Audiofeedback zu Übungsaufsätzen

(16 Kommentare.)

Vorab: Ich mag keine Sprachnachrichten. Ich verschicke sie nicht und ich ärgere mich (still und höflich), wenn ich welche kriege.

Dennoch bin ich gerade zum ersten Mal dabei, meinen Schülerinnen und Schülern der Oberstufe Rückmeldungen auf ihre Übungsaufsätze in Form von Sprachnachrichten zu geben.

Andere Deutsch-Lehrkräfte – so höre ich gelegentlich in den sozialen Medien – machen das schon länger. Ich habe nur mal, ist sicher auch schon fünfzehn Jahre her, einer Kollegin assistiert und deren Prüfungsaufsätze handschriftlich auf formale Richtigkeit hin korrigiert, während sie ergänzende Kommentare als Audiodatei aufnahmen – sie konnte aufgrund einer Verletzung weder länger schreiben noch tippen.

Auf Mastodon stieß dieses Vorhaben vor allem auf Kritik und Verwunderung – warum nur, fragte man, und dass diese Art der Rückmeldung einen doch in den Wahnsinn treiben würde, also, wenn man sie so kriegt. (Es handelte sich durchweg um Erwachsene außerhalb der Schulsituation.)

Warum: Hauptsächlich deshalb, weil es mir Zeit spart. Ich brauche eine Viertelstunde pro (kurzem) Oberstufenaufsatz, heraus kommen 7 bis 8 Minuten Audiodatei, meine Hände und vor allem die Nerven bleiben geschont. Vielleicht ist das auch nur der Reiz des Neuen, vielleicht kann ich mich auch einfach nicht mehr so gut konzentrieren wie früher. Ich habe allerdings auch die Hoffnung, dass diese Art der Rückmeldung für die Schüler und Schülerinnen auch Vorteile hat.

Darf ich das überhaupt? Ja. Ab der späteren Mittelstufe ohnehin, wo wir uns mit dem Kultusministerium auf die Fiktion geeinigt haben, dass alle Aufsatzformen bis dahin bekannt sind und schon mal als Übungsaufsatz korrigiert wurden. Davor darf ich das wahrscheinlich auch, aber da müsste ich länger darüber nachdenken und abwägen, wie sinnvoll das pädagogisch ist

Also gut, wie sinnvoll ist das pädagogisch? Das ist die interessante Frage. Ich will gerne möglichst viel für meine Schülerinnen und Schüler tun, aber eben nur im Vergleich zum Aufwand dazu; da muss ich abwägen. Im Folgenden sammle ich pädagogische Argumente für das Audiodatei-Feedback, in Zukunft komme ich hoffentlich dazu, von meinen Erfahrungen und Rückmeldungen der Klassen zu berichten.

  • Das frustrierende Rot bei der Rückmeldung bleibt weg.
  • Ich kann mich nuancierter ausdrücken als schriftlich, zumindest bietet der Tonfall einen zusätzlichen Informationskanal.
  • Die Schüler und Schülerinnen werden gezwungen, sich noch einmal mit ihrem Aufsatz auseinanderzusetzen. Ich glaube nicht, dass das sonst viel geschieht. Zwar glaube ich, dass sich die SuS meine Anmerkungen aufmerksam durchlesen – oft hört man, dass die meisten sich die Rückmeldung ja eh nicht anschauen würden; das glaube ich nicht. Aber den Aufsatz noch einmal durchlesen, das kommt wahrscheinlich nicht oft vor. Im Idealfall öffnen die SuS ihren Aufsatz und hören meine Bemerkungen parallel, schon mal, um herauszufinden, worauf ich mich jeweils beziehe, und machen Anmerkungen dazu – der erste Schritt zu einer Überarbeitung, die wir üben sollen, die aber niemandem in den Kram passt.

