Marie von Ebner-Eschenbach, Die Prinzessin von Banalien

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1. Vorgeschichte

Hier also noch eine zweite aus der PDF-Fraktur befreite Erzählung von Marie von Ebner-Eschenbach. (Siehe vorhergehenden Blogeintrag.) Der Titel war mir aufgefallen; ich mag Märchen und Geschichten, die so tun, als wären sie Märchen; „Banalien“ klingt nach Parodie oder Metafiktion. Die Erzählung ist dann aber nichts von alledem.

2. Inhalt und Kommentar

Sie beginnt wie ein Kunstmärchen; es geht wieder um eine Prinzessin, die verheiratet werden soll. Diesmal ist sie außerdem ein Feenkind mit einem magischen Dolch. Der tötet unfehlbar, wenn er in Angst oder Zorn verwendet wird; sein Verlust bedeutet allerdings Unglück. – Schon bald trifft die Prinzessin bei einem Ausritt im Wald einen schlafenden Jüngling, der sie fasziniert. Sie wirft ihren Dolch nach einer Schlange, die den Schlafenden wohl gerade beißen will, und tötet sie; danach flieht die Prinzessin zurück zu ihrem Schloss. (Einen gewissen Symbolismus kann man nicht leugnen.) Dort bemerkt sie den Verlust ihres Dolches, außerdem verzehrt sie sich in Liebe zu dem Fremden und lässt ihn im ganzen Land suchen.

Nach einem Jahr wird er gefunden. Er lebt eigentlich allein im Wald, wünscht sich als Belohnung für die Rückgabe des Dolches erst nur ein Pferd und ein Schwert und lässt sich dann überreden, auf dem Schloss zu bleiben. Er hat keinen Namen; die Prinzessin – selber übrigens namenlos – gibt ihm den Namen Abdul. Und sie versucht ihm in den nächsten Monaten näher zu kommen. Er bleibt eine Mischung aus Enkidu und John Clayton, Graf von Greystoke.

Dann kippt die Geschichte irgendwann. Die Bevölkerung ist unzufrieden mit dem Wilden; er ist undiplomatisch und eckt an und hat ungewohnte Tierwohl-Vorstellungen. Er wird gefangengesetzt; man fordert seine Hinrichtung, ein Mob plant womöglich, ihn umzubringen. Ähnlich wie im letzten Märchen verlässt der Held den Hof und geht zurück, zurück in die Natur, in seinen Wald, zu seinen Tieren. Aber diesmal geht die Prinzessin mit, ja, sie ermöglicht ihm erst die Flucht, flieht mit ihm durch Geheimtüren und unterirdische Katakomben und Tempel. Und wieder muss ich an Geschichten von Robert E. Howard denken, nur das Monster in der Höhle fehlt:

Die Prinzessin betrachtete aufmerksam beim flackernden Lichte der Nachtlampe die feinen Zeichnungen, sie schien zu prüfen, zu suchen. Nun berührfte sie den Kelch einer phantastischen Blume: langsam, unhörbar verschob sich die Wand, eine kleine Treppe in der Mauer wurde sichtbar und die Prinzessin betrat sie, während sich hinter ihr die Nische wieder schloß. […]

Zwei riesige Torflügel zogen sich bei jedem Schritte, den die Prinzessin ihnen entgegen tat, tiefer und tiefer in die Wände des Ganges zurück. Als sie dicht vor ihnen stand, waren sie völlig verschwunden. Und nun trat die Prinzessin mit Abdul in einen hohen, gewölbten Saal, dessen Wände erbaut waren aus selbstleuchtenden Steinen, die ringsum einen Glanz verbreiteten, weiß und kalt wie Mondenlicht. Ein Schauer durchfröstelte die beiden jungen Leute, und den Geliebten umschlingend, sprach die Prinzessin: „Ich breche den heiligsten Schwur, mein Abdul, indem ich dich einführe in diese wunderbaren Hallen. Kein menschlicher Fuß hat sie jemals betrefen als der der Könige dieses Landes. Von einem Fürsten auf den andern erbt sich das Geheimnis ihres Bestehens fort. Hier fanden die Könige Schutz in dringender Gefahr, hier verkehrten sie mit den Geistern, die einst vor tausend und tausend Jahren den Palast, den wir jetzt durchwandeln werden, für den Ahnherrn meines Stammes errichtet haben, dem einer ihrer Beherrscher das Leben gab. Hier beendete mancher meiner Vorfahren, müde der Kämpfe und der Taten, sein Dasein in geisterhafter Stille. Jeder lebendigen Nähe enfrückt, jeder irdischen Regung entfremdet, schlafen sie hier einen traumlosen Schlaf; sie denken nicht, sie fühlen nicht, sie leben den Tod.“ Abdul schauderte. Er sprach kein Wort, er hielt die Hand der Prinzessin fest in seiner Hand und eilte vorwärts. Der stille, leere, ungeheure Saal schien sich zu verlängern, schien zu wachsen unter ihren Füßen: je weiter sie kamen, desto weiter dehnte sich der Raum. Mit einem Male erhob sich vor den Wandernden eine vierfache Reihe majestätischer Alabastersäulen. Sie führte zu einer weiten Rotunde, in deren Mitte ein Grabmal stand aus dem reinsten, durchsichtigsten Kristall. Auf ihm ruhte ein König in schneeweißen Gewändern, mit marmorbleichem Antlitz und starren Augen, die Krone auf dem Haupte, den Zepter in der Hand.

Und am Ende geht das nicht gut aus, so fast mit echten Gefühlen.

Wieder eine unerwartete Geschichte von dieser Marie von Ebner-Eschenbach. Die Autorin ist wohl aus der Mode gekommen, mein alter Deutsch-Professor mochte sie anscheinend gar nicht, aber ich mochte den nicht, so there. Hier ein aktueller Aufsatz über sie.

3. Der Text

Ich habe auch eine Fassung als epub ohne langes ſ vorbereitet.

Die Prinzeſſin von Banalien

Es war eine mächtige Prinzeſſin in Banalien, die umworben wurde von vielen königlichen Freiern. Einer nach dem andern ſuchte ihre Liebe zu gewinnen; dieſer vertraute auf ſeinen Ruhm, jener auf ſeinen Geiſt, ein dritter auf ſeine Schönheit, ein vierter auf ſeinen Reichtum – aber vergebens, keinem gelang es, die Aufmerkſamkeit der Prinzeſſin auch nur im geringſten zu erregen.

Eines Tages ritten zehn Könige an der Spitze ihres glänzenden Gefolges betrübt aus dem Schloſſe. Sie hatten am Abend zuvor ihren Abſchied erhalten und zogen nun beim erſten Hahnenſchrei mit tief gebeugtem Mute von dannen. Die Prinzeſſin, froh, ihre läſtigen Freier los zu ſein, war ſchon am frühen Morgen in den Garten geeilt und blickte dem Zuge der Entlaſſenen nach. Freudig lachte ſie hell und laut, als ſie ihn immer kleiner, immer undeutlicher werden ſah: kaum erkennbar mehr die Farbe der wehenden Fähnlein und das Blitzen der vergoldeten Speere – nur noch eine Staubwolke, lang und grau, und nun auch dieſe verſchwunden.

Erſt jetzt wurde die Prinzeſſin recht übermütig. Sie ſprang und tanzte, als wäre ſie nicht ſechzehn, ſondern ſechs Jahre alt, und kein Märchen-, ſondern ein ganz gewöhnliches Fräulein. Dabei war ſie ſchön, wie es einem echten Feenkinde zukommt. Mit Augen ſo blau wie der Himmel und ſo tief wie das Meer ſchaute ſie in die Welt hinein, wie ein ſeidener Mantel umfloß ſie ihr blondes Haar, Hoheit ruhte auf ihrer Stirn und Reinheit verklärte ihr Angeſicht. Sie trug ein faltenreiches weißes Gewand, in deſſen Gürtel ein kleiner goldener Dolch ſtak, ein Geſchenk ihrer Mutter. Dieſe, eine Fee der dritten Kategorie, durfte laut Beſchluß der diamantenen Feenbulle, deren Geſetze ſo unverbrüchlich eingehalten werden, wie irgend welche, nicht öfter als alle drei Jahre und dann nur für drei Tage, drei Stunden und drei Minuten zur Erde niederſteigen, um ihre Tochter zu beſuchen. Der letzte Abſchied war der teuren Mutter der ſchmerzlichſte geweſen; mit tauſend und tauſend Küſſen und Tränen hatte ſie ſich von ihrem lieblichen Kinde getrennt und noch in der dritten Minute hatte ſie den Dolch aus ihrem Gürtel gezogen, in die Hände ihrer Tochter gelegt und, ſchon entſchwebend, ihr zugerufen: „Er tötet, was er, im Zorne, in der Angſt geſchleudert, trifft – bewahr’ ihn gut! – ſein Verluſt bringt unabſehbares Unglück – bewahr’ ihn gut!“ In dieſem Augenblicke freilich dachte die Prinzeſſin weder an ihre Mutter, noch an ihren Dolch. So glückſelig, wie ein junges Geſchöpf nur ſein kann, das nicht weiß, warum es glückſelig iſt, flog ſie über die Wieſe dahin, raſch wie der Pfeil vom Bogen, leichtfüßig wie die Gazelle. Da plötzlich hielt ſie inne, mitten im Laufe. Vor ihr im Graſe ausgeſtreckt lag ein junger Mann und ſchlief. Die Sonne brannte heiß auf ſein dunkles Geſicht, auf ſein ſchwarzes, wildgelocktes Haar; ſeine Lippen waren feſt geſchloſſen, die Augenbrauen trotzig zuſammengezogen. Er träumte, ſo ſchien’s, von Kämpfen, vom Schlagen oder Jagen, denn unruhig bewegte er ſich und ballte die Fauſt wie um den Griff eines Schwertes. Doch trug er kein ſolches an ſeiner Seite, ſondern nur ein ſchlechtes Meſſer in hölzerner Scheide. Ein roh geſchnitzter Bogen, ein Köcher mit Pfeilen lagen neben ihm. Seine Kleidung war ärmlich und aus groben Stoffen verfertigt. – „Ein rechter Vagabund!“ würde jeder Herr und jede Dame vom Hofe bei ſeinem Anblicke geſagt und ſich verächtlich weggewendet haben. Aber die Prinzeſſin ſtand wie verzaubert und ſah ihn mit ſcheuer und zugleich teilnehmender Neugierde an. Der finſtere Ausdruck ſeines Geſichtes gefiel ihr, er bildete einen wohltuenden Gegenſatz zu dem ewig lächelnden Grinſen ihrer Höflinge. Böſe freilich ſah der Schläfer aus, oder war es vielleicht nur ſein Traum? … Wer weiß, er iſt’s am Ende doch ſelbſt – und nun wurde ſie von Angſt erfaßt. „Himmliſche Mächte, laßt ihn nicht erwachen!“ … Sie wollte fliehen und konnte nicht, ihr war, als ſei ſie feſtgewurzelt an den Boden, als müſſe ſie hier weilen Tage und Tage … Da raſchelte es im Graſe – leiſe kam’s herangekrochen, leiſe und ſchnell, und plötzlich wand eine Natter ſich um den Arm, den der Jüngling über ſeinem Haupte ausgeſtreckt hatte. Mechaniſch ſchlug er gegen den Grund, um ſie abzuſchütteln, ſie ziſchte, ſchon ſtreckte ſie das Zünglein aus dem Rachen hervor, ſchon ſenkte ſie den Kopf zum tödlichen Biſſe – da ſchleuderte die Prinzeſſin ihren Dolch, unſicher, faſt ohne zu zielen, doch die Zauberwaffe traf. Geſpießt an den Boden lag die Schlange, und atemlos, hochklopfenden Herzens, rannte die Prinzeſſin nach dem Schloſſe zurück.

