Eine ganze neue Schulbibliothek

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Die Schulbibliothek an der alten Schule

An meiner alten Schule, einem Neubau, gibt es eine Bibliothek. Tatsächlich sind es zwei, nebeneinander, aber räumlich und aus Zuständigkeitsgerangel voneinander separiert: Erstens die Lesebibliothek für die Unter- und Mittelstufe, die hauptsächlich aus moderner Jugendliteratur besteht, und zweitens die Oberstufenbibliothek, wo es den gesammelten Schiller und Goethe und Mann gibt, Nachschlagewerke aller Art, Anthologien, Geschichts- und Kunstbände und vieles mehr.

Ich habe mal ausführlich über die Bibliothek gebloggt, mit Grundriss und Video vom Zustand direkt nach dem Umzug, als Kollege Z. und ich einfach alles umstellten, ohne jemanden zu fragen. Hier ein Bild vom Aufbauen:

Grundriss:

Das Ziel war, Arbeits- und Fachnischen zu schaffen statt langer Reihen von Regalen. es ist eine schöne Bibliothek geworden.

Änderungen und Entwicklungen

Inzwischen hat sich der Einsatz geändert:

  • Die Nachschlagewerke (bis hin zur Encyclopaedia Britannica) sind nach und nach abgewandert, man braucht sie nicht mehr.
  • Die Fachbücher in den Naturwissenschaften sind veraltet. Es interessiert sich so recht keiner dafür, aber den Platz will man behalten, weil das ja auch etwas über die Stellung des Fachs aussagt.
  • Die Fachbücher in Geschichte sind veraltet, aber sobald sie zu alt werden, sind sie ja selbst Teil der Geschichte, es werden also immer mehr davon und nie wird ein Buch aussortiert.
  • Für Seminararbeiten greift man immer weniger auf gedruckte Literatur zurück. Das liegt auch an der Auswahl der vorhandenen Bücher, die muss gepflegt werden.
  • Der Raum wird sehr gerne als Arbeits- und Rückzugsraum genutzt. Das macht eine sinnvolle und angewendete Bibliotheksordnung erforderlich.

Schulbibliothek, potentiell

An meiner neuen Schule gibt es seit einigen Jahren keinen Platz mehr für eine Schulbibibliothek, also mit Nachschlagewerken und Textsammlungen zum Stöbern und Lesen. Aber die Schule zieht bald – zumindest für ein paar Jahre, bis zu einem geplanten Neubau an alter Stelle – um in ein leer gewordenes Schulgebäude einer anderen Schule, sozusagen Einsiedlerkrebs. In diesem Schulgebäude gibt es tatsächlich einen Bibliotheksraum, in dem es auch eine Bibliothek gab, jetzt natürlich ohne Bücher, aber mit Regalen. Die Regale sind in herkömmlicher, also etwas phantasieloser Weise angeordnet, von außen kommt nur trübes Licht, der Boden ist wenig einladend, aber es ist ein Ort für eine Bibliothek:

Und jetzt gilt es zu überlegen, was man mit diesem Ort anstellt.

Eigene Ideen und Gedanken

  1. Braucht man überhaupt noch eine Schulbibliothek?
  2. Möblierung: Computer und Couch und gemütliche Arbeitstische, bitte.
  3. Eine Bibliothek erfordert Bibliothekssoftware und Scanner und Aufkleber dazu; Rücksprache mit Systembetreuung, inwiefern der Katalog im Schulnetz verfüpgbar sein kann. OPAC-Anschluss bevorzugt.
  4. Auf umfangreiche Nachschlagewerke sollte man ganz verzichten.
  5. Trennung von Präsenz- und Ausleihbestand.
  6. Soll man außer Büchern auch andere Dinge ausleihen können? Computerspiele sind in Handyzeiten vielleicht nicht mehr so interessant?
  7. Sollte man Sekundärliteratur sammeln oder eher Leseförderung für junge Schülerinnen und Schüler betreiben? Sollen Oberstufen- und Lesebibliothek getrennt sein oder nicht?
  8. Eine Bibliothek erfordert Öffnungszeiten, Aufsichten, eine Bibliotheksordnung.
  9. Soll man ganz auf eine reguläre Bibliothek verzichten und den Raum zu einem großen, chaotischen offenen Bücherschrank machen, wo man nach Belieben einstellen und entnehmen kann, was man mag?
  10. Statt Orientierung an Fächern: Soll jede Lehrkraft 1 Meter zur eigenen Bewirtschaftung kriegen?
  11. Wie verhindert man, dass die Bibliothek vollgestellt wird mit Büchern, in die niemand hineinschaut? Ich meine, das ist immer noch besser als kahle Wände, aber schöner wären Bücher, die ab und zu mal benutzt werden.
  12. Wenn ein Etat für Bücher da ist, wird der auch ausgegeben, ob sinnvoll oder nicht.
  13. Lohnt sich der Aufwand, wenn man nach fünf Jahren wieder das Gebäude wechselt?