Die Gegenargumente, die ich gehört habe, scheinen sich eher auf Sprachnachrichten allgemein zu beziehen: 1. Man möchte das Wichtige schnell mal nachlesen können. (Ja, aber ich möchte, dass sich die SuS das Wichtige beim Anhören unter ihren Aufsatz notieren.) 2. Man muss es ganz anhören, ob nicht etwas Wichtiges dabei ist, weil man es nicht überfliegen kann. (Ja, eben.) 3. Den Aufsatz ohne das Audio, das Audio ohne Kommentar, das macht doch keinen Sinn. (Sehe ich auch so. Ich hoffe, dass die SuS das berücksichtigen.)

Dennoch halte ich insgesamt ausführliche Textrückmeldung für sinnvoller. Selber hätte ich gerne welche. Allein, ich möchte mich auch mal fühlen wie eine Lehrkraft in den anderen Fächern, und Audiofeedback ist da sehr viel praktischer für mich.

Jetzt endlich: Was sagen die Schülerinnen und Schüler dazu

Die 12. Klasse fand der weitaus größte Teil das Audiofeedback hilfreich und eher besser als das übliche schriftliche. In der 11. Klasse war das gemischter, da hätten geschätzt etwas mehr als die Hälfte doch lieber die schriftliche Rückmeldung gekriegt.

Bei diesen Zahlen mache ich bis auf Weiteres Audiofeedback, wenn es irgend möglich ist. Nicht in der Unterstufe, und in der Mittelstufe abhängig von Alter, Aufsatzart, Klassensituation. Nächste Stufe dann: KI.

***

Ceterum censeo: Zu Übungsaufsätzen habe ich schon viel und oft geschrieben. Übungsaufsätze sind wichtig. Die Korrektur von Übungsaufssätzen: weniger. Vor zwanzig Jahren, als ich angefangen habe, schrieben die Schüler und Schülerinnen viel mehr; ich korrigierte mehr; ich sammelte die Hefte ein und schaute mir die Heftführung an. Es gab mehr Hausaufgaben. Von all dem ist jetzt sehr viel weniger da, denn das ist da, wo ich einsparen kann. Ich würde gerne zu den ursprünglichen Zuständen zurück, weil ich glaube, dass die Schüler und Schülerinnen dabei mehr lernten, aber das entscheide ja nicht ich.


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16 Antworten zu „Audiofeedback zu Übungsaufsätzen“

  1. Tanja

    Ich habe mehrere Jahrgänge an einem Internat unterrichtet, an dem eine Gruppe SuS das 1. Halbjahr der 11. Klasse auf Reisen war und gemischt vor Ort von mitreisenden KuK und online unterrichtet wurde. Im Onlineunterricht haben die SuS Audiokommentare viel aufmerksamer wahrgenommen als alles, was ich schriftlich kommentiert habe. Aufiofeedback fühlt sich für viele SuS eher so an, als würden KuK direkt mit ihnen sprechen, so wie in der live stattfindenden Unterrichtssituation.
    Bei schriftlichen Kommentaren muss ich SuS immer dazu zwingen, sich noch einmal mit ihrem Text und meinen Anmerkungen zu beschäftigen, bei Audiofeedback funktioniert das irgendwie besser. Ich kann das nur empfehlen!

  2. Thorsten

    Was mit sehr viel Zeit einspart und die Übersichtlichkeit für die SuS enorm verbessert: immer einen am PC erstellen Rückmeldebogen erstellen, der auch mein gesamtes frei formuliertes Feedback enthält.
    Für die SuS leichter lesbar. Ich kann Copy& Paste aus einem parallel geöffneten Steinbuch-Dokument machen, das kopiere aber beliebig ändern und abstufen. Und ich habe immer eine Kopie des Feedbacks, die ich bei der Korrektur der nächsten Arbeit ebenfalls öffnen und einfließen lassen kann.

  3. Auch wenn ich Sprachnachrichten (bis auf wenige Ausnahmen) für ein Werk des Teufels halte, kann ich mir in Deinem speziellen Anwendungsfall durchaus vorstellen, dass das sinnvoll sein kann. So können die SuS sich die Stelle im Aufsatz anschauen und gleichzeitig die Anmerkung von Dir dazu hören.

