Politisches (aber eigentlich doch nur, wie man über Politik redet)

(17 Kommentare.)

(Gerne überspringen, es ist ein untypischer Beitrag, mit dem ich gehadert habe.)

Herr Mess hat über Politik geschrieben, viel beachtet. Da steht, nicht überraschend, Vernünftiges: Gegen Spaltung der Gesellschaft, für Mäßigung in der Sprache, gegen Populismus und Beschwörung des Volkszorns. Der Blogeintrag beginnt mit einer Entschuldigung dafür, also für das Schreiben über Politik. Ich kann nie ganz nachvollziehen, woher das kommt. Ich lese gerne, wenn jemand über Politik schreibt; ich halte es für wichtig, dass man darüber redet. Auch in Blogs. In Comics, in Fiktion, in den Nachrichten, in Zeitungen. Der Gedanke ist ohnehin naiv, es gäbe unpolitische Nachrichten. Allein die Auswahl, was wo unter welcher Überschrift in der Zeitung erscheint, ist politisch. Die absolute Neutralitätforderung („nur die Fakten, eine Meinung bild ich mir selber“) kenne ich als Vorwurf eher aus konservativen Kreisen, nämlich dann, wenn Zeitungen zu woke oder zu klimabesorgt sind; aus der anderen, linken Ecke wird zwar moniert, dass etwa die Springer-Presse verfälscht und einfärbt, aber keine ideale Neutralität postuliert.

Ich ergänze kurz meine Meinung darüber, was eine politische Partei nicht darf, weil es den Diskurs vergiftet und die Demokratie gefährdet:

  • Nicht-Akzeptieren von Gewaltenteilung, insbesondere von Entscheidungen einer unabhängigen Justiz.
  • Berufen auf Volkswillen und schweigende Mehrheiten. (In einer repräsentativen Demokratie drückt sich der Volkswille in Wahlen aus. Anderen Volkswillen zu postulieren ist Populismus.)
  • Pressebashing, und zwar nicht bei einzelnen Zeitungen oder Sendungen, sondern gegen Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk und Mainstreammedien allgemein.
  • Sich als die Normalen präsentieren, im Gegensatz zu den anderen.
  • Abwertende Sprache, auch in der Metaphorik.
  • Sachen angreifen und nicht Personen. Andersherum natürlich: Personen angreifen statt Sachen (ist nicht zu tun!)

Das sind Gedanken, die ohnehin gerade so kursieren, ich habe nur zusammengestellte, was mir wichtig scheint. Darüber hinaus wäre natürlich schön, wenn eine Partei das Richtige tut und konstruktiv und ehrlich ist. Aber darüber kann man leichter verschiedener Meinung sein.

Mike Graf hat in seinem Blog auf Herrn Mess geantwortet, ebenfalls mit der Erklärung, eigentlich nicht gern über das Thema zu schreiben. Obwohl Herr Mess keine Parteien genannt hat, fühlt sich Mike Graf nicht repräsentiert; die Beispiele dort sind ihm zu einseitig und er bietet als Ergänzung einen Angriff auf die Grünen an. Dabei ist er „kein Freund von Bashing und eindimensionaler Kritik.“ Allerdings scheint mir sein Blogeintrag ein Musterbeispiel von Bashing und eindimensionaler Kritik. „Spalten, Diffamieren, Unterstellen, Pauschalieren“ wird kritisiert, aber dann geht es nur um grüne Themen und die Grünen, er macht die Verlogenheit der Grünen sogar zum Leitthema des Blogeintrags. So richtig mit Ich bin ja kein, ich stelle ja nur Fragen, mit Bashing des Öffentlich-Rechtlichen Journalismus, „es muss doch erlaubt sein“, gegen Gewalt von links wie von rechts, Winnetou-Witzchen, dem Vorwurf, dass da welche dem „Normalo“ Sprache und Ernährung vorschreiben wollen. Das sind so viele Alarmsignale, dass ich mich frage, ob das Absicht ist. Wie bringt man das zusammen, kein Bashing betreiben zu wollen und gleichzeitig den Grünen Verlogenheit als Prinzip zu unterstellen? Man macht es nicht gerne, aber die Umstände nötigen einen dazu?