Hier befand ſich alles in grenzenloſer Beſtürzung. Fünf Minuten länger als gewöhnlich war die Herrſcherin weggeblieben und ebenſo lange ſtand bereits die ganze Staatsmaſchine ſtill. Als die Prinzeſſin erſchien, lebten ihre Getreuen wieder auf. Man umdrängte ſie, jeder wollte ſeinen Befehl zuerſt empfangen, denn jeder ſah die Ausübung ſeiner Tätigkeit als die unerläßlichſte Bedingung zum Fortbeſtande des Reiches an. Die junge Monarchin regierte heute etwas konfus, verwechſelte Namen, Titel, Würden und Perſonen, und es kamen höchſt merkwürdige Ernennungen zuſtande. Da jedoch in einem ordentlich organiſierten Staate das Amt ſeinem Mann den nötigen Verſtand mitbringt, ſo hatte die Zerſtreutheit der Prinzeſſin keine allzu ſchlimmen Folgen.

Als ſie nach vier tödlich langen Stunden matt und erſchöpft aus dem Saale des Konſeils kam, um ſich zum Hofgabelfrühſtück zu begeben, trat ihr die Oberſthofmeiſterin entgegen und meldete, daß die dienſthabende Kammerfrau entlaſſen worden ſei, weil dieſelbe, wie bereits mehrere Hofchargen mit ehrfurchtsvollem Schrecken wahrgenommen, vergeſſen habe, Ihrer Hoheit den ſtets zu tragenden Dolch, das letzte Geſchenk von allerhöchſtderen Mama, anzulegen.

Die Prinzeſſin wurde purpurrot, ſie wollte der alten Dienerin erklären, wohin der Dolch gekommen ſei; ein Gefühl, von dem ſie ſich keine Rechenſchaft zu geben verſtand, hielt ſie davon ab; eine nie gekannte Verwirrung bemächtigte ſich ihrer und wurde mit jeder Minute peinlicher. Alle Augen waren auf ſie gerichtet, Erſtaunen malte ſich auf allen Angeſichtern, ſie ſah es, oder glaubte es zu ſehen. „Die Kammerfrau bleibt!“ rief ſie endlich und ging vorüber.

An dieſem Tage bot ſich, ſo ungeduldig ihn auch die Prinzeſſin erſehnte, kein Augenblick, in dem es ihr möglich geweſen wäre, ſich loszuringen von ihren Herrſcherpflichten und in den Garten zu eilen. Erſt am nächſten Morgen nach einer peinvoll durchwachten Nacht konnte ſie die Stelle wieder aufſuchen, an der ſie geſtern den Schläfer gefunden und ihren Dolch – ah, mehr als ihren Dolch! – verloren hatte. So ſicher, als ſei es unmöglich, es zu verfehlen, ſchritt ſie auf ihr Ziel los. Und wirklich, ſie hatte den Weg gut getroffen, mitten durch die Wieſe. Hier war’s. Deutlich ließ ſich im geknickten Graſe die Stelle erkennen, wo der Fremde geruht hatte, und da lag auch noch die tote Schlange. Aber die Zauberwaffe fand ſich nicht und – ſonderbar, der ſchwere, unheildrohende Verluſt ließ die Prinzeſſin faſt gleichgültig,

Sie hatte ſich’s wohl nur eingebildet, daß ſie gekommen war, um ihren Dolch zu ſuchen. Was lag an ihm? was an zukünftigem Unglück? – Sie glaubte plötzlich zu erkennen, daß alles, was ſie bisher gewünſcht oder gefürchtet, kindiſch und erbärmlich geweſen; jetzt erſt ſei in ihr Leben etwas Großes, Wichtiges getreten, wert, darüber zu jubeln, wert, darum zu leiden. Sie kniete nieder und ſtrich ſanft mit der Hand über den Raſen, auf dem das Haupt des Jünglings gelegen. Noch zitterte ihr Herz in der Erinnerung an die mit Bewunderung gemiſchte Furcht, die ſein trotziges Geſicht ihr eingeflößt hatte, dann dachte ſie an ſeine dürftigen Gewänder. „Er iſt arm, ſprach ſie zu ſich ſelbſt, und zu der hochgeſpannten Teilnahme, die ſie empfand, geſellte ſich das allbezwingende, unwiderſtehliche Mitleid, dieſes tyranniſche Gefühl, das die weichſte Seele am härteſten ergreift und zur willenloſen Sklavin deſſen macht, für den ſie es empfindet. Stunden vergingen. Die Oberſt-hofmeiſterin erſchien und wagte noch einmal des Dolches Erwähnung zu tun. Die Prinzeſſin erhob ſich: „Ich habe ihn verloren,“ ſprach ſie.

Da entſtand kläglicher Jammer und großes Geſchrei und es ging an ein angſtvolles Suchen. Hundertjähriger Staub wurde aufgewirbelt, kein Winkelchen blieb undurchwühlt. Als ſich im Schloſſe nichts fand, wurden im Garten Nachforſchungen angeſtellt. Sämtliche Bewohner des Landes waren auf den Beinen; im Neſte des Vogels, im Wipfel des Baumes, im Bau des Maulwurfs wurde geſucht. Umſonſt, allumſonſt! –

Die Prinzeſſin ſah dem Getreibe ſchweigend zu und verriet ihr Geheimnis nicht, ſie verfiel in tiefe Melancholie.

Ihren Lieblingsplatz im Garten verließ ſie faſt nimmermehr. Als die Lüfte begannen rauher zu wehen, befahl ſie, über der Stelle, an der ſie den Schläfer getroffen hatte, einen Tempel zu errichten. Goldene Säulen trugen ſein kriſtallenes Dach, durch das die Sonne ſchien und unter deſſen Schutz der Raſen ſich friſch und grün erhielt, als gäb’ es einen ewigen Sommer. Dort ruhte ſie und träumte, während der Hofſtaat vor Langweile verzweifelte.

So verging das traurigſte Jahr, deſſen ſich die älteſten Banalier erinnerten, als plötzlich eine Kunde die Hauptſtadt durchflog, die alle Gemüter in Bewegung ſetzte. Es hieß, ſämtliche Räte des Hofes und Abgeordnete des Volkes hätten Befehl erhalten, ſich im großen Thronſaale zu verſammeln. Auf dem Markte wurde feierlich verkündigt: die Prinzeſſin werde heute um zwölf Uhr mittags eine Rede halten, die zu hören alle ihre Untertanen geladen ſeien.

Der Zudrang war – wer zweifelt daran? – ein außerordentlicher, die Spannung ungeheuer. Als die anberaumte Stunde ſchlug, erſchien die Prinzeſſin. Sie war ſehr bleich, aber alle Dichter ſchwuren, ſie ſei niemals ſchöner geweſen, und Almanſor, der Hof-Sonetttiſt, verglich ſie mit einer weißen Roſe, ein Bild, das der Generalpächter der Landeskritik für ebenſo neu als treffend erklärte. Genug, die Prinzeſſin erſchien. Mit um ſo ſtürmiſcherem Jubel empfangen, als ſie ſich jede laute Freudensbezeugung bei ihrem erſten öffentlichen Wiederauftreten verbeten hatte, beſtieg ſie den Thron und ſprach alſo:

„Große und Kleine meines Reiches!
Meine Lieben und Gefreuen!
Mein gutes Volk!

Eure Bemühungen, mir das Kleinod wieder zu gewinnen, deſſen Verluſt mein Wohl und demnach auch das Eure bedroht, ſind leider ohne Erfolg geblieben. Ich habe beſchloſſen, ein kräftigeres Mittel, als alle bisher verſuchten, zu ſeiner Auffindung anzuwenden, und ſo befehle ich denn: Tauſend Herolde ſollen zu Pferde ſteigen und das ganze Land durchreiten. Sie ſollen es verkünden in allen Städten, ſie ſollen es ausrufen in jedem Dorfe, vor jeder einzeln ſtehenden Hütte, durch Wald und Flur, durch Tal und Hain: Der mir meinen Dolch wiederbringt, und wäre es der letzte meiner Untertanen, empfangen will ich ihn hier vor Euch: – und angetan mit allem Glanze der Majeſtät, mit der Krone auf meinem Haupte und dem Zepter in meiner Rechten, will ich das Knie vor ihm beugen, als vor meinem Erretter und dem Erretter meines Volkes.

Und was ſein Herz wünſchen, ſeine Phantaſie erſinnen kann, es ſoll ihm gewährt ſein.

Das ſchwöre ich und alſo ſoll’s geſchehen! –“

Mit dem ſtillen Dahinträumen der Prinzeſſin war es nun vorbei. In fieberhafter Aufregung durchwanderte ſie die Säle des Palaſtes, ſtieg wohl zwanzigmal des Tages auf den Turm, um zu ſehen, ob ſich kein Zeichen erblicken laſſe, das die Rückehr ihrer Boten verkünde, oder ließ ſich ein Pferd vorführen und jagte wie raſend über Stock und Stein, einem, ihr ſelbſt wie allen andern unbekannten Ziele zu. Manchmal riß ſie ihren Renner im tollen Laufe plötzlich zuſammen, daß er ſich hoch aufbäumte, wendete um und ritt heimwärts, langſam, mit tiefgeſenktem Haupte. Manchmal wieder ſprang ſie aus dem Sattel, warf ſich auf den Boden nieder, begrub den Kopf im Mooſe und weinte, weinte, weinte! Bald wurden Feſte angeordnet, Fröhlichkeit ſollte herrſchen, Muſik erklingen, bald wieder mußte es totenſtill in allen Räumen des Schloſſes ſein, jeder Lauf war der Prinzeſſin ein Greuel, ein Schmerz. Die Not ihrer Umgebung wuchs ins grenzenloſe, das Unerſchöpflichſte, das es gibt, die Schranzengeduld, war erſchöpft bis auf das vorletzte Tröpfchen.

Als die Entmutigung den höchſten Grad erreicht hatte, ſchlug endlich die Stunde der Erlöſung. Vor Tagesanbruch weckte ſchallendes Glockengeläute die Bewohner der Reſidenz aus ſüßen oder ſchweren Träumen. Ein roter, feuriger Ball, das für den Türmer beſtimmte Zeichen glücklicher Botſchaft, ſchwebte flammend in den Lüften. In einem Nu war die ganze Stadt beleuchtet und die Bevölkerung auf den Beinen. Im Schloſſe entſtand ein Gewoge, das eines jeden Verſuchs, es zu beſchreiben, ſpottet. Das ſturmgepeitſchte Meer iſt im Vergleiche damit das Geſicht eines ſchlafenden Kindes. Bald prangte das Königshaus in feſtlichem Glanze. Weit geöffnet ſtanden die Pforten des Thronſaales, die Marmortreppe, die zu ihm emporführte, war mit Purpurteppichen belegt, auf jeder Stufe hielten ſich, unbeweglich wie Statuen, zwei rieſige Ritter in goldener Rüſtung. Eine Armee von prächtig gekleideten Jägern, Mohren, Falkonieren, Pagen, Lakaien, erfüllte den Vorhof; dreißig Weiße-Elefanten-Garderegimenter bildeten Spalier, Muſikbanden, hoch zu Kamel, jeder einzelne Muſikant ein weltberühmter Blechiſt, ſtellten ſich vor dem Schloſſe auf. Die Zünfte kamen zu Fuße, die Studenten auf ausgeliehenen Roſſen, die Profeſſoren auf Steckenpferden aus den eigenen Marſtällen, alles in bunten, von Goldſtickereien, Schmuck und Juwelen glänzenden Gewändern.

Aber nun – Zymbelklang und Poſaunenſtoß; die Prinzeſſin verließ ihre Gemächer, um ſich in den Thronſaal zu begeben. Die feierlichen Klänge der Volkshymne ertönten, mächtig anſchwellend, durch die Lüfte, und, als hätte ſie nur dieſes Augenblicks gewartet, um auch ihre leuchtenden Boten zu dem Feſte zu entſenden, flammte die Sonne am Horizonte auf und überflutete die Erde mit den Strahlen ihres lebenſpendenden Lichtes. Von den Bergen indes kam’s gebrauſt wie ein ſtürzender Strom. Mit wehenden Fahnen jagten die Herolde auf ihren getigerten Roſſen daher und hinter ihnen zu Tauſenden und Tauſenden die Bergvölker und die Bewohner der Täler.