Die Bibliothek als Funktionsstelle

Die „Leitung der Schulbibliothek“ ist eine Funktionsstelle, Nummer 8037. Die reicht nicht für eine Beförderung auf A15, aber es gilt: „Wird die Funktion an eine Lehrkraft vergeben, die bereits eine nicht von der Stundenzahl abhängige Funktion ausübt (z. B. 8001), so wird diese Funktion einer um 1 erhöhten Funktionsgruppe, maximal jedoch Funktionsgruppe 2, zugeordnet.“ Auch sonst gibt es vielleicht Kombinationsmöglichkeiten, die ein zusätzliches Interesse – neben dem, eine Bibliothek organisieren zu dürfen! – an der Leitung der Schulbibliothek als Teil des eigenen Profilierungsportfolios erwecken können. Profilierung klingt vielleicht negativ, aber ist halt so; Schule muss gestaltet werden, und wenn man sich bewusst aussucht, in welchem Bereich man das tut, kann das ein Vorteil für alle sein.

Material vom Kultusministerium

https://www.isb.bayern.de/grundsatzthemen/paedagogische-grundsatzfragen/lesefoerderung/leitfaden-schulbibliothek

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Kommentare

7 Antworten zu „Eine ganze neue Schulbibliothek“

  1. Mkuh

    Als Person, die lange nicht mehr in einer Schule war, ein zwei Ideen.
    Es Ruheraum nennen, nicht Bibliothek. Dort darf es gerne einen offenen Bücherschrank geben, vielleicht sogar drei nach Stufen sortiert.
    An der Wand eine Anzeige, wenn es zu laut für einen ruhigen Raum wird.
    Verschiedenartige Sitzgelegenheiten, warum nicht ausprobieren, wie es ist auf dem Sofa zu lesen, in einem Sitzsack oder in einem Chefsessel. Vielleicht sogar Stehtische.

    Für die Wände, mit dem Kunstbereich ausmachen, dass sie dort ausstellen dürfen.

    Ich würde Ebook Reader die „onleihe“ (https://www.onleihe.de/muenchen/frontend/welcome,51-0-0-100-0-0-1-0-0-0-0.html) können verleihen, wenn dafür Geld da ist. Ob es da Verleihautomaten gibt, weiß ich nicht.
    Inhalte dafür gibt es über die örtliche Bibliothek.
    Es bräuchte dafür auch noch ein WLAN(https://ffmuc.net/) zum Download

    viele Grüße

  2. Das Umbenennen als Idee gefällt mir, und die Hervorhebung der Onleihe. Darauf bin ich noch nicht gekommen. WLAN gibt es an den Schulen im Prinzip schon überall.