Inhaltlich bin ich auch anderer Meinung als Mike, das überrascht sicher nicht. Vieles stimmt schlichtweg nicht, was er schreibt, aber da werden wir uns schwer einigen können. Aber der Tonfall? Zugegeben: Herr Mess nennt einen ehemaligen US-Präsidenten „eine prollige Mixtur aus Misogynie, Narzissmus, Dekadenz und Fremdenfeinlichkeit“, das ist nicht sachlich, oder jedenfalls nicht freundlich, aber damit habe ich kein Problem. Ich habe auch kein Problem damit, wenn der Bild Verlogenheit unterstellt wird, hier etwa beim Atomstrom aus Frankreich. Habe ich mit Mikes Blogbeitrag nur ein Problem, weil ich die Grünen anders sehe? Das glaube ich nicht, aber das wäre ein Diskussionsansatz.

Mikes Meinung will ich ihm gerne lassen. (Also, vorerst. Langfristig wünsche ich mir da schon eine Änderung, nicht bei ihm speziell, aber bei möglichst vielen anderen, die das so sehen; anderes Thema.) Könnte man sich nicht aber vorher im Diskurs mäßigen? Es unterlassen, zu diffamieren, unterstellen, pauschalieren? Oder ist das ein hoffnungslos bourgeoises Ansinnen? Von der Meinung her holt man viele nicht mehr zurück, glaube ich.

Mikes Schlusssatz stimme ich völlig zu „Ich hoffe, dass irgendwann die Erkenntnis die Oberhand gewinnt, dass uns Framing, Spalterei, Klüngelei und Besserwisserei nicht weiterbringen.“ Allerdings meint er damit wohl weiterhin nur die Grünen, das vergiftet den Satz etwas für mich.

Man möge die beiden Blogartikel lesen. Der eine wünscht sich gemäßigteren Austausch, der andere ist weniger eine Ergänzung als ein Beispiel für das, was kritisiert wird.


Kurze Fußnote zu Kant, weil Mike schreibt, dass er „Immanuel Kant’s kategorischen Imperativ für eine geeignete Grundlage des Zusammenlebens hält.“ Mir liegt die Besserwisserei im Blut, deshalb muss ich ergänzen, warum ich das nicht für eine geeignete, jedenfalls nicht für eine ausreichend Grundlage halte. Mike meint damit sicher nicht die Goldene Regel „Was du nicht willst, das man dir tu“, die gerne mal damit verwechselt wird und die etwas anderes ist und schon einmal deshalb keine solche Grundlage sein kann, weil es darin nur um persönliche Vorlieben geht. Der kategorische Imperativ kann vielmehr so formuliert werden: „Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.“

Erstens reicht das nicht, weil es manchmal Einigung jenseits der persönlichen Vorliebe geben muss. „An unmarkierten Kreuzungen links vor rechts“ erfüllt Kants Kriterien ebenso gut wie „rechts vor links“, dennoch sollte nur eine der beiden Maxime gelten. „Ich halte mich an die Verkehrsregeln“ ist außerdem gut, reicht aber nicht, um sich sicher im Verkehr zu bewegen: auch die anderen müssen sich daran halten, und ich müsste mich darauf verlassen können, dass sie sich daran halten. Wenn alle dem kategorischen Imperativ folgen, und alle wissen, dass alle ihm folgen, dann reicht das als Gesetz. Aber in dieser Welt leben wir nicht. Wenn ich finde, dass alle langsamer fahren sollen, und deshalb langsamer fahre, führt das nicht zu einem Tempolimit. Wenn ich der Maxime folge, weniger Fleisch zu essen oder weniger Müll zu produzieren, ändert das nichts an der Gesellschaft; das hat etwas vom Wunschdenken von: „Stell dir vor, es ist Krieg, und keiner geht hin.“ Nicht schlecht, aber auch nicht ausreichend. Natürlich muss sich die Gesellschaft Regeln und Gesetze geben.

Zweitens hilft er bei vielen Fragen überhaupt nicht, etwa ob schwule Ehen erlaubt sein sollen. Ob Crossdressing in der Öffentlichkeit erlaubt ist, ob Drag-Queen-Lesungen vor Kindern stattfinden dürfen. Darf ich als erkennbarer Mann in Frauenkleidern durch die Stadt laufen, weil jeder das dürfen sollte, oder darf ich das nicht, weil niemand das dürfen sollte, oder weil sonst alle das müssten? Welche Maximen ich als allgemeines Gesetz möchte, das kann von Mensch zu Mensch verschieden sein. Der kategorische Imperativ hat ein bisschen was von: „Der Markt regelt das“. Wenn schon nur eine Regel, dann die mit der Nächstenliebe.


