Exkursion
Diese Woche war ich in der Gedenkstäte KZ Dachau als Begleiter der Geschichtsexkursion. An sich bin ich ja in einem Alter und in einer Position, wo man nicht mehr so viel auf Exkursionen fährt (und ich tu’s eh nicht gern, lange Geschichte), aber ich war noch nie mit einer Klasse in Dachau, nur privat. Alles stabil. – Dem organisierenden Historiker und Altphilologen habe ich gleich eine Rechercheaufgabe gegeben, der sie aber gleich elegant an den residierenden Graecisten weitergereicht hat. Vielleicht kriege ich ja eine Antwort auf eine alte Frage.
Wissenschaftswoche, Schatten voraus
Außerdem begannen diese Woche die spürbaren Vorbereitungen der Wissenschaftswoche. Die wird an meiner Schule relativ ausführlich durchgeführt. Dabei müssen, Idee des Kultusministeriums, die 11. Klassen eine Woche an einem wissenschaftlichen Projekt arbeiten, in Kleingruppen, also ohne sonstigen Unterricht. die Ergebnisse werden in irgendeiner Form präsentiert. Das ist so eine Art Vorstufe zum W-Seminar in den Folgejahren, was sich die rezente Ausprägung der Facharbeit ist. Heißt für mich konkret: ich betreue Schüle rund Schülerinnen in der Vorbereitungen, wobei der erste Schritt ist, dass sie sich einen Zugang zur Stabi, der Bayerischen Staatsbibliothek, geben lassen. Das bereitet mir Vergnügen, ich nutzte meinen eigenen Ausweis ja viel und liebe es, Sachen hinterherzurecherchieren.
Noch mehr von der Kuh Elsa
Eigene Recherchen just dieser Woche: Eine mittellateinische Vorläuferform (XXVII, dort insbesondere die zweite Hälfte) von „Die Kuh Elsa ist tot“ (Blogeintrag dazu) aufgetrieben und dem 12er-Kurs präsentiert, Stichpunkt Motivgeschichte. Natürlich ohne deutsche Übersetzung, auch wenn ich zu der über Mastodon gekommen war (und dort über eine KI; Google Translate und DeepL bieten kein Latein an, weder klassisch noch mittel-). So viel Latein wird eine Oberstufe doch noch zusammenbringen. Eine arabische Vorlage dazu habe ich auch gefunden, die dann aber doch in deutscher Übersetzung. Echte Recherche ist das natürlich nicht, weil die Quellen ja etwa in der Enzyklopädie Märchens, Band 6 angegeben sind, aber die Texte dann auch wirklich lesen zu können, das ist schön.
Commonplace Books 1: Bester
Außerdem las ich auf Mastodon dieser Tage viel über Cargo-Kulte, und warum sie als Metapher gar nicht so geeignet sind. Das machte mich erinnern und ich fragte:
Blödes Gedächtnis! Ich habe mal eine Sammlung von Science-Fiction- oder vielleicht auch phantastischen Geschichten gelesen (Sprague de Camp, Asimov, Pohl? eher nicht Bradbury; Sheckley selber überprüft, war’s nicht), auf deren letzter Seite der Autor zur Frage „Wo kriegen Sie Ihre Ideen her?“ freundlich Stellung nimmt und dem Publikum sogar eine unbenutzte Idee schenkt. Die Idee, aber jetzt wird die Erinnerung noch vager, war eine Mischung von Cargo Cult und Picknick am Wegesrand. Weiß wer was?
Tatsächlich führte mich eine falsche Spur auf eine richtige Quelle, und meine Erinnerung hatte nicht ganz gestimmt. In einem Nachwort zur Anthologie Robert P. Mills, The Worlds of Science Fiction (1963) schreibt tatsächlich Alfred Bester zum Thema, wo Ideen herkommen, und dass Ideen gar nicht so wichtig sind wie das Umsetzen. Die dem Lesepublikum geschenkte Idee taucht da aber nicht auf, das steht sicher anderswo. (King? Ich krieg’s noch heraus, irgendwann mal.) Bester nennt etliche seiner Ideen, darunter auch diese, an die ich mich vage erinnerte:
[W]hen the first telegraph lines were run across Australia, it became a problem how to keep the natives, who where still living in the Stone Age, from stealing the insulators to chip into knives. This was solved by dumping a load of broken glass and crockery at the foot of each pole so that the native could get his raw material without having to climb for it. Translate into science fiction.