Allen andern voran ſprengte ein Herold und rief: „Das Kleinod iſt gefunden, von einem Bettler gefunden!“ und von Mund zu Mund lief die Kunde.

„Einen Bettler nennen ſie ihn?“ dachte die Prinzeſſin und blickte um ſich. Und all die unermeßliche Pracht, die ſie umgab, all der königliche Glanz, in dem ihr Haus erſtrahlte, erſchienen ihr wie hohles Gepränge, zu gering, um ihn würdig zu empfangen, den – Bettler!

Schon ritt, fröhliche Fanfaren blaſend, der Zug der Herolde ein in die Avenue, an ſeiner Spittze ein Jüngling, dem alles Volk zurief und der ſchweigend und finſter hinein ſah in das lärmende Gewühl. An der Treppe angelangt, ſprang er von ſeinem Pferde und ſtreichelte liebevoll den Hals des edlen Tieres, von dem er ſich ungern zu trennen ſchien. Dann ſtieg er raſch die Stufen hinan, dem Saale zu, in welchem, im Gegenſatze zu dem Schreien und Toben vor dem Palaſte, atemloſe Stille herrſchte, Mit demſelben Blick, wie früher die Menge, überſchaute er die ſchimmernde Verſammlung der Höflinge und ging, ohne einen Augenblick zu zögern, ohne das Haupt zu beugen, ruhig und feſt auf die Prinzeſſin zu. Sie aber bebte an allen Gliedern und ihr Herz jubelte: „Er iſt’s!“ und ihr Herz zitterte: „Er iſt’s!“

Vor dem Throne angelangt, zog er den Dolch aus ſeinem Gürtel: „Hier haſt du deinen Dolch ſprach er – „ich fand ihn…“ Die Prinzeſſin fiel ihm ins Wort: „Still,“ flüſterte ſie, „wie du ihn fandeſt, weiß ich,“ – „Und weißt du auch, wer die Schlange getötet hat? Warſt du’s?“ – „Ich war’s,“ – „Dann habe Dank.“ – „Empfang’ den meinen erſt,“ rief ſie und ſtieg von ihrem Throne und beugte das Knie – „alſo hab’ ich gelobt, ihn dir zu bringen!“

Die Garden präſentierten, alle Häupter neigten ſich beinahe bis zur Erde, er aber, dem dieſe Huldigung galt, nahm ſie mit vollkommenem Gleichmute hin. „Mir Dank? weil ich das kleine Spielzeug da zurückgebracht?“ fragte er, wandte ſich und wollte gehen. „Bleib’!“ befahl die Prinzeſſin: „bleib’, und gib Antwort. Wer biſt du?“

„Ich bin ein Menſch.“

– „Deine Eltern?“

„Die kenne ich nicht.“

-– „Dein Name?“

„Ich habe keinen.“

– „Wie wuchſeſt du auf?“

„Weiß nicht – vielleicht hat eine Löwin in der Wüſte, vielleicht eine Hirſchkuh im Walde mich geſäugt.“

– „Wie lebſt du?“

„Ich wandere und jage.“

– „Wo biſt du daheim?“

„Überall und nirgends.“

– „Du wohnſt in keinem Haus?“

Er lachte: „Die Welt iſt mein Haus, der Wald iſt mein Lager, der Quell erquickt, der Dattelbaum ernährt mich.“

Die Prinzeſſin ſah ihn mit immer ſteigender Verwunderung an. Wie ſeltſam war er, wie ganz anders als alle, denen ſie bisher begegnet, und wie gut ſtand es ihm, ſo ganz anders zu ſein. Wie frei, wie ſtolz erſchien er ihr, wie fühlte ſie es mit zugleich ſcheuer und freudiger Verwirrung, daß hier ein Menſch vor ihr ſtand, dem die Fürſtin nichts zu geben hatte. Und nicht im Tone der Huld, im Tone der Bitte ſagte ſie:

– „Haſt du keinen Wunſch?“

„Nein,“ klang die raſche Antwort.

– „Beſinne dich recht. Niemand iſt wunſchlos.“

„Nun denn,“ ſprach er, „ein Schwert, wie dieſe Männer es tragen, möcht’ ich wohl.“ Und er deutete auf die Garden, die regungslos den Thron umſtanden. Die Prinzeſſin winkte, ein Schwert wurde gebracht, ſie reichte es ihm. Freudig ergriff er es und prüfte ſeine blanke Klinge.

– „Du haſt zu wenig gefordert, fordre mehr,“ ſagte die Prinzeſſin.

„Zu wenig?“

– „Fordre mehr.“

Dieſes Mal beſann er ſich nicht lang, er rief: „Schenke mir das Pferd, das deine Boten mich beſteigen ließen, als ſie mich fanden, das gute Pferd, das mich hierher gefragen hat!“

– „Es iſt dein.“

Er jubelte: „Ich danke dir!“ und wollte fort. Sie aber ſagte: „Du haſt ein Schwert, willſt du’s nicht führen lernen? Du haſt ein Pferd, willſt du’s nicht lenken lernen, kunſtvoll, wie’s dem Manne ziemt?“

„Ich will; das will ich!“

Ganz verklärt erſchien das Angeſicht der Prinzeſſin. Mit ſüß bewegter Stimme fuhr ſie fort:

„Du Heimat- und Namenloſer, ein Daheim will ich dir ſchaffen und nennen will ich dich, – Abdul ſollſt du heißen. Deine Luſt iſt die Jagd; du ſollſt an der Spitze eines reich ausgerüſtefen Gefolges den Löwen erlegen, den Tiger, die Hyäne. Dich freut ein Schwert, ein Roß – die koſtbarſten Waffen ſollen dich schmücken, die edelſten Pferde dich tragen. Sieh dich um in meinem Hauſe: was mein iſt, iſt dein: wähle und nimm! Gebiete allen, die mir dienen, du biſt ihr Herr!“

Und nun wandte ſich die Prinzeſſin den Umſtehenden zu: „Dieſer Tag ſoll ein Tag des Glückes ſein meinem ganzen Volke. Meine königliche Gnade erringt, wer mir einen Ehrgeiz nennt, den ich befriedigen, ein Verdienſt, das ich belohnen, vor allem aber einen Schmerz den ich heilen kann. Herbei, herbei, die leiden und die darben! Jeder Bittende iſt mein Freund, jeder Hungernde iſt mein geehrter Gaſt. Entlaßt mir keinen unbeſchenkt und unbeglückt! Bis an die fernſten Grenzen meines Reiches ſoll in Fülle ſtrömender Segen ſeinen Bewohnern verkünden, daß ihrer Fürſtin unermeßliches Heil widerfahren iſt. O, hätte mein Volk nur ein Herz, damit ich es leichter beſeligen könnte!“

Dieſen verheißenden Worten folgte die Tat auf dem Fuße. Alle Hungernden aßen, alle Durſtenden tranken, jeder Arme verwandelte ſich in einen wohlhabenden Mann, wer Troſt annahm, wurde getröſtet, unerſchöpflich war die Gnade der Prinzeſſin.

Abdul wurde in die prächtigſten Gemächer des Palaſtes gebracht, die ihm fortan zur Wohnung dienen ſollten, man hüllte ihn in köſtliche Kleider, die höchſten Würdenträger am Hofe buhlten um ſeine Gunſt. Er lernte fechten und reiten und übertraf bald in beiden Künſten ſeine berühmten Lehrmeiſter. Was er jedoch nicht lernte, das war, ſich den Geſetzen der Etikette zu fügen, eine Anrede anzuhören, einen Beſuch zu empfangen, einen Gruß zu erwidern oder gar ruhig bei der Tafel zu ſitzen. War er der Waſſenübungen müde, ſo beſtieg er ein Pferd und ritt in den Wald; oder er ſprang in einen kleinen Nachen und ließ ſich forttragen von dem gewaltigen Strome, der hart am Fuße des Schloſſes vorüberfloß. Sehr oft blieb er tage- und wochenlang fort. Dann ging die Prinzeſſin umher wie im Traume und bangte und ſorgte um ihn. Kam er endlich, ſo ließ er ſich kaum ſehen und war auch gleich wieder verſchwunden. Die Luft im Palaſte drückte, die Mauern beengten ihn. Die Höflinge, die vor ihm krochen, würdigte er keines Blickes, die erfinderiſchen Aufmerkſamkeiten der Prinzeſſin bemerkte er kaum, und wenn er ſie bemerkte, ſo ließen ſie ihn kalt oder weckten ſeinen Unwillen. Ihm gegenüber entfaltete ſie ihre Anmut und Liebenswürdigkeit vergeblich, ohne Einfluß auf dieſes Kind der Freiheit blieb die ſonſt Unwiderſtehliche.

So gleichgültig ſich Abdul gegen die Menſchen verhielt, ſo ſehr liebte er die Tiere; ſo wenig die Werke der Kunſt und der Glanz des Reichtums auf ihn wirkten, ſo völlig ſtand er unter dem Zauber der Natur. Es ſchien, als ſei er inniger mit ihr verwandt, als die gewöhnlichen Erdenſöhne.

Zu ihm redete die Blume im Dufte und der Sturm in ſeinem Brauſen mit vernehmlichen Akzenten. Die Vöglein flogen ihm zu, das ſcheue Reh folgte ſeinen Spuren. – Einmal kam er, blutend, mit zerfleiſchter Bruſt, und trug in ſeinen Armen eine kleine Ankilope, die er einem Tiger aus den mörderiſchen Tatzen geriſſen. Seiner Wunden nicht achhtend, verband er die des verletzten Tieres. Die Prinzeſſin ſah ihm zu und dachte: „O, nur einmal mir ein Teilchen von der Güte und Geduld, die er an dieſes vernunftloſe Geſchöpf verſchwendet, und ich wäre die glücklichſte Prinzeſſin der Welt.“

Um ihm einige Stunden nahe ſein zu können, folgte ſie ihm auf die Jagd. Auch hier griff er nur an, um zu verteidigen. Retten, befreien war ſein Zweck, einen Krieg führen für den Schwachen gegen den Starken; zu beſchützen zog er aus. Und wie ſiegreich gelang es ihm! Sein nie verfehlender Pfeil holte den Adler und den Geier aus den Lüften, ein Stoß ſeines Dolches ſtreckte das Raubtier zu Boden. Schöner als je erſchien er der Prinzeſſin im Kampfe, in ſeinem tollkühnen Mute, ſeiner todverachtenden Luſt an der Gefahr. Ihre grenzenloſe Liebe verriet ſich in jedem Blicke, jeder Miene – ihre Liebe und ihr Leid. Sie klagte nicht, aber ſie ſchwand dahin. Selbſt diejenigen, die ihre törichte Leidenſchaft am härteſten verdammten, konnten ſich des Mitleids mit ihr nicht erwehren.

Wieder war ein Freier erſchienen – der edelſte König der Erde, ein Fürſt, wie es, außer im Märchen, keinen gibt. Voll Großmut und Weisheit, beſcheiden, weil er ſtolz, milde, weil er ſtark war, ein tapferer Held und ein wohlwollender Menſch. Die Verehrung der Guten, der Haß der Schlechten, die Bewunderung der Geſcheiten und die Verleumdungen der Dummen, mit einem Worte, alles, was einem Manne zur Verherrlichung dient, wurde ihm zuteil. Die Prinzeſſin behandelte ihn nicht ſo wegwerfend wie ihre früheren Freier. Sie empfand bald, daß er ſie liebe, nicht ihre Güter, nicht ihre Macht. Geſchah es bewußt oder unbewußt? – niemals war ſie dem König freundlicher als in Abduls Gegenwart.

