Vorab: Ich mag keine Sprachnachrichten. Ich verschicke sie nicht und ich ärgere mich (still und höflich), wenn ich welche kriege.

Dennoch bin ich gerade zum ersten Mal dabei, meinen Schülerinnen und Schülern der Oberstufe Rückmeldungen auf ihre Übungsaufsätze in Form von Sprachnachrichten zu geben.
Andere Deutsch-Lehrkräfte – so höre ich gelegentlich in den sozialen Medien – machen das schon länger. Ich habe nur mal, ist sicher auch schon fünfzehn Jahre her, einer Kollegin assistiert und deren Prüfungsaufsätze handschriftlich auf formale Richtigkeit hin korrigiert, während sie ergänzende Kommentare als Audiodatei aufnahmen – sie konnte aufgrund einer Verletzung weder länger schreiben noch tippen.
Auf Mastodon stieß dieses Vorhaben vor allem auf Kritik und Verwunderung – warum nur, fragte man, und dass diese Art der Rückmeldung einen doch in den Wahnsinn treiben würde, also, wenn man sie so kriegt. (Es handelte sich durchweg um Erwachsene außerhalb der Schulsituation.)
Warum: Hauptsächlich deshalb, weil es mir Zeit spart. Ich brauche eine Viertelstunde pro (kurzem) Oberstufenaufsatz, heraus kommen 7 bis 8 Minuten Audiodatei, meine Hände und vor allem die Nerven bleiben geschont. Vielleicht ist das auch nur der Reiz des Neuen, vielleicht kann ich mich auch einfach nicht mehr so gut konzentrieren wie früher. Ich habe allerdings auch die Hoffnung, dass diese Art der Rückmeldung für die Schüler und Schülerinnen auch Vorteile hat.
Darf ich das überhaupt? Ja. Ab der späteren Mittelstufe ohnehin, wo wir uns mit dem Kultusministerium auf die Fiktion geeinigt haben, dass alle Aufsatzformen bis dahin bekannt sind und schon mal als Übungsaufsatz korrigiert wurden. Davor darf ich das wahrscheinlich auch, aber da müsste ich länger darüber nachdenken und abwägen, wie sinnvoll das pädagogisch ist
Also gut, wie sinnvoll ist das pädagogisch? Das ist die interessante Frage. Ich will gerne möglichst viel für meine Schülerinnen und Schüler tun, aber eben nur im Vergleich zum Aufwand dazu; da muss ich abwägen. Im Folgenden sammle ich pädagogische Argumente für das Audiodatei-Feedback, in Zukunft komme ich hoffentlich dazu, von meinen Erfahrungen und Rückmeldungen der Klassen zu berichten.
- Das frustrierende Rot bei der Rückmeldung bleibt weg.
- Ich kann mich nuancierter ausdrücken als schriftlich, zumindest bietet der Tonfall einen zusätzlichen Informationskanal.
- Die Schüler und Schülerinnen werden gezwungen, sich noch einmal mit ihrem Aufsatz auseinanderzusetzen. Ich glaube nicht, dass das sonst viel geschieht. Zwar glaube ich, dass sich die SuS meine Anmerkungen aufmerksam durchlesen – oft hört man, dass die meisten sich die Rückmeldung ja eh nicht anschauen würden; das glaube ich nicht. Aber den Aufsatz noch einmal durchlesen, das kommt wahrscheinlich nicht oft vor. Im Idealfall öffnen die SuS ihren Aufsatz und hören meine Bemerkungen parallel, schon mal, um herauszufinden, worauf ich mich jeweils beziehe, und machen Anmerkungen dazu – der erste Schritt zu einer Überarbeitung, die wir üben sollen, die aber niemandem in den Kram passt.
Die Gegenargumente, die ich gehört habe, scheinen sich eher auf Sprachnachrichten allgemein zu beziehen: 1. Man möchte das Wichtige schnell mal nachlesen können. (Ja, aber ich möchte, dass sich die SuS das Wichtige beim Anhören unter ihren Aufsatz notieren.) 2. Man muss es ganz anhören, ob nicht etwas Wichtiges dabei ist, weil man es nicht überfliegen kann. (Ja, eben.) 3. Den Aufsatz ohne das Audio, das Audio ohne Kommentar, das macht doch keinen Sinn. (Sehe ich auch so. Ich hoffe, dass die SuS das berücksichtigen.)
Dennoch halte ich insgesamt ausführliche Textrückmeldung für sinnvoller. Selber hätte ich gerne welche. Allein, ich möchte mich auch mal fühlen wie eine Lehrkraft in den anderen Fächern, und Audiofeedback ist da sehr viel praktischer für mich.
Jetzt endlich: Was sagen die Schülerinnen und Schüler dazu
Die 12. Klasse fand der weitaus größte Teil das Audiofeedback hilfreich und eher besser als das übliche schriftliche. In der 11. Klasse war das gemischter, da hätten geschätzt etwas mehr als die Hälfte doch lieber die schriftliche Rückmeldung gekriegt.
Bei diesen Zahlen mache ich bis auf Weiteres Audiofeedback, wenn es irgend möglich ist. Nicht in der Unterstufe, und in der Mittelstufe abhängig von Alter, Aufsatzart, Klassensituation. Nächste Stufe dann: KI.
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Ceterum censeo: Zu Übungsaufsätzen habe ich schon viel und oft geschrieben. Übungsaufsätze sind wichtig. Die Korrektur von Übungsaufssätzen: weniger. Vor zwanzig Jahren, als ich angefangen habe, schrieben die Schüler und Schülerinnen viel mehr; ich korrigierte mehr; ich sammelte die Hefte ein und schaute mir die Heftführung an. Es gab mehr Hausaufgaben. Von all dem ist jetzt sehr viel weniger da, denn das ist da, wo ich einsparen kann. Ich würde gerne zu den ursprünglichen Zuständen zurück, weil ich glaube, dass die Schüler und Schülerinnen dabei mehr lernten, aber das entscheide ja nicht ich.
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