    Eine Steigerung wäre noch ein Audiokommentar, der direkt im Aufsatz als Kommentar verlinkt ist (macht aber natürlich viel mehr Arbeit und dürfte einige technische Probleme mit sich bringen).

  4. Aginor

    Da schießt schon gleich der Blutdruck hoch. :D

    Ich bin auch ein Feind der Sprachnachricht an sich (wenn ich welche bekomme höre ich sie einfach nicht an, das hat Leute dazu erzogen mir keine mehr zu schicken), aber in dem Anwendungsfall wäre wohl ein zähneknirschendes „Meinetwegen“ drin.

    Ergänzende Idee:
    Ein automatisch generiertes Transkript anbieten (oder den SuS zeigen wie sie selbst eines anfertigen können). Ich nehme an dass Sie üblicherweise recht flüssig sprechen, in dem Fall sollte es einem Programm hinreichend leicht fallen die Sprachnachricht in Text umzuwandeln.
    Klar, Tonfall geht da auch verloren, aber andere Vorteile der textuellen Kommunikation können erreicht werden, während zugleich die Finger geschont bleiben.

    EDIT: Whisper wäre ein Kandidat, ohne Cloud wegen Datenschutz:

    https://linux-bildung.at/2023/04/whisper-speech-to-text-engine/

    Gruß
    Aginor

  5. Ganz banale Frage: Auf welchen Kanal werden die Sprachnachrichten den SuS übermittelt? Da müssen ja auch erstmal alle empfangen können.

  6. @Tanja: Danke für den Einblick und die Ermunterung dazu!

    @Thorsten: Rückmeldebogen wäre auch eine gute Idee, aber… ah, ich weiß nicht, da muss ich ja schon wieder dauernd Entscheidungen fällen. Aber ich habe das nie ernsthaft genug probiert. (Dann aber ohne Freitext. Uh, was ist ein Steinbuch-Dokument?)

    @Flusskiesel: Technisch reizvoll, der Audiokommentar an bestimmen Stellen, aber noch nur aufwendig umsetzbar. Aber wenn ich einfach nur einen long press ausführen und sprechen müsste, vielleicht.

    @Aginor: Whisper habe ich lokal installiert und auch schon produktiv verwendet. Da merkt man schön, wie rechenintensiv das doch ist, mein Laptop wird da sehr laut und braucht auch sehr lange. (Getestet mit Podcast-Transkription für Hörverstehensübung, die dann auch mit KI.) Ich weiß aber nicht, ob Text-fürs-Hören mir als Lesetext entgegenkäme, anders als Text-fürs Lesen.

    @Inés: Die Aufgaben werden als Dokument oder Scan in den Mebiskurs hochgeladen, das ist die bayerische Moodle-Variante; für die Lehrkraft gibt es als Feedbackmöglichkeit Freitext oder Datei (Audio oder Dokument). Die SuS werden darüber benachrichtigt, wenn die Rückmeldung eingetroffen ist, intern bei Mebis (wo niemand nachschaut) oder per E-Mail (wenn die das nutzen).

  7. @Aginor: Ach ja, tatsächlich spreche ich nur mäßig flüssig und vor allem sehr undeutlich, nuschelnd, hastig. Immerhin, beim Aufnehmen bemühe ich mich, drücke fleißig auf Pause, um mich zu sammeln, im Laufe der Übung bin ich besser gewiorden.

  8. […] Herr Rau testet Feedback an Schüler*innen per Sprachnachricht. Mein erster Gedanke war: Als Schüler würde mich das wahnsinnig machen. Mein zweiter: Ach, Quark, das hätte ich einfach genau so ignoriert wie damals das geschriebene Feedback. Als Außenstehender ein spannendes Experiment. Ich möchte bitte wissen wie es weitergeht: Audiofeedback zu Übungsaufsätzen […]

  9. Lempel

    Ist es möglich, dass Sie ein Beispiel so eines Audio- Feedbacks mal vorstellen könnten? Ich kann mir nämlich nicht genau vorstellen, wie Sie das konkret umsetzen. Gehen Sie Abschnitt für Abschnitt durch? Wie kommen Sie zu Ihren Aussagen? Ein Audiofeedback setzt doch trotzdem eine Korrektur voraus oder nicht? Bekommen die Schüler abgesehen vom Audiofeedback ihren Aufsatz blank zurück?