Da begab es ſich, daß zur Feier irgend eines Feſttages in Banalien ein großes Gaſtmahl bei Hofe abgehalten wurde. Der König ſaß zur Rechten der Prinzeſſin, die ſtill und in ſich gekehrt ſeine Bemühungen, ſie zu erheifern, mit erzwungenem Lächeln belohnte. Plötzlich erbleichte ſie und erbebte. Abdul war eingetreten. Sie hatte ihn am Morgen im Kahne fortfahren geſehen und ſeine Rükehr heute niht mehr erwartet. Wie ein Blitz durchzuckte ſie der Gedanke: „Beunruhigt ihn des Königs Anweſenheit?“ – Ihr Götter! wenn er fürchten konnte, ſie zu verlieren, wenn ſie ihm nicht ſo gleichgültig wäre, als er ſich den Anſchein gab? – Eine unbeſchreibliche Seligkeit durchſtrömte ſie, und mühſam nach Faſſung ringend, wies ſie ihm einen Platz ihr gegenüber an der Tafel an. Sie rafſte ihren ganzen Mut, ihre ganze Kraft zuſammen, ſie ſprach munter und fröhlich, ihre ſchönen Züge belebten ſich, ihre Augen glänzten. Der König gab der Bewunderung, die er empfand, beredte Worke – wie glücklich war er, als ſie freundlich aufgenommen wurden! Die heitere Stimmung des hohen Paares teilte ſich alsbald den ergebenen Schranzenſeelen mit. Alles lächelte. Bedeutſame Blicke wurden gewechſelt, flüſternd raunte man einander zu: „Er gefällt, er ſiegt! Heil uns! Bald werden wir einen König haben und kleine höchſtgeborne Prinzchen!“ Unbefangen blieb nur Abdul. Die Oberſthofmeiſterin, die ihn durch ihre ganz beſondere, wenn auch bisher ſorgſam verborgene Verachtung auszeichnete, konnte ſich die Genugtuung nicht verſagen, ihm mit ihrer Kröfenſtimme zuzuquäken, indem ſie auf den König deutete: „Der wird unſer Herr!“ Das feine Ohr der Prinzeſſin vernahm dieſe Worte, ſchüchtern richtete ſich ihr Auge auf Abdul, – Ah! es traf ein ruhiges, nicht die geringſte Erregung verratendes Angeſicht. Die Oberſthofmeiſterin gab ſich nicht zufrieden. „Was würden Sie dazu ſagen?“ fuhr ſie fort. „Nun, daß mich’s freut,“ erwiderte er kaltblütig und ſchnellte den Kern der Dattel, die er eben gegeſſen hatte (er berührte kein anderes Gericht), mit ſolcher Kraft und Kunſtfertigkeit gegen die Pfauenfeder, die ein Trabant ſenkrecht aufgeſtellt auf ſeiner Mütze trug, daß ſie zuſammenknickte.

Die Prinzeſſin hob plötzlich die Tafel auf. Sie befand ſich unwohl, ſie wünſchte allein zu ſein. Betrübt zog ſich der König zurück, und die Hofleute beklagten laut – freilich erſt, als ſie vor der Türe ſtanden – die etikettewidrige Art, in welcher er verabſchiedet worden war.

Froh, wenigſtens ihren Tränen freien Lauf laſſen zu können, trat die Prinzeſſin auf die Terraſſe hinaus.

Es war eine wunderſchöne Sternennacht.

Der Mond ſtand über den Bergen, deren phantaſtiſch geformte, felſengekrönte Gipfel ſich glänzend, wie geſchmolzenes Silber, abhoben von dem dunkelblauen Horizont.

Nicht ein Wölkchen ſegelte in den Lüften, nicht ein Blatt zitterte an den Bäumen, – regungslos die ganze Natur, kein Ton, kein Schall, nur das Rollen des Stromes über ſein ſtufenartig abfallendes Bett wie ein ſchweres Atmen in der majeſtätiſchen Stille. Die Prinzeſſin blieb lang in dumpfem Sinnen verſunken, endlich erhob ſie das Auge zum ſternenbeſäeten Himmel. „Schweigende Sterne,“ ſprach ſie, „nennt man euch? O, ihr habt Stimmen, ſehnſuhtweckende Stimmen. Wär’ euch doch auch die Macht gegeben, Sehnſucht zu lindern! Aber ihr ſeid ohnmächtig in eurer Herrlichkeit – ein Menſchenauge hat mehr Gewalt als die Millionen eurer funkelnden Lichter. Ein Blick vermöchte, was all euer Glanz nicht vermag – mich zu tröſten! – Unendlicher als ihr iſt mein Leid. Die Unermeßlichkeit, die euer Anblick nur ahnen läßt, ich trage ſie in meiner eigenen Bruſt. Ach, und auch die grollende Frage: Dieſe Welten, geſchaffen – wozu? geſchleudert – nach welchem Ziel? Dieſe ganze Schöpfung, warum ſo göttlich ſchön, wenn in ihr die Herzen brechen?“ Alſo klagte die Prinzeſſin. Da kniſterte es im Sande – vom Garten her näherten ſich raſche, leichte Schritte – Schritte, die ſie aus Tauſenden erkannt hätte. – „Abdul!“ rief ſie, und er ſtand vor ihr. „Was willſt du? Du weinſt?“ – Er ſetzte ſich neben ſie, zog ihr die Hände vom Geſicht und bat ſie zärtlich und ſanft, wie er ſich ihr nie gezeigt hatte, zu reden, ihm ihr Leid zu klagen. Als aber die Prinzeſſin immer heftiger ſchluchzte, wurde er ungeduldig. „Was riefſt du, wenn du mir nichts zu ſagen haſt?“ zürnte er und wollte ſich erheben. Sie aber ſchlang beide Arme um ſeinen Hals. – Ich weine, weil ich leide.“ – „Durch wen? Nenn ihn mir. Er foll nicht leben, der dich leiden macht. Ich will ihn töten.“ – Sie mußte lächeln mitten unter Tränen. – „Das wäre das Schlimmſte, das du tun könnteſt, denn ich liebe ihn. – „Wie kannſt du den lieben, der dich leiden macht? Wie kann das ſein?“ – „Wie es ſein kann, weiß ich nicht, aber es iſt – und der mich leiden macht, und der, den ich liebe – biſt du.“ – „Ich bin’s?“ Er drückte ihren Kopf an ſeine Bruſt und küßte ihre Stirne. „O du törichte Prinzeſſin, dann weine nicht. Wenn du mich liebſt, will ich dich wieder lieben.“ – „Willſt du, Abdul? ganz ſo, wie ich dich, innig? ewig?“ – „Was innig, was ewig! Glühend und heiß!“ Und er umfaßte ſie mit ſo wilder Leidenſchaft, daß ſie im Innerſten erbebte. Sie rang ſich los, aber nur, um von neuem in ſeine Arme zu ſinken.

„Noch einmal ſage mir, daß du mich liebſt,“ bat ſie, „daß ich dein bleiben ſoll fürs ganze Leben, du mein Gatte, mein Herr!“

„Nicht dein Gatte, nicht dein Herr: – dein Freund bin ich, dein Liebſter.“

„Nicht mein Gatte? Du willſt mir nicht angehören vor Gott und den Menſchen, willſt nicht König ſein?“

Er lachte hell auf. „Nein, ich will nicht König ſein!“ – „Warum?“ fragte ſie angſtvoll; „Abdul, warum?“ – „Weil ich mich nicht euren Gebräuchen fügen, nicht eure Straßen wandeln kann, weil ich nicht atmen kann in euren Stuben, nicht ruhen unter euren Dächern. Weil ich frei ſein muß wie der Adler in der Luft, wie der Löwe in der Wüſte!“

Die Prinzeſſin hatte ſich erhoben. Eine zürnende Göttin ſtand ſie vor ihm. Feuerfunken ſprühten aus ihren Augen, bittere Verachtung zuckte um ihren Mund, – „Sei wahr mit mir,“ befahl ſie mit gebieteriſcher Stimme. „Du liebſt mich nicht, geſteh’s und laß uns ſcheiden.“

Das volle Licht des Mondes fiel auf ihre hochaufgerichtete Geſtalt. Herrlich erſchien ſie dem Jüngling in ihrem Zorne, in ihrem mutig niedergeſchlagenen Schmerz.

„Scheiden? O nein! nein!“ rief er und ſprang auf, und ſie ſtanden einander gegenüber mit pochenden Herzen und brennenden Wangen; ſie, ihm grollend zum erſten Male – er, zum erſten Male ergriffen von der Macht ihrer glanzvollen Schönheit.

Die Prinzeſſin wandte ſich, „Bleibe!“ ſprach Abdul trotzig flehend, und als ſie dennoch weiter ſchritt, wiederholte er: „Bleibe!“ und drückte ſie mit Gewalt an ſeine Bruſt; ſie entwand ſich ihm: „Zurück!“ gebot ihr finſterer Blick, ihre abweiſende Gebärde. Er aber umſchlang ſie nur um ſo glühender: „Bleib’!“ rief er, „Bleib’ bei mir! … Sagte ich dir nicht ſchon – wenn du mich liebſt, will ich dich wieder lieben?“

Unter ſeinen Küſſen ſchwanden ihr Groll und ihr Stolz dahin.

„Ich Törin, die wähnte – nur einen Augenblick –, daß ich mich je von dir losreißen könnte! Du liebſt mich?“ ſprach ſie, „wiſſe, auch wenn du mich nicht liebteſt, ich bliebe dein. Sieh, ich will dich nicht feſſeln, nicht binden, du aber gebiete über mich, ſei frei und laß mich deine Sklavin ſein.“

Vernahm er ihre Worte? Verſtand er ſie? Wußte er, was ſie ihm angelobte? So gut hört und verſteht der Sturm die Sprache der Palme, die er bricht in gedankenloſer Luſt.

***

Hoffen und verzweifeln, warten, ſich ſehnen, tagelang, wochenlang, und dann ein flüchtiges Erblicken, ein raſcher Kuß, eine heiße Umarmung, der nur zu oft ein kühles Scheiden folgte – und wieder hoffen und verzweifeln, warten und ſich ſehnen – das war von nun an das Leben der Prinzeſſin. Der König, kaum minder unglücklich als ſie, hatte ſeinem Gefolge wiederholt den Befehl zum Aufbruch gegeben und wiederholt ihn wieder zurüfgenommen. Die Prinzeſſin war völlig unfähig, hatte auch nie verſucht, ihre Liebe zu Abdul zu verbergen.

Als der König ihrer inne ward, war ſein erſter Gedanke, ſich zurückzuziehen und dem begünſtigten Nebenbuhler das Feld zu räumen. Doch ſah er bald, wie wenig dieſer ſein Glück zu ſchätzen wußte. Wie lang konnte ihre Verblendung währen? Der Augenblick mußte erſcheinen, in dem ſie erwachte aus ihrem Taumel: ſollte ſie dann hilflos, troſtlos um ſich blicken und nicht einen Arm finden, auf den ſie ſich ſtützen, keinem Auge begegnen, in dem ſie Erbarmen leſen konnte? – Das Mitleid mit ihr überwog das Mitleid mit ſich ſelbſt, und er blieb.

Der Unmut der Hofleute über die ſchlecht getroffene Günſtlingswahl ſtieg von Tag zu Tag und verbreitete ſich in immer tiefere Schichten der Bevölkerung. Die Unzufriedenheit wurde eine große, allgemeine, – ſchwer lag der Himmel auf Banalien. Der einzige, der ahnungslos und unbefangen blieb in dieſen Wirrſalen, das war ihr Urheber, das war Abdul.

