Und schon wieder eine Blogparade, diesmal zum Thema: Arbeitszeitmessung in der Schule. Es geht nicht darum, glaube ich, alle paar Jahre die Arbeitszeiten der verschiedenen Schularten und Fächer zu messen, obwohl auch das ein Gewinn wäre, sondern darum, als einzelne Lehrkraft konstant – wenn auch notgedrungen nur ungefähr – die Arbeitszeit zu messen.
Andere Stimmen
Jan-Martin glaubt, dass Belohnungen kontraproduktiv sind, und dass man manchmal einfach gerne mehr Zeit als vorgesehen in schöne Schulprojekte steckt und diese Freiheit auch braucht. Bei letzterem gebe ich ihm recht, bei ersterem nicht: Erstens reden wir nicht von – finanziellen oder anderen – Belohnungen, sondern von Gerechtigkeit; zweitens können auch finanzielle Belohnungen in der Schule sehr wohl motivieren, auch wenn Jan-Martin den Korrumpierungseffekt bemüht. Wenn ich ab und zu einen Bonus nach getaner Arbeit erhalten habe, war das eher Aufforderung, weiter zu machen – mit notgedrungen anderer Arbeit, natürlich, weil die Arbeit immer eine andere ist, und vielleicht greift der Korrumpierungseffekt daher nicht.
Die reine Leere schreibt ausführlich dazu, ist ebenfalls skeptisch, weil er nicht glaubt, dass das etwas bringt. Was soll man den machen, fragt er, wenn der Zeitaufwand für Elterngespräche steigt – keine mehr führen? Und er glaubt, dass manche Lehrkräfte herausfinden würden, dass sie gar nicht so viel arbeiten, wie sie vielleicht glauben.
Kubiwahn ist bei beamteten Lehrkräften auch eher dagegen. Die müssen und können selber ein Instrumentarium entwickeln, um mit der Zeit zurecht zu kommen – eben auch Abkürzungen nehmen, etwas schlampiger vorbereiten, solche Sachen. Auch dem stimme ich zu. Er weist auf die Schwierigkeiten hin, vergleichbare Kriterien zu schaffen: Schulleitung am einen Ort macht unterschiedlich viel Arbeit als Schulleitung am anderen Ort.
Herr Mess ist auch eher skeptisch. Er sieht Transparenz nach innen und außen als Vorteil, aber die Schwierigkeiten in der Praxis scheinen ihm schwer zu wiegen. Es stimmt ja auch: was zählt denn alles zur Arbeitszeit? Die Antwort kommt in einem Kommentar dort: fast alles. Im Moment gibt es ja keine Arbeitszeiterfassung und kein Konzept, wie man mit Überstunden umgehen könnte. (Als abgeordnete Lehrkraft am Kultusministerium gibt es das sehr wohl, die schieben alle massiv Überstunden, heißt es; wie damit umgegangen wird, weiß ich nicht. Ich kann mir aber nicht recht vorstellen, dass ich weniger Überstunden leiste.) Es gibt nur „vergütungsfähige Mehrarbeit“ für zusätzlichen Unterricht über einer gewissen Grenze, aber eben auch nur für Unterricht: andere Art Arbeit wird nicht erfasst.
Ein Gastbeitrag vom Lehrer mit Bart bei Jan-Martin, der – ich möchte sagen: endlich einmal – sich klar für Arbeitszeiterfassung ausspricht und das auch begründet.
Auch gegen Arbeitszeiterfassung ist das blog.fengler.schule. Ihm geht es ähnlich wie Jan-Martin – manchmal will man einfach vier Stunden an der Vorbereitung einer einzigen Unterrichtsstunde sitzen. Und wer diese Freiheit nicht hat, argumentiert er ganz nachvollziehbar, wird dann von Anfang an darauf getrimmt, soundso viel Prozent auf die Unterrichtsvorbereitung zu legen, soundsoviel Prozent auf Elterngespräche, und geht damit der Freiheit verlustig, die unseren Beruf auch so schön macht.
Nachtrag: Andere Schulart, aber bei Neues aus dem Baumhaus wird ein Modell vorgestellt mit a) Arbeitsplätzen und Anwesenheitspflicht in der Schule und b) festen Verteilungen, wie viele Stunden auf Unterrichtszeit und Vorbereitung und anderes entfallen sollen.
Meine eigene Gedanken
Durchaus angeregt durch das, was ich oben alles gelesen habe.
Wie sähe das praktisch aus?
Ach, schon machbar. Die Unterrichts- und Vertretungsstunden und Aufsichten werden schon jetzt erfasst, bei Konferenzen wird man das auch können. Aber sehr viel wird man manuell und selbstständig in eine App oder ein Tabellendokument eintragen müssen. Das geht.
Zweck oder Konsequenzen einer Arbeitszeiterfassung
1. Einsparmaßnahme oder das Gegenteil davon
Die einen wollen damit vielleicht erreichen, dass man Lehrkräften noch eine Extrastunde zumuten kann, weil die dann doch noch Ressourcen freihaben, die anderen wollen damit vielleicht erreichen, dass man Lehrkräften mehr Geld zahlen muss oder sie fürs gleiche Geld weniger arbeiten lässt. Beide Anlässe sind für mich nicht sehr wahrscheinlich und nicht sehr relevant; das könnte man auch ohne Arbeitszeit haben. Ob der politische Wille zum einen oder zum anderen größer ist, wenn man eine Statistik dazu hat, bezweifle ich.