Meine Diskurswünsche, auf Bildungstwitter (wo ich früher war) und am Stammtisch:

  • Ansichten des politischen Gegners oder Gegenübers nicht ins Lächerliche ziehen, keine Witzchen reißen. Humorlosigkeit als Ziel.
  • Keine Übertreibungen. Das heißt dann meist auch: keine Metaphorik. Sachlich bleiben. Keine Andeutungen, kein Drama, kein Cherrypicking.
  • Keine Beleidigungen. Keine verbalen Angriffe auf Personen, sondern auf Inhalte.

Das ist doch nicht übertrieben?

Nachtrag: Mike hat in seinem Blogeintrag ein bisschen ergänzt, wie er zu seiner Meinung kommt. Wenn ich ihn richtig verstehe, sieht er auch Spaltung und Streit in der Gesellschaft als Problem. (Fußnote: Mastodon-Thread zur Spaltungs-Metaphorik und warum die Spaltung vielleicht gar kein Problem ist. Bin nicht überzeugt, aber lesenswert.) Nur dass er als Auslöser oder Ursache den Aufstieg der Grünen sieht und impliziert, dass das mit einem Abstieg der Grünen wieder weggeht.


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17 Antworten zu „Politisches (aber eigentlich doch nur, wie man über Politik redet)“

  1. Unser gegenwärtiges Problem ist m.E. hochgekochter Streit, damit man weiter die Veränderung der Weltsituation nicht zu berücksichtigen braucht. Insofern bin ich bei dir.
    Kants kategorischer Imperativ bezieht sich aber nicht auf richtiges Handeln, sondern nur darauf, welches Handeln moralisch gut ist. Ihm geht es nur um Gesinnungsethik, weil er eine rein formale Bestimmung will, völlig ohne Bezug auf den Inhalt.
    Ihm ist völlig klar, dass solch moralisches Handeln tödliche Folgen haben kann.
    Was Mike Graf sich unter dem kategorischen Imperativ vorstellt?

  2. Poupou

    Mess und Graf sind für mich schöne Beispiele des Blogbeitrags als Rede an Publikum. Beide mit captatio benevolentiae und adhortativus (und sicher noch weiteren rhetorischen Stilmitteln, der Latein-LK ist fast 30 Jahre her), deiner dagegen fällt für mich eher in die Kategorie Essay (whatever), also erzählend, betrachtend, argumentierend, ich lese es eher als innere Auseinandersetzung mit dem Thema, woran du uns teilhaben lässt und nicht als nach außen gerichtete Rede. Ergibt das irgendeinen Sinn?

    LG
    Pou

  3. Sabine

    Aus der Liste der Dinge, die eine Partei deinem Wunsche nach nicht darf:

    „Sachen angreifen und nicht Personen“

    Kannst du das präzisieren? Ich verstehe nicht, was das bedeuten soll.

  4. Einfach nur danke für diesen Beitrag.

  5. @Sabine: Schlecht formuliert, man soll halt nicht sagen, dass der Andi Scheuer blöd ist, sondern dass die Mautidee blöd ist, und blöd umgesetzt.

  6. @Poupou: Das ergibt Sinn, aber ob es stimmt, dazu müsste ich überlegen. (Bin analytisch, selbstverliebt-monologisch und abschweifend, kann also gut sein.) Blog- und andere Web-Kommunikation analysiert, das täte mich interessieren. Einerseits weil Blogs so etwas von früher sind, andererseits lese ich gerade immer mehr neue.

  7. Norman

    „Stell dir vor“ Greta hätte sich nicht mit ihrem Pappschild an die Straßenecke gestellt.
    Wie sonst verändert sich eine Gesellschaft?

  8. Sabine

    Ah, danke, es ist aber immer noch missverständlich, weil die Liste ja Dinge nennt, die man nicht tun soll.

    Wir haben es ja mit einer Reihe von hoch komplexen Problemen zu tun, da würde ich mir schon oft wünschen, dass Menschen die politische Verantwortung tragen, mal vormachen, wie man komplexe Probleme von mehreren Seiten beleuchtet und sie konstruktiv – dabei gerne auch mit Eifer und Emotion – bearbeitet, um Lösungen zu finden.

  9. Blogtextanalyse interessiert mich per se, und konkret wüsste ich gerne, wieso Blogger die eine oder andere Form wählen. Was ist der Auslöser, einen Reisebericht mit „So, meine Damen und Herren, Sie haben es geschafft, der letzte Teil meines Reiseberichts!“ zu beginnen? Statt zB einfach mit dem Reisebericht zu beginnen? (Das ist nicht als Kritik gemeint, ich wüsste nur gerne wir es zustande kommt).

  10. >Was ist der Auslöser, einen Reisebericht mit „So, meine Damen und Herren, Sie haben es geschafft, der letzte Teil meines Reiseberichts!“ zu beginnen?