In jener Zeit erwachte in dem Hof-Sonettiſten ein unwiderſtehlicher Tatendrang. Man ſah es der trotzigen Warze an, die röter als ſonſt auf der Naſe des berühmten Mannes glühte, daß ſeine Seele ſchwer war vom Segen großer Gedanken. Und alſo verhielt ſich’s. Nichts geringeres hatte er erſonnen, als Abdul ſelbſt dahin zu bringen, ſeinen Einfluß dazu zu benutzen, die Prinzeſſin zur Verbindung mit dem Könige zu bewegen. Er verfaßte eine gewaltige Rede, in der die Schönheit und Größe der Tat, zu welcher er den Günſtling begeiſtern wollte, ſo haarſcharf bewieſen wurde, daß kein Zweifel an derſelben möglich war. Überdies ſtellte er ihrem Vollbringer einen Freibrief auf die Unſterblichkeit aus. Sobald Almanſor ſeinen Erguß zu Papier gebracht, erſpähte er einen Augenblick, in dem er Abdul in das Schloß treten ſah, und folgte ihm, das Manuſkript ſeiner Rede unter dem Arme, in ſeine Gemächer.

Er fand den Jüngling damit beſchäftigt, ein verlaſſenes Vogelneſt, das er aus dem Walde gebracht, weich in ein Binſenkörblein zu betten und der ſchreienden, noch unbefiederten Brut in Milch getauchte Weißbrotkrumen in die aufgeriſſenen Schnäbel zu ſtecken. Da Abdul dicht am Fenſter ſtand und es demnach unmöglich war, Front gegen ihn zu machen, begnügte ſich der Dichter mit einer beſcheidenen Rückenanſicht und begann ſofort ſeinen Vortrag. Zuerſt nahm Abdul keine Notiz von ihm; als er aber die Stimme immer mehr erhob, machte ihm jener ein Zeichen, das in Worten überſetzt nichts anderes hieß als: „Du ſtörſt mich, geh’!“ – in welchem aber der phantaſiereiche Poet eine etwas verkümmerte Applausbewegung zu erkennen glaubte. Gehoben durch dieſen vermeinten Erfolg, geriet er in ein Pathos, deſſen Ausbrüche ſogar Abduls unerſchrockenes Gemüt unheimlich berührten.

Er trat einige Schritte zurück, und dieſen Moment ergriff Almanſor, um ſich vor, in die Fenſtervertiefung zu drängen. Zum Unglück traf dabei ſeine mit dem Manuſkripte bewehrte Hand das Körbchen auf dem Geſimſe und ſchleuderte es hinaus. In demſelben Augenblicke hatte ihn Abdul an der Bruſt gepackt, im nächſten taumelte er hoch in den Lüften, und im dritten flog er dem Vogelneſte nach, von einem ſo kräftigen Fluche begleitet, daß er dabei mehr Engel ſingen hörte, als es jemals gab in den himmliſchen Heerſcharen.

Einige Lieblingsſchüler, denen der Poet ſeinen großen Plan mitgeteilt, hatten ſich unter Abduls Fenſtern eingefunden und ſtarrten hinauf und ſeufzten vor Wonne, ſo oft ein Laut von des geliebten Meiſters Stimme zu ihnen herunter drang. Plötzlich ſahen ſie ihn fliegen, in kühn geſchwungenem Bogen über ihre Köpfe weg, mitten in den Strom hinein.

Eiligſt ſprangen ſie ihm nach und zogen ihn, naß zwar und ſchreckgelähmt, des Gebrauches ſeiner Zunge vorläufig beraubt und faſt taub, im übrigen aber unverletzt aus dem Waſſer.

Das Ereignis machte ungeheures Aufſehen. Die ganze ſonettenfreundlich geſinnte Welt der Reſidenz fühlte ſich in ihrem Dichter zum Fenſter hinausgeworfen. Seine treuen Jünger rannten zu Gericht und klagten den Günſtling eines Mordverſuches an. Nur ein Machtſpruch der Prinzeſſin konnte Abduls Verhaftung verhindern. Sie tat ihn, und obwohl dieſer Schritt niemand überraſchte, mißbilligte ihn jeder. Von Seite der Fürſtin geſchah übrigens alles erdenkliche, um die aufgeregte Stimmung zu beſchwichtigen. Auf ihren Befehl wurden dem ſchwer darniederliegenden Almanſor der Leibarzt, die Hofapotheke und die Hofſänfte zur Verfügung geſtellt. Der erſte Liebhaber des Hoftheaters mußte ihm vorleſen und zwar ſeine eigenen Sonette, was ſichtlich zu ſeiner Erholung beitrug. Die Prinzeſſin begab ſich ſelbſt an das Krankenlager des Dichters und überbrachte ihm ein Dekret, kraft deſſen ſie ihn zum erſten beſoldeten und wirklichen literariſchen Meteor ernannte, zur ewigen Erinnerung an den höchſten Flug, den er jemals – freilich unfreiwillig – genommen hatte. Den ſchuldbeladenen Abdul hingegen beſchwor ſie, das Schloß ſo lange zu meiden, bis es ihr gelungen ſein würde, den gegen ihn eingeleiteten Prozeß niederzuſchlagen. Dieſer Bitte ungeachtet, oder ihr vielleicht zum Trotze, kehrte er ſchon am nächſten Morgen wieder, um nach ſeinen Vögeln zu ſehen, die bei dem Fenſterſturze ſchwer verwundet worden. Zuerſt wollte er in der Küche Futter holen für die Patienten. Er trat ein und ſah das ganze dienſttuende Perſonal um den Mundkoch verſammelt; einer der Jungen hielt einen Puterhahn zwiſchen den Knien feſt, der ſich wie toll gebärdete mit allen Anzeichen der gräßlichſten Schmerzen. Ein zweiter Iunge riß dem gefolterten Tiere den Schnabel auf, in den der Mundkoch langſam und bedächtig durch einen dünnen Trichter ſiedend gemachten roten Wein goß. Dieſe Prozedur ſchien der Verſammlung außerordentliches Vergnügen zu machen, denn ſie begleitete dieſelbe mit lautem Beifall und Gelächter.

Abdul ſtand da, bleich wie der Tod. „Was geſchieht hier?“ herrſchte er die Leute an mit einer Stimme, bei deren gewaltigem Klange die Kaſſerollen von den Wänden ſtürzten, ja der Herd, der ungeheure, wankte. Alle Anweſenden ſtarrten ihn ſchreckverſteinert an, keiner wagte zu ſprechen. „Was geſchieht hier?“ wiederholte Abdul. „Wir präparieren den Braten für morgen,“ ſtotterte der Mundkoch und griff mechaniſch nach dem Bratſpieße, der neben ihm lag. Im Nu hatte ihn Abdul denſelben entriſſen und ihn wütend in den dicken Leib des Puterhahnquälers geſtoßen. Aufſtöhnend ſank dieſer zuſammen und mit ungeſchwächtem Zorne drang Abdul auf ſeine Helfershelfer ein.

„Niederträchtige,“ ſchrie er, „ihr lacht, weil ein hilfloſes Tier, das euch nichts zuleid getan hat, gequält wird?!“ und er ſchlug einen nach dem andern nieder, mit Mörſern, mit Bratpfannen, mit allen Waffen, die der Schauplatz dieſer Begebenheit ihm darbot. Einige der mutigeren Mitglieder des Küchendepartements ſetzten ſich zur Wehre, es entſtand ein Kampf, begleitet von fürchterlichem Lärm, der allmählich das ſämtliche Schloßgeſinde und die Wachen herbeirief. Abdul ſchlug ſich durch das Gewühl und rannte geraden Weges in die Gemächer der Prinzeſſin. Er überhäufte ſie mit Vorwürfen über die Grauſamkeiten, die ſie in ihrem Hauſe ſich vollziehen laſſe, er raſte, er tobte, es war unmöglich, ihn zu beſchwichtigen, unmöglich, den Sinn ſeiner unzuſammenhängenden Reden zu verſtehen. Da erhob ſich Wehgeheul, Menſchenmaſſen, die mit drohenden Gebärden heraufſahen zu den Fenſtern der Prinzeſſin, umſtanden den Palaſt. Der Haupfmann der Schloßwache kam und meldete den Tod des Mundkoches, der mit den Worten hinübergegangen war: „Es gibt kein Ragout mehr!“

Mit Bedauern muß berichtet werden, aber der Wahrheit die Ehre: – der Mundkoch genoß eine Popularität, neben welcher die des Hof-Sonettiſten beinahe verſchwand. Nach Tauſenden zählten die Leute, die er zugleich mit ſich ſelbſt bereichert hatte und die noch ferner bereichert zu werden hofften, nach Tauſenden die Verehrer ſeiner Kunſt und die über das ganze Land verbreiteten Mitglieder ſeiner Schule.

Die Prinzeſſin trat auf den Balkon, ſie verſuchte beſchwichtigende Worte zu ſprechen, – der Pöbel unterbrach ſie mit Pfeifen und Höhnen. Schimpfnamen ſchlugen an ihr Ohr, deren herabwürdigende Bedeutung ſie fühlte, nicht – verſtand. Schaudernd bedeckte ſie mit beiden Händen ihr ſchamerglühendes Angeſicht. Da erſchien der König an ihrer Seite und nun erſchallfen Hochrufe und dann von neuem das Geſchrei nach Rache. „Nicht Rache!“ rief der König, „Gerechtigkeit ſollt ihr haben, die Fürſtin gelobt’s durch meinen Mund.“ „Bürgen, wir wollen Bürgen!“ antworteten erſt einzelne Stimmen, dann die Menge wie aus einem Munde. „Iſt euch das Wort der Fürſtin nicht Bürge genug?“ – „Nein, gib das deine!“

Die Prinzeſſin wollte vergehen; ſo ſtand es um ſie? Keinen Glauben fand ſie mehr bei ihrem Volke?

„Denen das Wort der Fürſtin nicht gilt, denen verweigere ich das meine,“ ſprach der König, und wüſtes Gejohle tönte herauf.

Nun ſtürzte Abdul, ſich von den Wachen losmachend, die ihn feſtzuhalten geſucht hatten, auf die Altane. Ein Brüllen der Wut begrüßte ihn. „Was unterhandelt ihr mit dieſen räudigen Beſtien?“ rief er dem König zu. Er hatte kaum ausgeredet, als ein gut gezielter Stein ihm entgegen flog; er beugte ſich raſch zur Seite und der Stein traf die Prinzeſſin an die Stirne. Sie ſank zuſammen, ein Blutſtrom rann aus der Wunde. Der König hob ſie in ſeinen Armen auf und befahl den Wachen, Abdul feſtzunehmen. Es gelang endlich trotz ſeines verzweifelten Widerſtandes. Gebunden brachte man den vor Wut ſchäumenden in ſeine Gemächer, warf ihn auf ſein Lager, verrammelte die Tür, – er war ein Gefangener. Der Pöbel lagerte vor dem Schloſſe und erklärte mit gräßlichem Geſchrei, nicht weichen zu wollen, bevor man ihm ſeinen Feind ausgeliefert hätte.

Aus ihrer Ohnmacht war die Prinzeſſin in einen fieberhaften Schlaf geſunken, in dem die Bilder des Traumes mit dem Bewußtſein deſſen, was um ſie her geſchah, ſich ſeltſam vermiſchten. Ihr war, als beuge ſich eine Geſtalt über ſie, als würden Fragen an ſie gerichtet. Dann vernahm ſie deutlich die Stimme des Arztes, der ſagte: „Sie ſchläft ruhig und feſt.“ Darauf flüſterfe eine zweite Stimme: „Sorgt dafür, daß ſie nicht geweckt werde, bevor alles vorüber iſt.“ – Alles vorüber? Was ſollte vorüber ſein? Wie ein Blitz durchzuckte ſie der Gedanke, daß Abdul in einer großen Gefahr ſchwebte, als ihr die Sinne vergingen… Sie wollte ſich erheben, ſprechen – unmöglich; wie Blei lag es in ihren Gliedern, ihre Lippen bewegten ſich, aber kein Laut drang aus ihnen hervor. Sie horchte, – Es folgten einige Reden, die ſie nicht verſtand, endlich die leiſe gehauchten Worte: „Die Wachen ſind gewonnen, ſie liefern ihn dem Volke aus. Diesmal rettet ihn kein Gott.“

Das war die Oberſthofmeiſterin, die ſprach, und der, der dem Volke ausgeliefert werden ſollte, das war Abdul.