2. Mehr Gerechtigkeit
Also: Gleiches Geld für gleiche Arbeit. Aber was heißt schon gleich? Warum verdiene ich mehr als ein Krankenpfleger, warum mehr als ein Grundschullehrer? Das hat etwas mit Angebot und Nachfrage zu tun, mit Qualifikation, mit gesellschaftlicher Übereinkunft und Geschlechterrollen, ein schwieriges Thema.
Das blende ich bequemerweise alles aus. Aber ich möchte als Deutschlehrer eigentlich nicht mehr arbeiten müssen als Lehrkräfte anderer Fächer an meiner Schulart. Das muss ich im Moment, und das finden manche auch ganz okay. („Augen auf bei der Fächerwahl“ oder: „Mit Mathe muss man im Studium viel arbeiten, mit Deutsch halt danach.“)
Sagen wir zur Ehrenrettung all jener, die sich jetzt auf den Schlips getreten fühlen: Ich möchte meine Arbeitszeit auch so frei einteilen können, mich auch so sehr auf Fortbildung oder Unterrichtsvorbereitung kaprizieren können wie jemand in einem Fach, in dem es keine vorgeschriebenen Übungsaufsätze gibt. (In anderen Bundesländern oder Schularten mag das alles anders sein.)
3. Lenkung der Arbeitszeit, oder, wenn man will, Gängelung
Im Moment verwende ich 35% meiner Arbeitszeit auf Unterricht und 15% auf Konferenzen und andere fixe Termine, so dass 50% für Korrekturen, Mitgestaltung des Schullebens und Unterrichtsvorbereitung bleiben. Das ist für alle Fächer an meiner Schulart ähnlich. Es könnte einerseits herauskommen, dass 15% für Konferenzen zu viel ist; dafür braucht es aber keine Arbeitszeiterfassung, das kann man ja jetzt schon ausrechnen.
Ich denke, die Arbeitszeiterfassung ist vor allem für diese restlichen 50% interessant. Da wird herauskommen, dass manche Fächer einen höheren Korrekturanteil erfordern, andere Fächer mehr Zeit für die Mitgestaltung des Schullebens oder die Unterrichtsvorbereitung ermöglichen. Besteht der Wille, daran etwas zu ändern, oder ist das halt so?
Bei der Arbeitszeiterfassung wird außerdem herauskommen, dass manche Lehrkräfte die disponiblen 50% ihrer Arbeitszeit gar nicht ausschöpfen. Die müssen dann mehr machen, wenn sie ehrlich sind. Wie soll das aussehen? Einfach schummeln, oder mehr Fortbildung, oder mehr Aufsichten?
Es wird außerdem herauskommen, dass wiederum andere Lehrkräfte mehr arbeiten als vorgesehen. Und denen müsste man sagen: du verwendest zu viel Zeit für Unterrichtsvorbereitung, schränke dich ein; oder: du verwendest zu viel Zeit für Korrekturen, mach schneller; oder: lass das mit den Projekten und Aufführungen, dazu hast du keine Zeit. Wäre das in Ordnung? Oder man müsste ihnen sagen: arbeite effizienter, trödele nicht so viel herum.
Ich stimme Jan-Martin und fengler oben zu: Manchmal möchte man viele Stunden auf eine einzige Klasse und Unterrichtsstunde verwenden. Diese Freiheit braucht man. Ich gehe davon aus, dass man auch dabei etwas lernt oder übt, das man in irgend einer Form wiederverwenden kann. Dass man ständig viele Stunden auf eine einzige Klasse und Unterrichtsstunde verwendet und dann über Belastung klagt oder auch nicht klagt: das halte ich für falsch.
Was ich gerne hätte
Am Anfang des Schreibens war ich noch für die Arbeitszeitmessung. Am Ende bin ich es auch noch, aber nicht mehr so sicher. Es gibt auf jeden Fall auch andere Möglichkeiten, meine Ziele zu erreichen, für die keine permanente Arbeitszeitmessung nötig ist.
Darunter etwa: Die Prüfungszahl reduzieren. Eine große schriftliche Prüfung pro Halbjahr. Das tut jedem Fach gut und entlastet Deutsch überproportional. Außerdem könnte man mit weniger Prüfungen im Fach Deutsch mehr schreiben üben.
Und wer Deutsch unterrichtet, muss weniger unterrichten. Das kann man gerne noch weiter differenzieren nach Jahrgangsstufen und anderen Fächern, aber irgendwo wird sicher die Grenze erreicht sein, wo mehr Differenzierung zu umständlich wird. Da sind wir aber noch nicht.
Außerdem: Anzahl und Dauer nicht-unterrichtlicher Pflichttermine reduzieren.
Schließlich: Unterstützendes Personal an Schulen anstellen. Mehr Sekretariat, auch für Lehrkräfte. Klar, das wäre dann teuer.
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