (Aber wahrscheinlich ist meine Vorstellung von Kunstunterricht etwas überholt.)
Nächste Schritte vielleicht: Shortlist, Diskussion, Entscheidung, Schokoladenverteilung.
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