In Todesangſt rang die Prinzeſſin nach Kraft, ihre Erſtarrung zu beſiegen. Eine Weile noch hielt ſie ſich ruhig, dann ſchlug ſie wie erwachend die Augen auf, erklärte, daß ſie ſich wohl fühle und befahl dem Arzte und ihren Frauen, ſie zu verlaſſen. Dieſe baten, gewärtig ihres Befehls, im Nebenzimmer warten zu dürfen und entfernten ſich. Sobald ſie allein war, ſtand ſie auf, kleidete ſich an, ſteckte ihren Dolch zu ſich und ſchriff dem großen Bogenfenſter zu. Die Marmorniſche, die ſich über ihm wölbte, war mit zarten goldenen Arabesken ausgelegt. Die Prinzeſſin betrachtete aufmerkſam beim flackernden Lichte der Nachtlampe die feinen Zeichnungen, ſie ſchien zu prüfen, zu ſuchen. Nun berührfte ſie den Kelch einer phantaſtiſchen Blume: langſam, unhörbar verſchob ſich die Wand, eine kleine Treppe in der Mauer wurde ſichtbar und die Prinzeſſin betrat ſie, während ſich hinter ihr die Niſche wieder ſchloß. Indeſſen der Pöbel vor dem Palaſte kochte und Abduls Auslieferung verlangte, ſchlief dieſer ſo friedlich auf ſeinem Lager, als ruhe er eingehüllt in den Mantel Gottes. Da weckte ihn eine ſanfte Berührung; die Hand der Prinzeſſin lag auf ſeinem Munde und ihre Stimme flüſterte ihm zu: „Schweige und folge mir.“

Sie löſte ſeine Feſſeln und führte den Schlaftrunkenen lautlos, an den Wänden taſtend, durch das dunkle Gemach. Ihm war, als hätte ſich dieſes unendlich vergrößert, denn ſie ſchritten und ſchritten und gelangten zu keinem Ausgange. „Wohin?“ fragte Abdul. „In die Freiheit,“ erwiderfe die Prinzeſſin und zog ihn mit ſich fort. Immer noch tiefe Finſternis, eine feuchte, kellerarfige Luft, als führe der Weg durch einen engen, gemauerten Raum. Eine Stiege nun mit vielen hundert Stufen und dann wieder ein Gang, wie gebrochen durch Felſengrund, und immer tiefer die Nacht, immer dumpfer die Luft. Abdul afmete kaum. „Dein Weg zur Freiheit iſt weit,“ ſeufzte er nur manchmal aus beklommener Bruſt.

Nach langer Wanderung wurde plötzlich in faſt unabſehbarer Ferne ein feiner Lichtfaden ſichtbar. „Das iſt der Tag!“ jubelte Abdul und ſtürzte vorwärts.

„Das iſt nicht der Tag,“ ſprach die Prinzeſſin. Allmählich wurde die Lichtlinie vor ihnen zum Lichtſtreifen und dieſer breiter, je näher ſie ihm kamen. Zwei rieſige Torflügel zogen ſich bei jedem Schritte, den die Prinzeſſin ihnen entgegen tat, tiefer und tiefer in die Wände des Ganges zurück. Als ſie dicht vor ihnen ſtand, waren ſie völlig verſchwunden. Und nun trat die Prinzeſſin mit Abdul in einen hohen, gewölbten Saal, deſſen Wände erbaut waren aus ſelbſtleuchtenden Steinen, die ringsum einen Glanz verbreiteten, weiß und kalt wie Mondenlicht. Ein Schauer durchfröſtelte die beiden jungen Leute, und den Geliebten umſchlingend, ſprach die Prinzeſſin: „Ich breche den heiligſten Schwur, mein Abdul, indem ich dich einführe in dieſe wunderbaren Hallen. Kein menſchlicher Fuß hat ſie jemals betrefen als der der Könige dieſes Landes. Von einem Fürſten auf den andern erbt ſich das Geheimnis ihres Beſtehens fort. Hier fanden die Könige Schutz in dringender Gefahr, hier verkehrten ſie mit den Geiſtern, die einſt vor tauſend und tauſend Jahren den Palaſt, den wir jetzt durchwandeln werden, für den Ahnherrn meines Stammes errichtet haben, dem einer ihrer Beherrſcher das Leben gab. Hier beendete mancher meiner Vorfahren, müde der Kämpfe und der Taten, ſein Daſein in geiſterhafter Stille. Jeder lebendigen Nähe enfrückt, jeder irdiſchen Regung entfremdet, ſchlafen ſie hier einen traumloſen Schlaf; ſie denken nicht, ſie fühlen nicht, ſie leben den Tod.“ Abdul ſchauderte. Er ſprach kein Wort, er hielt die Hand der Prinzeſſin feſt in ſeiner Hand und eilte vorwärts. Der ſtille, leere, ungeheure Saal ſchien ſich zu verlängern, ſchien zu wachſen unter ihren Füßen: je weiter ſie kamen, deſto weiter dehnte ſich der Raum. Mit einem Male erhob ſich vor den Wandernden eine vierfache Reihe majeſtätiſcher Alabaſterſäulen. Sie führte zu einer weiten Rotunde, in deren Mitte ein Grabmal ſtand aus dem reinſten, durchſichtigſten Kriſtall. Auf ihm ruhte ein König in ſchneeweißen Gewändern, mit marmorbleichem Antlitz und ſtarren Augen, die Krone auf dem Haupte, den Zepter in der Hand. Die Prinzeſſin und Abdul gingen vorüber, und dasſelbe Schauſpiel wiederholte ſich von neuem und von neuem zahlloſe Male, und um ſie immer die unendliche Helle, der unendliche Tod. Sie gingen, und ihre Schritte hallten nicht, ihre Körper warfen keinen Schatten, ſie ſprachen, aber ihre Stimmen hatten keinen Klang; ſie ſchmiegten ſich aneinander und fühlten keine Berührung. Das Bewußtſein der Zeit war ihnen entſchwunden, ſie empfanden nicht Hunger und nicht Müdigkeit. Die Prinzeſſin war ruhig und verwandte kein Auge von Abdul, er ſchritt an ihrer Seite finſter und verzweifelnd dahin. Endlich veränderte ſich der Anblick der Säle; von Kuppeln, aus Edelſteinen gefügt, quoll ein farbiges Leuchten herab; breite Treppen führten zu reichgeſchmückten Tempeln mit goldenen Toren, die aufſprangen, ſobald die Prinzeſſin ſie berührte. Immer kleiner, immer dunkler wurden die Räume, eine ſeltſam zitternde Bewegung durchbebte den Boden, die Wände. Abdul wandte ſich um, die Helle war erloſchen, geräuſchlos verſank der wunderbare Palaſt, Die Prinzeſſin ſprach und nun klang ihre Stimme vernehmlich. „Das Geheimnis meiner Väter geht unter, weil ich es verriet.“ – „Das iſt gut,“ rief Abdul, „der ſchauerliche Spuk gehört nicht in die freie, frohe Welt! Hinweg,“ drängte er, „ſind wir endlich am Ziele?“ Wieder umfing ſie dichte Finſternis; noch eine lange Wanderung durch labyrinthiſch verſchlungene Gänge, ſteil aufwärts dann und nun Quellengerieſel und manchmal – o namenloſe Wonne! – wie ein Hauch erquickender, kräftig wehender Luft. Vorwärts ſtürzte Abdul und die Prinzeſſin folgte; der Eingang zu einer Felſenhöhle öffnete ſich vor ihnen, bald war ſie durchſchritten und ſie ſtanden im Freien und über ihren Häuptern rauſchte der Wald. Eine lähmende Erſchöpfung hatte ſie erfaßt, als ſie ihm nahe gekommen waren. Sie fragten nicht, wie lang ihre Wanderung gedauert hatte, ſie kümmerten ſich nicht um die Tageszeit, als tränken ſie Müdigkeit mit jedem Atemzuge, ſanken ſie wortlos, unfähig, ſich zu regen, in das weiche Moos, und alsbald auch in die Bewußtloſigkeit des tiefen Schlafes.

***

Ein heftiger Schmerz weckte die Prinzeſſin am frühen Morgen. Ihre Wunde brannte, fieberhaft flogen ihre Pulſe, ſie fühlte ſich betäubt und krank. Schwer vom Nachttau war ihr Kleid, feucht ihr aufgelöſtes Haar. Mühſam raffte ſie ſich vom Boden auf.

Ach, und vor ihr lag Abdul – ein ſeliges Lächeln auf dem Angeſichte. Wie herrlich ruhte er! wie frei hob ſich ſeine Bruſt, wie war ſeine ganze Geſtalt ein Bild blühender Kraft und zugleich des wonnevollſten, innigempfundenen Friedens! – Im Schlafe ſchien er’s zu fühlen: „Ich bin daheim, in meinem eigenſten Element!“ Lange und liebevoll betrachtete ihn die Prinzeſſin, und das Glück, das ihn zu erfüllen ſchien, ſtrömte über in ihre eigene Seele. Daß ſeine Augen dieſen Tag ſehen würden, daß er ihn erlebte frei und froh, das war ja ihr Werk, das hatte ſie dem Schickſal abgerungen. Allmählich begann ſich’s zu regen im Walde; ſanft bewegt rauſchten die Wipfel der Bäume, Vöglein kamen zugeflogen, ließen ſich nieder auf den Zweigen und zwitſcherten einander eine fröhliche Kunde zu. Rehe, Gazellen ſprangen im Diicht umher, blickten neugierig hervor, und ſteckten dann die Köpfe zuſammen, als erzählten auch ſie ſich eine wichtige Neuigkeit. Die Prinzeſſin trat einige Schritte zurück um an einer Quelle, die aus dem nahen Felſen ſtrömte, ihre heißen Lippen, ihre ſchmerzende Wunde zu kühlen. Jetzt trauten ſich die Waldbewohner zu dem Schläfer heran. Die Vögel flogen auf ſeine Schultern, ſeine Bruſt; ein kleiner Haſe ſetzte ſich ihm gegenüber auf einen abgebrochenen Baumſtamm und bewegte wie grüßend die langen Löffel. Ein Reh leckte Abduls Hand, ein anderes ſeinen Fuß, eine Gazelle wagte ſogar mit ihrer feinen kalten Naſe ſeine Wange zu berühren. Er erwachte, blickte um ſich und mit einem Schrei des Entzückens breitete er die Arme weit aus, als wollte er die ganze Natur umfangen; er küßte die Erde, er drückte Bäume und Gräſer an ſein Herz, er ſtreichelte ſchmeichelnd das Fell der Tiere, das Gefieder der Vögel. „Gegrüßt,“ rief er, „du grüner Wald, ihr Wolken, ihr Lüfte! Gegrüßt alle Geſchöpfe der Wildnis! Abdul iſt wieder bei euch, Abdul hat einen ſchweren Traum geträumt, wißt ihr, von einem Schloſſe und von einer Prinzeſſin und von böſen, grauſamen Menſchen…“ Da wandte er ſich um und ſah die Prinzeſſin an der Quelle ſtehen; eine Wolke verfinſterte ſeine Stirne. – „Nicht geträumt?“ ſprach er und ſeufzte ſchmerzlich auf. „Nicht geträumt – erlebt das alles?“ Mit bittend gefalteten Händen trat die Prinzeſſin auf ihn zu. „Vergiß, mein Abdul,“ flehte ſie, „vergiß, was du gelitten. Nicht einmal in deiner Erinnerung ſoll beſtehen, was dich gequält hat. Es iſt vorüber – ſieh, du biſt daheim, du afmeſt Freiheit, dich umgibt die Liebe. Hier wollen wir ein glückſeliges Daſein führen…“ „Wir?“ unterbrach ſie Abdul. – „Kehrſt du nicht zurück zu den Deinen? in dein Haus, in deine Heimat?“

Die Prinzeſſin erbleichte. „Von dir ſcheiden?“ rief ſie; „kannſt du denken, daß ich’s vermöchte?“ Er antwortete nicht. Als er ſie aber ſo entſchloſſen ſah, ihn nicht zu verlaſſen, baute er eine Hütte aus Zweigen und Moos, und dieſe wurde ihre Wohnung. Ihre Nahrung beſtand aus den Beeren des Waldes, ihr Lager aus trockenem Reiſig. Ihre Kleider gingen allmählich in Stücke, ſie litt oft Hunger und Froſt. Was kümmerte ſie’s? das war es nicht, was ſie betrübte. Aber daß Abdul immer gleichgültiger gegen ſie wurde, daß er immer weitere Wanderungen unternahm, von denen er nach immer längeren Zwiſchenräumen für immer kürzere Augenblicke zurückkehrte, das kränkte ſie, das nagte an ihrem Herzen.

