Nach hundert Jahren wird etwas zur Antiquität, jedenfalls altersmäßig. Ich beobachte die Datumsgrenze gespannt.
Meine Großeltern haben das Büfett zu ihrer Hochzeit am 26.07.1923 erhalten, jedenfalls um diese Zeit herum, also setze ich ihren Hochzeitstag als Jubiläum für dieses Möbelstück. Es ist mit ihnen von Heilbronn nach Frankfurt gezogen und nach Westheim und nach Augsburg. Dort habe ich es kennengelernt, in der Wohnung nebenan. Da war es ein normales Möbelstück, ganz regulär im Einsatz, ordentlich erhalten, gut fünzig Jahre alt. Es stand im Wohnzimmer, ich weiß nicht mehr, was darin aufbewahrt wurde, Geschirr, glaube ich. Nach dem Tod meiner Großeltern kam das Büffet in den Keller, aus dem ich es in die drei Wohnungen holte, in denen ich in Augsburg gewohnt habe – Spenglergäßchen, Elias-Holl-Platz, Hoher Weg:

Dann zog es mit mir nach München um, erst in die untere Wohnung, in der Küche, später in einem manchmal „Wintergarten“ genannten Raum, weil unbeheizt, ein ehemaliger großer Balkon, irgendwann als zusätzlicher Raum abgeteilt. Gut zwanzig Jahre später in die obere Wohnung, wo es jetzt steht:

Links oben am Büffet kann man eine kleine Stange herausziehen, um etwas aufzuhängen, vorne kann man eine Art Tablett herausziehen. Das untere Teil ist 72 cm tief, also mächtiger, als es vielleicht aussieht.
Das Kruzifix oben gehört original dazu, ist allerdings einmal abgebeizt oder geschliffen worden, so dass das Kreuz heller ist. Daneben stehen eine Opiumpfeife und ein Buddha, Thailand 1975, aus einem Nachlass. Meine Wappentiere Plüsch-Cthulhu und Katta. Drinnen sind jetzt nur noch selten verwendete Sachen, und so freigeräumt ist es auch nie.



Die Schubladen sind unten mit dickem Bleistift (?) beschriftet. Bei Klick kriegt man das Bild in groß, wer’s zu lesen vermag, wir haben es mal halb entziffert.
(Was alles schon drin war: Spirituosen, Comics, DVDs, Gläser, Geschenkpapier, Geschirr, Kartons leer und voll, Geschenkpapier, Küchenkleinkram, Kleidung.)
Über meine Großeltern und insbesondere meinen Großvater muss ich auch noch schreiben, aber dazu muss ich erst Material sichten. 1910 die Volksschule abgeschlossen (noch im Königreich Württemberg), dann Lehre bei einer großen, noch heute existierenden Papierfabrik, Erster Weltkrieg, Aufstieg zum Prokurist, Nationalsozialismus: Ernennung zum (ehrenamtlichen) Bürgermeister, Entnazifizierung, Arbeitslosigkeit, Bahnangestellter, Bürgermeister (gewählt). Mittleres Bürgertum, recht katholisch; einmal im Jahr kam die Weißnäherin, um beim Ausbessern der Bettwäsche zu helfen – alte Laken wurden getrennt und neu zusammengenäht, so dass die alten Außenseiten jetzt innen und die durchgelegene Innenseite an den Rändern war. Zwei Söhne, der älteste im Krieg gefallen, vier Töchter. In meiner Kindheit und Jugend gab es dann auch viele Familienreisen und -treffen, in Augsburg, Berlin, Ascona, New York.
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