Das ganze übersetzt in Science-Fiction-Form, ist das nicht fast Picknick am Wegesrand von Arkadi und Boris Strugazki, dann verfilmt als Stalker? Da geht es um außerirdische Artefakte, die vielleicht nur der zurückgelassene Müll sind, der die Menschen befremdet und gefährdet und fasziniert, so wie Essensreste für Ameisen nach einem Picknick am Wegesrand. – Aber klar, unverstandene außeridische Artefakte gibt es viele, bei Arthur C. Clarke vor allem. Aber ich obsessiere halt nun mal über die Herkunft des Plots des Strugazki-Romans, der übrigens aus dem Jahr 1971 ist.
Auch die anderen Ideen von Bester sind interessant.
Commonplace Books 2: HPL
Bekannt ist auch das Commonplace Book von H. P. Lovecraft, in dem er seine Ideen festhielt. Manche wurden in Geschichten umgesetzt, andere nicht, einige nahm sich August Derleth vor und schrieb daraus seine berüchtigten posthumous collaborations. Hier online, und bei archive.org als Faksimile (es ist kompliziert).
Aus diesem hier wurde übrigens Call of Cthulhu:
Man visits museum of antiquities—asks that it accept a bas-relief he has just made—old and learned curator laughs and says he cannot accept anything so modern. Man says that
‚dreams are older than brooding Egypt or the contemplative Sphinx or garden-girdled Babylonia‘
and that he had fashioned the sculpture in his dreams. Curator bids him shew his product, and when he does so curator shews horror. Asks who the man may be. He tells modern name. „No—before that“ says curator. Man does not remember except in dreams. Then curator offers high price, but man fears he means to destroy sculpture. Asks fabulous price—curator will consult directors.
Add good development and describe nature of bas-relief.
Commonplace Books 3: Chandler
Zugegeben, von Raymond Chandler kenne ich kein Ideensammelbuch, aber er hat eine kleine Sammlung von Titeln hinterlassen, sicher nicht alle für den tatsächlichen Gebrauch gedacht, sondern aus Freude an Titeln. Einer davon hat mich als späten Teenager nicht losgelassen, auf Deutsch bin ich ihm als „Bleib bei mir, während ich träume“ begegnet, und in meinem ersten Verständnis ging es darum, dass der Mann (natürlich ein Mann) träumt und sich (von wem?) wünscht, dass die Frau (natürlich) in seinen Träumen bei ihm ist. Das englische Original, „Sit with me while I dream“, später gefunden, ist dagegen langweilig.
Commonplace Books 4: Meines
Das liegt hier herum, seit dreißig Jahren nicht benutzt, aber irgendwann mache ich noch mal etwas mit den Ideen, die ich darin vermute.

- Is travelling the way Wordsworth did still possible?
- Kann man Mitglied sein [in einem Club], ohne daß es irgend jemand weiß?
- japanischer Brauch: kurz vor Auto über Straße laufen -> böse Geister hinter einem werden getötet
- Stadt als Weihnachtsbaum: Osterhasen sägen bereits daran
- Buchhändler steht nie auf, schreibt ein Rezept aus, das Vorraum eingelöst wird
- Langhaariger, niedriger kleiner Hund: sah nach nichts so aus wie nach einer riesigen Raupe.
- Schaufelbagger (vor allem wenn’s mehrere sind) wie Saurier auf Futtersuche (nicht gelb-rostig, sondern rot und weiß, mit langen, schlanken Hälsen) am Wasserloch/Kiesgrube [Jahre später machte MAN einen lustigen kleinen Film dazu, aber ich hatte die Idee selber, wenn sicher auch nicht als einziger, beim Betrachten einer Baustelle]
- jousting with lances of light: two motor-cars meeting at night
- Die Stille nach dem Klick des Kassettenrekorders.
- Pizza als achtspeichiges mystisches Rad (Buddhismus)
- bin nicht so sehr an Schriftgestelltem interessiert
- Burning the midnight oil – drinking the midnight coffee, listening to the midnight music, talking the midnight talk
- Kegelnder Philosoph. Erörtern Sie.
- Regenkassette (mit Tesa gesichert IN CASE OF EMERGENCY)
- nostalgia for the present
- Bücher – in Bibliothek – bewegen sich thermodynamisch-thematisch
- Aufschreiben hilft. Was aufgeschrieben ist kann schon nicht mehr wahr sein.
- Ich glaube, das könnte das Ende einer wundervollen Freundschaft werden
- die Versetzten vor dem Theater (Teams im Schulsport, Reise nach Jerusalem) beobachten sich gegenseitig [daraus wurde mal eine Schulaufgabe mit Perspektivenwechsel, schau an, das wusste ich damals noch, jetzt aber nicht mehr]
Und vieles weitere mehr, deutlich von juveniler Natur, sagen wir mal so. Ich habe vieles nur überflogen, Peinliches wähnend.
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