Einmal, von Sehnſucht und Sorge zerquält, hatte ſie ſich tief hineingewagt in den Wald, um Abdul aufzuſuchen. Tauſend und tauſendmal rief ſie aus voller Kraft ſeinen Namen, aber nur das Gekrächze aufgeſcheuchter Vögel und das Rauſchen der Zweige im Winde gab ihr Antwort. Es begann zu dunkeln, die Nacht brach herein, – die Prinzeſſin dachte, Abdul ſei vielleicht aus einer andern Richtung als diejenige, die ſie eingeſchlagen, zur Hütte gekommen. – Sie wollte zurückkehren, aber ſie fand den Weg nicht mehr, ſie war in ein ihr völlig unbekanntes Gebiet des Waldes gerafen und hatte ſich darin verirrt. Von Wolken umhüllt ſtand der Mond am düſteren Himmel, unheimlich ertönte aus der Ferne das Geheul wilder Tiere durch die ſtille Nacht. Die Prinzeſſin griff nach ihrem Dolche – das war doch ein getreuer Freund in ihrer tiefen Verlaſſenheit!

Mutig ſchritt ſie weiter; ſo lange ihre Füße ſie tragen konnten, wanderte ſie unverdroſſen, mit immer ſchwächer werdender Stimme den Namen des Geliebten rufend. Endlich ſank ſie zu Tode ermattet unter einem rieſigen Baume nieder, deſſen Zweige, ſie vollfommen verdeckend, herunter hingen bis an die Erde. Dort lag ſie ſchlaflos mit ſchlagenden Pulſen und ſtürmiſch klopfendem Herzen, bis der Morgen graute.

Schon verkündete ein rötlicher Schimmer im Oſten den Aufgang der Sonne, als ein langgedehnter Lockruf, ein Ruf, den ſie oft von Abdul gehört hatte, aus weiter Entfernung an das Ohr der Prinzeſſin ſchlug. Er war’s! das war Abdul! Und er rief ſie, er ſuchte ſie vielleicht ſo angſtvoll als ſie ihn. Sie raffte ſich auf, ſie holte tief Atem zu einem lauten freudigen Antwortsſchrei, da – erſcholl der gleiche Ton, nur lauter, ſtärker, von der entgegengeſetzten Seite des Waldes her. Und nun folgten einander die Rufe raſch wechſelnd, oft wiederholt aus immer größerer Nähe. Die Prinzeſſin horchte erſtaunt, erſchrocken. Wer außer ihr und Abdul kannte dieſes Zeichen, womit er ſtets ſein Kommen anzukündigen pflegte? wer außer ihm und ihr wohnte in dieſer von anderen Menſchen bisher nie betretenen Einöde? – Sie zog ſich dichter gegen den Stamm des Baumes zurück, ſie barg ſich tiefer unter ſeine ſchützenden Zweige und lauſchte. Ein leichter, fliegender Schritt näherte ſich ihrem Verſtecke und hielt vor ihm ſtill.

So gut das Laub die Prinzeſſin verbarg, ſo wenig hinderte es ſie, deutlich wahrzunehmen, was um ſie her vorging. Sich vorſichtig nach der Seite wendend, von der die Schritte gekommen waren, erblickte ſie ein Mädchen, zierlich und ſchlank, kaum noch den Kinderjahren entwachſen, ein Mädchen mit dunkler Haut, blitzenden Augen, vollen Lippen, mit lebhaften und beweglichen, aber unſchönen Geſichtszügen. Ein Stück buntes Zeug hing über ihre halbentblößte Bruſt, ein anderes war um ihre Lenden geſchlungen, Arme und Beine waren nackt. In krauſen Locken umringelten glanzloſe ſchwarze Haare den Kopf und den Nacken der jungen Troglodytin.

Plötzlich brach ſie in ein lautes, jubelndes Gelächter aus und begrüßte damit Abdul, der zwiſchen den Bäumen hervortrat, auf das Mädchen zueilte, es umfaßte, aufhob in ſeinen Armen und das tolle Geſchöpf küßte und herzte, das ihn erſt von ſich ſtieß, um ſich ſchlug und biß, bald aber ſeine wilden Liebkoſungen nichf minder wild erwiderte. Bei dieſem Anblick wandte ſich das Herz der Prinzeſſin. Wut, Ekel und Haß erfüllten die Seele, die ſich niemals anderen als edlen Empfindungen geöffnet. Mit einem Schrei raſenden Zornes, mit hochgeſchwungenem Dolche ſtürzte ſie auf die Mörder ihres Glückes los. Notwehr trieb ſie – Verzweiflung. Außer ſich vor Schmerz, ſchleuderte ſie ihre unheilvolle Wafſe. Zu Tode getroffen ſank die Geliebte Abduls an ihm nieder. Er kniete neben ihr, er hob ihr Haupt an ſeine Bruſt, er rief ſie mit den zärklichſten Namen. Ein letztes Zucken flog über ihr Angeſicht – und es war vorbei. Abdul bedeckte die Leiche mit Küſſen, weinte und jammerte.

Die Prinzeſſin regte ſich nicht. Entſetzen vor ſich ſelbſt, vor dem, was ſie getan, durchſchauderte ſie, Entſetzen und die Höllenqual – die Reue. Mit dem Auge des Wahnſinns ſtarrte ſie hin nach der Gruppe zu ihren Füßen. Dieſes Mädchen, dieſes Kind, dem ein Blutſtrom aus dem Herzen quoll, hatte ſie getötet. Sie?! Sie war eine Mörderin… Und das ſollte möglich ſein? Ein Verbrechen, das ſie nie gedacht hatte, ſollte ſie begangen haben?

„Nein!“ ſchrie ſie plötzlich auf; „ich nicht, das habe ich nicht getan!“

Dieſe Worte weckten Abdul aus dem allesvergeſſenden Schmerz, dem er ſich bis jetzt hingegeben, zum Ausbruche der Wut gegen deſſen Urheberin.

„Verfluchte!“ rief er; „füge zu der Untat die Lüge, das iſt deiner wert! Hinweg! Hinweg! Fort aus meinen Augen, ich verabſcheue dich! Was drängteſt du dich in mein Leben? Elend bin ich, ſeitdem ich dich kenne; jede Stunde, die ich an dich verlor, bezeichnet ein Schmerz. Ich hatte ihn früher nicht gekannt, wie ich das Glück nicht kannte, eh’ mich’s dieſe lehrte!“ Und von neuem warf er ſich über die Leiche und ſchluchzte: „O mein Liebling, da liegſt du ſtill und biſt tot. Nie mehr werden wir zuſammen den Wald durchſtreifen, nie mehr ruhen Hand in Hand, nie mehr dahin jagen zur Wette mit dem Reh, nie mehr ſingen zum Trotze den Vögeln. O, meine Freude! Dich habe ich geliebt, und auch du verſtandeſt mich zu lieben. Lachend ſtürzteſt du in meine Arme, und lachend verließeſt du mich. Du fragteſt nicht: wohin? wenn ich von dir ging, und nicht: woher? wenn ich zurückkehrte zu dir. Aber ich wußte, daß ich deine Wonne war wie du die meine, O du mein Lieb! was kann ich dir jetzt noch geben? – Ein Grab im kühlen Schatten, unter Blumen und Zweigen!“

Er ſtand auf, hob die Leiche ſanft vom Boden und trug ſie in ſeinen Armen fort wie ein ſchlafendes Kind.

Die Prinzeſſin ſank auf die Knie. – „Abdul, fluche mir nicht!“ rief ſie mit ſo verzweifeltem Jammer, daß der Angerufene trotz ſeiner eigenen Troſtloſigkeit ſich davon ergriffen fühlte.

„Kannſt du dieſe wieder lebendig machen?“ fragte er, und ſie ſtöhnte. „Meinen letzten Blutstropfen gäb’ ich darum!“ Sie rang die Hände und drückte ihr Angeſicht in die Spuren ſeiner Füße.

In dieſem Augenblike ertönte Roſſegewieher und Hörnerklang; deutlich ließen ſich Stimmen unterſcheiden, die einander zuriefen; ein lautes Jagen und Treiben durchtobte den ſonſt ſo ſtillen Wald. Abdul blieb ſtehen. „Hörſt du die Deinen?“ ſagte er. „Sie ſuchen dich ſchon lange, ſie kommen, dich heimzuholen in deinen goldenen Kerker. Geh hin zu ihnen, zu denen du gehörſt.“

„Niemals!“ rief die Prinzeſſin, „niemals kann ich zurückkehren in mein Haus, beladen mit Sünde und Schmach, wie ich es bin. Verſtoße mich, verlaſſe mich, aber liefere mich ihnen nicht aus, verbirg mich, aus Barmherzigkeit! – verbirg mich!“

Er würdigte ſie keines Blies mehr, keines Wortes: raſch ſetzte er mit ſeiner traurigen Bürde ſeinen Weg fort und war bald hinter den Bäumen verſchwunden.

***

Tiefſte Troſtloſigkeit herrſchte in der Hauptſtadt Banaliens. Allenthalben hatte ſich das Gerücht verbreitet, daß der König, der vor Monaten ſchon mit einem zahlreichen Gefolge ausgeritten war, um die auf unbegreifliche Weiſe verſchwundene Prinzeſſin aufzuſuchen, zurückgekehrt ſei, aber nur die Leiche der Unglücklichen mitgebracht habe. Tot, ſo hieß es, hätte er ſie in einem dunklen, von Ungeheuern und Raubtieren bewohnten Walde gefunden, und ſcharenweiſe kam das Volk, in dem der Groll gegen ſeine Fürſtin längſt erloſchen war, zum Palaſte und verlangte, heulend und klagend, wenigſtens die teueren Reſte der Verſtorbenen zu ſehen. Der König trat auf den Balkon, dankte für die treuherzige Teilnahme und erklärte, die junge Herrſcherin ſei nicht tot, doch läge ſie in tiefer Bewußtloſigkeit und bis jetzt ſei es nicht gelungen, ſie daraus zu weden.

Und ſo verhielt es ſich.

Starr und bleich, mit geſchloſſenen Augen, lag die Prinzeſſin auf ihrem Lager. Nur ein ſchwaches Zittern des Herzens verkündete, daß noch Leben in ihr ſei. Weinend umringten ſie ihre Frauen, in Schmerz verſunken lehnte der König in einer Ecke des Gemachs und verwandte kein Auge von der Kranken.