    Das wäre interessant, weil mich allgemein interessiert, wer heutzutage noch Blogs schreibt. Ich gönne sogar den Kochblogs das lange, lange Vorgeplänkel, bis es endlich zum Rezept kommt.

    Sabine: Ist ausgebessert, mein Fehler. Zu besserer Formulierung komme ich gerade nicht.

  11. Poupou

    Das lange Vorgeplänkel erzeugt u.a. die VG Wort. Wenn die Texte zu wenig Zeichen haben, gibt es kaum Geld, selbst bei hohen Abrufzahlen. Und als Lyrik lassen sich halt auch nur wenige Rezepte verkaufen. Wenigstens kann man sich nun Rohlinge für Vorgeplänkel von KI entwerfen lassen…

  12. Poupou

    SCNR, noch ein schönes aktuelles Beispiel: “Eventuell denken Sie in den letzten Tagen hin und wieder: „Bloggt eigentlich diese eine Frau nicht mehr?“, und die Antwort ist: Vorurlaubsrealität.“ (herzbruch.me).

    Wenn ich in meinem Blog Tabellen könnte, würde ich mal eine Sammlung anfangen.

    Hier out of context, aber fällt mir gerade mal wieder ein: noch eine spezielle Textsorte: https://de.wikipedia.org/wiki/Benutzer:Poupou_l%27quourouce/wir_müssen,_ach,_nun_scheiden die auch in die Kategorie Rede/Ansprache fällt.

    LG
    Poupou

  13. danke für deine Perspektive, die ich nahtlos teile.

  14. Ich verstehe deine Kritik an meinem Post und kann auch nachvollziehen, wenn jemand damit ein Problem hat. Ich finde es allerdings enttäuschend, wenn du mir Falschaussagen unterstellst, ohne diese zu benennen und dann eben zu berichtigen.
    Ansonsten war mein RANT auch ein Scheitern an den eigenen Ansprüchen, der mal wieder zum Ausdruck bringt, was eigentlich das zentrale Problem ist: Miteinander reden statt übereinander! Herr Mess hat mich getriggert, indem er in seinem Blog in meiner Wahrnehmung nur Fehlverhalten einer Couleur ansprach. Woraus du allerdings ableitest, dass ich die andere Richtung gut finde, erschließt sich mir bis heute nicht, denn ich habe ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die eindimensionale Kritik gerade nicht bedeutet, dass die andere Seite gut gefunden wird. Das ist mir wichtig zu betonen!

  15. Schön, von dir zu hören! Miteinander statt übereinander ist wichtig, aber wir haben halt keinen gemeinsamen Kanal; ich bin nur noch auf Blogs und bei Mastodon unterwegs. Falschaussagen: Ja, du hast recht, am liebsten würde ich tatsächlich sachlich diskutieren über: „Das stimmt nicht/Stimmt schon!“ Ich meinte zum Beispiel das „wir müssen Atomstrom aus Frankreich importieren, weil wir falsche Entscheidungen getroffen haben“, dazu habe ich oben einen ausführlichen Artikel verlinkt: https://www.volksverpetzer.de/faktencheck/atomstrom-frankreich-bild-luegt/ Aber vorher will ich weniger aufgeladene Sprache. Das ist rein mein Wunsch; niemand muss sich daran halten, insbesondere du nicht, und du musst deine Sprache auch gar nicht als aufgeladen betrachten. Als Vorwurf an mich könnte man das sogar „tone policing“ nennen, das Verlangen, sich im Ton zu mäßigen, auch bei gerechtfertigten Anliegen. (Dieser Vorwurf kommt allerdings meist aus der anderen Ecke, aber der geht natürlich in alle Richtungen.)

