Nachwahlen in England: Framing in Schlagzeilen

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Im UK gibt es Wahlkreise wie bei uns: wer im Wahlkreis siegt, kommt ins Parlament. Aber es gibt keine Zweitstimme, das System heißt „First past the post (FPTP)“ im Gegensatz zu „Proportional representation (PR)“ wie bei uns. Wenn jemand aus welchen Gründen auch immer aus dem Parlament ausscheidet, gibt es eine Nachwahl (by-election) im entsprechenden Wahlkreis.

Gestern gab es Nachwahlen in drei Wahlkreisen, weil die entsprechenden Parlamentarier, alle Tories, aus verschiedenen jeweils wenig ehrenhaften Gründen zuzurückgetreten waren. Alle Wahlkreise waren traditionell stabil konservativ, insbesondere Uxbridge, der Wahlkreis des als Parlamentarier zurückgetretenen ehemaligen Premierministers Boris J. – aber weil die Stimmung im Land gerade wenig positiv für die Tories ist, wurde gespannt erwartet, wie in diesen drei Kreisen gewählt werden würde. Manche rechneten sogar damit, dass die Tories alle drei Kreise verlieren würden.

Das Ergebnis: Boris’ alter Wahlkreis blieb knapp konservativ (31000 abgegebene Stimmen, 45,16% Tory, 43,56% Labour), die anderen beiden gingen an Labour (36000 abgegebene Stimmen, 46% für Labour 35,5% Tory) beziehungsweise die Liberal Democrats (39000 abgegebene Stimmen, 54,5% Lib Dem, 26% Tory). Da nur ein Kandidat oder eine Kandidatin gewinnen kann, spielt taktisches Wahlverhalten eine größere Rolle als in einem Verhältniswahlsystem: wenn in einem Wahlkreis nur die Lib Dems eine Chance haben, die Tories zu schlagen, macht es weniger Sinn, Labour zu wählen, und umgekehrt.

Interessant ist, wie verschiedene Zeitungen, eher der konservativen oder der anderen Seite nahestehend, titeln. Für manche ist das eher eine Niederlage von Labour (weil die Tories Uxbridge gehalten haben), für andere eine Niederlage der Tories (weil die zwei Kreise verloren haben), für wiederum andere ein Sieg von Labour und Liberal Democrats. Nur ein Sieg für die Tories, das schreibt keine Zeitung. Unterhalb der Titelzeile stehen natürlich die gleichen Fakten, aber die Überschrift gibt schon einmal die Stimmung vor. Hier eine Auswahl, online zusammengesucht.

(Former) Broadsheets

Labour fails to win Uxbridge amid Ulez revolt
(Telegraph)

Sunak dealt two by-election blows but Tories cling on to Johnson’s former seat
(Später auch: ) Tory drubbing as they lose two safe seats after dramatic recount
(Independent)

Historic win for Labour in Selby, as Conservatives retain Uxbridge
(Guardian)

Tories suffer two by-election defeats in safe seats
(The Times)

Conservatives lose two seats but hold on to Uxbridge
(Financial Times, aber weit unten)

Tabloids

Tories unexpectedly hold Uxbridge – but Selby is an historic Labour gain and the Lib Dems batter them in Somerton: Rishi Sunak avoids wipe-out as Sadiq Khan’s hated Ulez is blamed for Labour failing in Boris’s old seat on an otherwise bruising night
(Daily Mail)

PM avoids by-election wipe-out with unexpected win – but Labour makes historic gain, Lib Dems thrash rivals in Somerton
(Express)

Lib Dems and Labour voters wipe out two Tory strongholds in bloodbath
(Mirror, aber nicht als Aufmacher)

Tories HOLD Boris‘ old seat in by-election blow for Keir – but lose two others
(The Sun)

Dass die Tories nicht auch Uxbridge verloren haben, wird von manchen auf die Londoner ULEZ-Regelungen zurückgeführt. ULEZ: Ultra Low Emission Zone. Wer mit einem Auto ohne nachgewiesenen geringeren Schadstoffausstoß nach London fahren will, muss Geld zahlen – zuerst galt das nur für den inneren Teil, in den letzten Jahren wurde das aber beständig ausgeweitet. Angekündigt wurde das einst noch von Boris Johnson selber. Vor allem die Pendler im Umkreis von London sind gegen diese Maßnahmen.


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Eine Antwort zu „Nachwahlen in England: Framing in Schlagzeilen“

  1. Danke für die Neuigkeiten!

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