Der Tag, der die Prinzeſſin ihrem Lande wiedergeſchenkt hatte, war zugleich der, an welchem der Beſuch ihrer unſterblichen Mutter bevorſtand. Die letzte Stunde des dritten Jahres, das ſeit ihrem jüngſten Erſcheinen in Banalien verfloſſen war, ſchlug, und plötzlich ſtand die Fee am Bette ihrer Tochter. Mit zürnendem Antlitz ſtand ſie da und hieß durch einen Wink alle Hofleute ſich entfernen, den König allein verweilen. Dieſer beugte ſein Knie, und auf die Prinzeſſin deutend, flehte er: „Rette ſie, rette ſie mir! – Befreie ſie von dem verhängnisvollen Banne, in dem ein Undankbarer ſie hält. Erwecke in ihrem Herzen einen Funken Neigung für mich, und ich will ihr ein Leben bereiten, friedlich und ſchön, wie es die Seligen leben!“

„Mein Sohn,“ erwiderte die Fee, „ich kann dem verdorrten Baume gebieten: grüne! und dem verſiegten Quell: ſtröme und flute! Ich kann Tote erwecken, aber nicht einen Funken Liebe in einem Menſchenherzen. Ich kann Elemente entfeſſeln und binden, Heere vernichten oder zum Siege führen, das Angeſicht der Erde vermag ich umzugeſtalten, aber ich vermag nicht den Zauber zu löſen, unter dem dieſes Mädchen ſteht. Ihm gegenüber ſind die Allmächtigen machtlos. Allein, was du vergeblich von mir forderſt – vielleicht gelingt es dir ſelbſt. Iſt deine Liebe zu dieſer Unglücklichen größer als die ihre zu Abdul, ſchauderſt du nicht vor dem Gedanken zurüd, die Entweihte aufzunehmen in dein reines Leben – vielleicht gelingt es dir, ſie den vergeſſen zu machen, dem jetzt ihr ganzes Weſen gehört.“ – „Unſterbliche, mein Daſein hat keinen Wert für mich, wenn ich es ihr nicht weihen darf,“ ſprach der König.

„Du bringſt ein ungeheures Opfer,“ warnte die Fee. „Bedenke, Herr, deinen makelloſen Namen, deinen Ruhm, deine Ehre.“

Er aber rief: „Von Opfern rede nicht! die Liebe weiß nichts von Opfern. Meine Ehre? kein anderer vermag ſie zu erhöhen oder zu gefährden als ich ſelbſt. Iſt mein Name makellos, wohl mir! um ſo kräftigeren Schutz wird er derjenigen gewähren, der ich ihn gebe.“

„Wohlan,“ ſprach die Fee, „ſo erfülle ſich dein Schickſal und dein Wille.“

Sie beugte ſich über die Prinzeſſin und dieſe ſchlug die Augen auf. Langſam nur kehrte ihre Beſinnung wieder; fremd blickte ſie ihre Mutter an. Sie verſuchte, ſich zu erheben, – ihr Kopf ſank in die Kiſſen zurück. Aber verſagten auch noch ihre Kräfte, vermochte ſie es nicht, ſich zu regen, die Erſtarrung war gewichen, ein leiſes Wimmern entrang ſich ihrer Bruſt, ſchmerzlich zuckte es um ihren Mund; ſie litt: – ſie lebte.

Mit einem Male, als ſei ihr Bewußtſein plötzlich wiedergekehrt, ſchrie ſie auf: „Mutter! o Mutter!“ Und ſie flehte, mit unausſprechlicher Angſt die gefalteten Hände ringend: „Gib der Toten das Leben wieder, das ich ihr nahm, laß mich keine Mörderin ſein!“

Die Fee zog einen Spiegel aus den Falten ihres Gewandes, hauchte ihn an und hielt ihn der Prinzeſſin vor die Augen. Dieſe ſah hinein, der Hauch verzog ſich und auf der klaren Oberfläche erſchien immer deutlicher, immer beſtimmter das Bild des Waldes.

Uralte, von Schlingpflanzen dicht umwachſene Bäume, ein offenes Grab zu ihren Füßen, in dem die Tote auf Blumen gebettet lag. Abdul kniete neben ihr und küßte ihre Wangen, ihren Mund. Und nun glitt es hin über ihr bleiches Angeſicht wie ein zarter, warmer Lichtſtrahl, ihre Lippen färbten ſich, öffneten ſich, und ihre eben noch unbeweglichen Arme umſchlangen den Hals Abduls, der mit ſprachloſem Entzücken die Wiedergeſchenkte an ſein Herz drückte. – Die Prinzeſſin ſchlug die Hände vors Geſicht; ſchwere Tropfen quollen zwiſchen den Fingern hervor – Tränen unſäglicher Wonne, unſäglicher Qual.

„Hab’ Dank Mutter,“ ſprach ſie endlich. „Du nimmſt den Fluch von mir, der meine Seele belaſtete. Hab’ Dank. Abdul iſt wieder glücklich, und ich darf ſterben.“

„Feigherziges Geſchöpf,“ zürnte die Fee, „nicht ſterben ſollſt du, du ſollſt leben – ein neues, die Schmach der Vergangenheit tilgendes Leben. Erheben ſollſt du dich aus deiner tiefen Geſunkenheit. Du kannſt es, dir bietet ſich eine großmütige Stütze. Es iſt mein Wille, daß du ſie ergreifſt.“

Der König trat vor.

„Vertraue mir,“ bat er mit mildem Ernſte, „die Sorge an, das Leid in Zukunft fern zu halten von deinem teuren Haupte. Laß mich’s verſuchen, dich zu verſöhnen mit deinem Geſchicke. Icg werbe um dich; verwirf mich nicht. Gib mir, da ich nicht anders kann, als dich lieben, gib mir das Recht, dich zu lieben.“

„Herr,“ ſprach die Prinzeſſin, „wende einer Würdigeren deine Neigung zu. Ich habe ihm angehört, den ich liebe; ich kann dein Weib nicht ſein.“

Der König erwiderte: „Du ſtandeſt unfer einem unheilvollen Zauber, der deinen Geiſt betörte, deinen Willen lähmte. Ich habe dir nichts zu verzeihen; ſtünd’ es mir aber zu und hätteſt du eine Schuld begangen – vergeſſen wäre ſie. Sei mein. Als hätteſt du Abdul nie gekannt, will ich dich ehren.“

Er reichte ihr die Hand und ſchritt hinaus. Die Prinzeſſin warf ſich vor ihrer Mutter nieder, umklammerte ihre Knie, badete ihre Füße mit ihren Tränen – aber die Fee blieb unerbittlich. Die Vorbereitungen zur Vermählung wurden getroffen. Am driften Tage ſtand die Prinzeſſin vor dem Altare, bleich, kalt und teilnahmslos. Schmerzlich bewegt erſchien die Fee, ernſt und in ſich verſunken der König; – es war ein trauriges Hochzeitsfeſt.

***

Drei Jahre vergingen. Glückliche Jahre für die Banalier. Kraftvoll und milde herrſchte der König, jede ſeiner Unternehmungen krönte der Erfolg; wenn je ein Monarch, ſo ward er vergöttert. Die Königin wandelte an ſeiner Seite wie ein verklärter Widerſchein ſeiner Größe, ſeiner Güte. Sie hatte ihm einen Sohn geboren, die Freude des Vaters, die Hoffnung des Volkes.

Von neuem erſchienen war der Tag der Rückehr der Fee. Allenthalben wurden feierliche Vorbereitungen zu ihrem Empfange getroffen. Um Mittag, wenn die Sonne am höchſten ſtand, pflegte ſie zu erſcheinen. Dieſen Augenblick erwartend traten der König und die Königin aus dem Schloſſe. Sie führte ihren Knaben an einer Hand und ſtützte die andere auf den Arm ihres Gemahls. Liebevoll ruhte ſein Auge auf ihr und tiefe innige Ehrfurcht ſprach aus dem Blicke, den ſie zu ihm emporrichtete, aus dem Tone der Stimme, mit der ſie zu ihm redete.

Befehle erteilend blieb der König vor dem Palaſte zurück, und allein mit ihrem Kinde betrat die Königin die Terraſſe. Sie lehnte ſich an das Gitter und blickte in den brauſenden Strom hinunter. Ein Zauber ohnegleichen ging aus von ihrer rührenden Schönheit; der weiche Leidenszug um ihren Mund verriet, daß ſie den Schmerz gekannt hatte. Nicht glücklich ſchien ſie, aber beruhigt, verſöhnt.

Nun ſpielte ihr Söhnchen zu ihren Füßen. Wie lieblich war dieſes Kind! Sein roſiges Angeſicht mit den edlen Zügen des Königs, mit den wunderbaren Augen der Mutter, leuchtete förmlich vor Holdſeligkeit. Er jauchzte laut jeder Woge entgegen, die ſchäumend vorüber rollte. Die Königin lächelte ihm zu, ihre Hand ruhte auf ſeinem blonden Haupte und zärtlich drückte ſie es an ſich. Plötzlich ſchrie der Kleine auf: „Schau,“ rief er, „ſchau, die Vögel – o die vielen!“ Und wirklich, da kam über den Strom daher geflogen ein langer, dunkler, endloſer Zug Vögel aller Arten. Sie ſchienen etwas zu begleiten, das auf dem Waſſer ſchwamm. Sie ſangen laut und zwitſcherten und pfiffen, aber wehmütig klangen dieſe Töne. Oft flogen ſie fief herab, als wollten ſie nippen von der Flut, und erhoben ſich dann wieder klagend, klagend noch trauriger als zuvor! Am Ufer indes liefen Rehe, Gazellen, Antilopen was es nur gibt an zaghaftem Waldgetier, das ſich ſonſt ſcheu verbirgt vor dem Auge des Menſchen. Wie eine führerloſe Herde liefen ſie das Ufer entlang, blökend, ſtöhnend; drängten ſich und fuhren wieder auseinander; blickten in den Strom und verfolgten, in neue Klagen ausbrechend, ihren Weg. Dem Zuge voran ſchwebte ruhig mit ausgebreiteten Flügeln ein majeſtätiſcher Adler.

Sie kamen näher und näher. Die Prinzeſſin ſah, was dieſe Tiere trauernd begleiteten, es war eine Leiche. Halb entblößt lag ſie auf den Fluten, eine kräftige, ſchlanke Männergeſtalt. Das zurückgeworfene Haupt ruhte auf einem Arme, der andere lag auf der Bruſt. Die Augen waren geſchloſſen im tiefen – dem tiefſten Schlafe. Schwer hingen die aufgelöſten Locken um das dunkle Geſicht. Da entrang ſich ein Schrei der Bruſt der Königin. Verzweiflung und Glückſeligkeit, wahnſinniger Schmerz und jauchzendes Entzücken vereinten ſich in ihm.

„Abdul! – Abdul! – kömmſt du? – kommſt du zu mir?“… Und mit ausgebreiteten Armen ſtürzte ſie ſich hinunter in den Strom.

Wenige Augenblicke ſpäter trat der König auf die Terraſſe, und umfloſſen von roſigem Lichte ſtand die Fee vor ihm, Sie blickte hinunter: – die Wellen hatten ſanft die Leichen Abduls und der Königin auf die letzte breite Stufe der Marmortreppe geſpült. Der Knabe war hinabgeklettert, ſchmiegte ſich an ſeine Mutter und rief ſie mit ſüßen zärtlichen Namen. Aber ſie antwortete nicht; ſie hielt ihren Geliebten umſchlungen, und im erhabenen Ernſte des Todes trugen ihre Züge einen Ausdruck von ſo überirdiſchem Glück, wie ihn die beiden, die ſprachlos zu ihr niederſtarrten, auf dieſem Antlitz nie geſehen hatten.

Der König ſtand da wie ein Bild aus Stein; die Augen der Fee füllten ſich mit Tränen: auch die Unſterblichen weinen.

„Herr,“ ſprach ſie endlich, „habe Mitleid, verdamme ſie nicht.“

„Sie war mein Glück, ich habe ſie geliebt!“ erwiderte der König, ſtieg die Stufen hinab, nahm das Kind in ſeine Arme und drückte es an ſeine Bruſt.


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