  16. Ich danke euch allen für den Input. Schön, dass sich da wirklich was losgetreten hat. Ist fast wie eine gute alte Blogparade. finde ich insgesamt interessant, warum wir das Thema Politik mit einem entsprechenden Widerwillen behandeln. Ist es das Thema an sich? Oder liegt es an dem Umstand, im Blog als Lehrer öffentlich politisch zu schreiben, und uns in eine unangenehme Position rückt. An sich sollten wir uns ja immer um eine entsprechende Objektivität bemühen. Die aber aufrecht zu erhalten, ist kaum möglich. Ein bisschen verrät man ja dann doch seine eigene Position. Dass bei mir gewisse Parteien mehr zur Erwähnung kamen als andere liegt allerdings nicht daran, dass es in der Debatte in einer Ecke nur Unschuldslämmer gibt. Aber für hier in Südbayern brüllen gewisse Richtungen deutlich lauter als andere und übertönen damit gerne mal das Blöken des Gegenüber. Daher mögen die gewählten Beispiele für Leute außerhalb der Region sehr einseitig klingen. Dass auf links/grüner Seite alles eitel Sonnenschein ist, wäre gelogen. Auch da geht’s mitunter sehr unsauber zu. Aber mir ging es vorrangig um die Sprache, mit der man redet. Und da stoßen mir gewisse Formulieren aus gewissen Ecken deutlich sauerer auf als aus anderen Lagern. Weil sie eine Diktion bedienen, die absichtlich aufs Eskalieren ausgerichtet ist. Weil sie absichtlich etwas Tabuisiertes von sich geben, was man vor Jahren so nie gesagt hätte. Einfach, um sich händereibend der medialen Aufmerksamkeit zu erfreuen, die man dafür erhält… bis dann tatsächlich Taten folgen und die verbalen Entgleiser wieder wortreich jede Verantwortung von sich weisen.

  17. wenn ich in meinem blog über politik schreibe, bekomme ich fast keine reaktion. bin ich zu harmlos oder denken alle bei mir lesenden genau wie ich? ich will die stimmung nicht weiter runterziehen und suche andere themen. objektiv will ich in meinem blog nicht sein, ich darf worte zum nachdenken rausschleudern oder hinstreichen.

  18. Ich schreibe und lese gerne über Politik, und ich finde, das gehört sich in einem Blog auch. Ich streite nur nicht gerne mit Menschen, die ich kenne, insbesondere, wenn sie sich irren. Deshalb schrieb ich vielleicht weniger, als ich dachte, das wird sich vielleicht ändern. (Auf die Kommentare hat das wohl kaum Auswirkungen, da sind mir die Zusammenhänge eh unklar.)

    Nachtrag: Der Haltungsturner über Scham: https://www.haltungsturnen.de/2023/06/scham.html – dass man sich früher wenigstens zu sehr geschämt hat, etwas zu sagen (oder zu wählen), und wie sich das durch den Sprachgebrauch mancher, die es besser wissen müssten, verschoben hat.

  19. Poupou

    Bei der Sache mit „früher hätte man sich wenigstens geschämt und die Klappe gehalten“ bin ich mir nicht so sicher, ob das zutrifft. Meine Beobachtung ist eher: früher war viel viel mehr offener und nicht hinterfragter Alltagsrassismus, Sexismus, Homophobie und Misogynie unterwegs. Viele haben sich da für gar nichts geschämt.

    Wenn ich daran denke, was ich selbst z.B. damals bei ihrem Amtsantritt über Frau Merkel gedacht und auch gesagt habe (die Frisur, die Stimme, die Kleidung, der Akzent…), kann ich mich heute nur schämen. Oder wenn ich an Bemerkungen denke, die intellektuell versierte und reflektierte Lehrer*innen an meinem Gymnasium über schwule oder übergewichtige Kolleg*innen uns Schüler*innen gegenüber fallen ließen. Einfach nur peinlich und aus heutiger Sicht unverständlich. Was haben Sie sich bloß dabei gedacht? Weshalb schien das akzeptabel?

    Dieselben Phrasen, viele Jahre später (von anderen) z.B. ausgesprochen über Andrea Nahles oder Saskia Esken, klangen in meinen Ohren dann schon fremdschämbedürftig. Ich meine, dass es hier schon einen Wandel gegeben hat – nicht nur bei mir selbst sondern auch allgemein – und dass vieles was früher ok war und nicht weiter auffällig, heute als unpassend wahrgenommen wird, und nicht nur von mir.

    Vielleicht gilt das nicht für ganz krass rechtsextreme Floskeln, die der Haltungsturner da vielleicht im Blick hat, die man früher eher für sich behalten hat. Wobei mich sein Argument, die Scham hätte extrem denkende Leute damals in den Volksparteien gehalten, nicht recht überzeugt. Scham ist meiner Meinung nach kein sinnvolles Motiv für eine Parteizugehörigkeit. Ich vermute eher, dass die erwähnten SPD-Stammtischkumpane sich damals für nichts schämen mussten, weil sie gar nicht so weit entfernt von dem waren, was im Alltag gang und gäbe war, weil sie sich im Konsens großer Teile ihrer Parteigenossen sicher fühlen konnten. Inwieweit sich das in den Volksparteien geändert hat, dafür fehlt mir der Einblick in die Parteien, meine Vermutung wäre: ja schon, so wie überall sonst auch?

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