  3. Sperrmüll Pony

    Die oben beschriebene Bibliothek an Herrn Raus „alter Schule“ gibt es so noch, allerdings wurden jüngst der Zugang und die Nutzung eingeschränkt. Die „Studienbibliothek“ steht nunmehr ausschließlich Schülern der Oberstufe (11 – 13) zur Verfügung, derzeit ohne Aufsicht.
    Die Lese-Ecke, das dritte – informelle – Leseangebot mit ursprünglich 10 bequemen Sitzgelegenheiten als Rückzugsraum für Schülerinnen und Schüler, die tatsächlich lesen wollten oder einfach mal eine Pause ohne Geschrei und hektischem Gezappel verbringen wollten… – diese Leseecke ist komplett entfernt, die Bücher in Kisten verpackt, die Regale ins Magazin gewandert. Die verbliebenen und beschädigten Stühle werden vermutlich im Sperrmüll entsorgt. Es hat sich leider herausgestellt, dass die aktuelle Schülergeneration (Mittel- und eigentlich auch Oberstufe) nicht angemessen mit diesen Angeboten umgehen kann. Zuletzt mussten sich Lehrkräfte von präpotenten Elftklässlern blöd anreden lassen, wenn die Lehrkräfte auf der Einhaltung der Anstands- und Aufenthaltsregeln bestanden.
    Wäre ich Zyniker oder wüsste ich es nicht besser, würde ich erstmal sämtliche Angebote dieser Art streichen und den Schülern und Eltern empfehlen, es doch auf dem freien Markt und im Internet zu versuchen… Die wissen ohnehin per definitionem besser, was Schüler wollen – und darauf kommt es ja an, nicht wahr?

  4. Vielleicht hat sich das Konzept Bibliothek für die Oberstufe auch tatsächlich überholt und es braucht keine mehr. Stattdessen eine Art Buchentdeckungsraum, Einführung in die unvertraut gewordene Technologie des Buches?

  5. […] Herr Rau liebäugelt als Gründungsbibliothekar einer Schulbibliothek. […]

  6. Claudia

    Ich hab die letzten 5 Jahre eine kleine Grundschulbibliothek betreut und musste leider feststellen, dass selbst bei den Kleinen die Nachfrage nach Lesestoff sehr zurückgegangen ist. Gefragt sind eigentlich nur aktuell angesagte Serien und dann bitte Neuerscheinungen sofort innerhalb von 1 Woche parat haben, sonst kommt als Antwort „kenn ich schon als Hörbuch“.

    Einzelne Bücher ohne Serienbezug, bekomme ich ab 2./3. Klasse kaum noch an die Schüler vermittelt. Das funktioniert grad noch mit den Erstlesebüchern. Auch die tollen neuen Was ist was (junior) Bände werden verschmäht. Ist zuviel Text drin. Comics und Gregs Tagebuch dagegen sind beliebt.
    Jugendzeitschriften (die können bei uns nur im Klassenzimmer gelesen und nicht ausgeliehen werden) nehmen die Kinder auch noch gerne in die Hand.

    Meine eigenen Kinder sind in der 6./8./12. Klasse und nutzen und nutzten die Bücherei an ihrem Gymnasium auch nur sehr wenig. Hauptsächlich in der Unterstufe für aktuelle Jugendliteratur. Aber auch da bevorzugen sie nachmittags das deutlich größere Angebot der Stadtbücherei, weil der Schulranzen eh schon so voll und schwer ist, dass sie ungern noch zusätzliche Bücher mit in die Schule schleppen.
    Mein 12. Klässler war glaub ich schon seit 5 Jahren nicht mehr freiwillig in der Bibliothek. Höchstens mal im Rahmen irgendeines Kurses. Zum Arbeiten würde er den Raum eher nachmittags brauchen, wenn er Freistunden überbrückt oder auf den Zug wartet – aber die Bücherei schließt um 13 Uhr.

    Von daher glaube ich, dass Schulbüchereien tatsächlich inzwischen irgendwie überholt sind. Auch wenn ich sie als Schüler geliebt habe.
    Betreute/beaufsichtigte Arbeitsplätze, an denen man in Freistunden auch mal in Kleingruppen mit Tablets/Laptop an einem Referat arbeiten oder für die kommende Klausur lernen kann und „Stille-Arbeitsplätze“ für Einzelarbeit sind inzwischen wahrscheinlich mehr gefragt.

  7. Danke für den EInblick in das aktuelle Verhalten um Jugendbücher, gerade an die Hörbücher hatte ich überhaupt nicht gedacht. Ein tristes Bild insgesamt, aber so habe ich das befürchtet. (Selber habe ich die Schulbibliothek auch nie genutzt, die Stadtbibliothek aber sehr. Und Flohmärkte und eigenes Bücherregal.)

    Mir ist aufgefallen, dass ich, wenn mich ein Thema interessiert, ein oder zwei Bücher dazu lese. Da würde ich gerne hin auch bei dem Teil der Jugend, der das mag. Aber mit Bibliotheken wird das wohl schwierig werden.

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