  10. Beispiel ist schwierig, weil ich mindestens aus rechtlichen (und pädagogischen) Gründen ohne wirksame Einwilligung keine echte Rückmeldung veröffentlichen kann. Ich gehe Abschnitt für Abschnitt durch, ja, und sage, was mir auffällt. Zwischendrin sage ich immer wieder mal „bin jetzt auf Seite zwei“ oder so. Wie ich zu meinen Aussagen komme: genauso wie bei jeder anderen Korrektur? Ich lese den Aufsatz und kommentiere zu Dingen, die mir gut oder schlecht erscheinen. Was fehlt, sind Fehler zu Satzbau und Rechtschreibung, die ich dann nur in Einzelfällen anspreche, wenn es um error geht und nicht um mistake. Ja, die SuS kriegen den Aufsatz ansonsten blank zurück.

  11. Lempel

    Danke für die zusätzlichen Informationen. Ich kann mir es jetzt besser vorstellen.

  12. War bei mir damals genauso. Ich habe in einem der Lockdowns mal Audiofeedback über Christian Mayrs HyFee gegeben und dazu auch einen kleinen Artikel geschrieben. Lief tatsächlich toll und das Feedback war deutlich differenzierter als der Standardsatz, den man in Latein unter die Arbeiten schreibt (mehr Grammatik, zu viele Wortschatzverwechslungen). Dadurch wurde das Vorhaben aber tatsächlich auch länger als geschrieben. Wir schreiben halt anders als in Deutsch halt auch keine langen Wortgutachten. Aber selbst Eltern zeigten sich begeistert.

    FYI :

    https://herrmess.de/2021/11/22/hyfee/

  13. Danke für die Ergänzung, ich wusste, dass ich schon zu Audioexperimenten gelesen hatte, aber nicht mehr wo. (Deutsch ist leider immer Sonderfall.)

  14. -thh

    Die Idee ist nicht neu – schon vor 30 Jahren boten juristische Repetitorien für ihre Klausurenkurse zur Vorbereitung aufs erste Staatsexamen (heute: EJP) „Kassettenkurse“ an: mit der Klausur wurde eine leere Kompaktkassette abgegeben, die schriftliche Korrektur beschränkte sich auf die üblichen kurzen Zeichen und Randkommentare sowie einen knappen Satz, dafür wurde auf der Kassette eine individuelle Besprechung geliefert. Tolle Sache; man kann sich das einmal schon auf dem Rückweg anhören (Walkman, Autoradio, je nachdem) und dann zuhause noch einmal die Klausur nachbereiten. Ggü. den sonst schon aus Zeitgründen knappen Bemerkungen ein enormer Gewinn.

    Das unterscheidet solche individuellen Rückmeldungen m.E. auch von Sprachnachrichten: sie bieten einen Mehrwert, statt dreist dem Empfänger Zeit zu stehlen, die man sich selbst nicht nehmen will.

    (Freilich könnte man heute stattdessen auch text2speech nutzen.)

  15. Moe

    Haben Sie mittlerweile Erfahrungen gesammelt beim Korrigieren von Übungsaufsätzen mithilfe von KI?

  16. Nein, noch gar keine weiteren Erfahrungen. Mein Ziel wäre es, einen ordentlichen Prompt/Bot anzulegen, mit genauen Kriterien für eine bestimmte Textsorte (nicht unbedingt alle, aber die, von denen ich hoffe, dass sie gut ausgewertet werden können) und den zu testen. Man hört ja nicht viel Gutes darüber von Fachleuten, aber in Fortbildungen ist das immer wieder Thema. Danke fürs Nachfragen und Erinnern, ich bleibe hoffentlich dran, wird aber vielleicht dauern.

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