Im Theater gewesen mit der Q12: Kafka, Das Schloss

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Der Kurs wollte ins Theater gehen, sind wir ins Theater gegangen. Die Schüler und Schülerinnen haben sich mustergültig benommen, das ist ja immer so eine kleine offene Frage. Der gesamte Kurs ging mit; sie haben sich wohl gut unterhalten, es gab auch viel zu lachen in der Inszenierung. Danach haben sich einige wohlerzogen bedankt für diese Gelegenheit, und das hatte ich nicht erwartet; als Lehrkraft ist man doch eigentlich dankbar, wenn die Schülerinnen und Schüler mitgehen. Andererseits, stimmt schon, ich gehe gar nicht so gern ins Theater und hätte mir auch einen Feierabend zu Hause vorstellen können. Epik und Lyrik mag ich sehr; die Kontrollabgabe an andere widerstrebt mir vielleicht, obwohl das beim Kino kein Problem für mich zu sein scheint, also ist es vielleicht doch etas anderes.

(Lehrkräfte hört man ab und zu beklagen, dass sich nach Schullandheim oder anderen mehrtägigen Fahrten, die alle mit viel Aufwand für die Lehrkräfte verbunden sind, kaum jemand verabschiedet oder gar bedankt. Ach, ich verstehe das; gerade nach so einer langen Exkursion will man auch als Schüler oder Schülerin doch erst einmal nur weg.)

Wir sahen Das Schloss von Karin Henkel und Rita Thiele, nach Franz Kafka. Sehr gut gefallen haben mir Vassilissa Reznikoff als Frieda/Pepi und Michael Goldberg als ältester K., aber am beeindruckendsten fand ich das Bühnenbild, bis hin zu den Strumpfhosen von Frieda/Pepi.

Textlich wird wild gebastelt, erkannt habe ich von Kafka nur Elemente aus „Die Verwandlung“, Der Prozess, „Vor dem Gesetz“ und „In der Strafkolonie – letztere in Form einer riesigen Hand mit spitzen Fingernägeln, die sich wie ein Terry-Gilliam-Cartoon von oben auf die Szene senkte. Ansonsten graue Wände (viele davon, und das geschickt mit der Drehbühne gelöst), eine paranoide, lügenhafte Hierarchie und viele falsche Versprechungen – auch ohne die Graffiti „the cake is a lie“ hat mich das Design an das Computerspiel Portal erinnert, betongrauer, heruntergekommener Futurismus, abgewracktes Hi-Tech-Gerät, blinkendes Neonlicht, Blechstimmen aus Lautsprechern. (Hier bei Youtube kann man reinschauen.) So sehen auch viele Computerspiele aus, die ich kenne: einzelne Levels, die man emporsteigen muss, immer wieder die gleichen oder zumindest gleich aussehende Figuren, verschlossene Türen, die man aufkriegen muss, blinkende Aufzüge, eine gewisse Repetition in der Handlung.

K. ist der Landvermesser, oder vielleicht auch nicht, jedenfalls neu angekommen, die einen versuchen herauszufinden, wer er ist, er versucht herauszufinden, wo er ist, so kennen wir das von The Prisoner/Nummer 6. Immer wieder gibt es Hinweise darauf, dass er tot ist und sich in einem Zwischenreich befindet, auch dafür gibt es natürlich viele Vorlagen. Meine liebste ist eine Kurzgeschichte, die letzte in einer Sammlung von gruslichten Kurzgeschichten, in der sich das Amt, in dem der Protagonist eine Stelle antritt, als ein solches herausstellt, das die Seelen und Schicksale Verstorbener verwaltet – darunter all die Toten der vorangegangen, ansonsten nicht weiter verknüpften Kurzgeschichten. Es ist eine sehr schlampig geführte Behörde.

Ein Clou der Inszenierung: K. ist gleich mehrfach auf der Bühne, oder auch hintereinander, von verschiedenen Personen gespielt. Das macht das Verwirrspiel um die eigene oder andere Identität noch interessanter. Auch das Sich-Selber-Sehen, wie man gerade durch eine Tür entschwindet, kenne ich aus Portal. (Fußnote: 2008 gab es Schillers Räuber auch so ähnlich, aber doch wieder ganz anders, mit vier Schauspielern, die alle Rollen spielten, oder sich auch gleichzeitig den Text einer Rolle teilten: https://www.youtube.com/watch?v=Qev38otNRQQ. Kommt bei Klassen gut an.)

Mein Problem mit fiktionalen Texten ist mitunter: wo aufhören? Klassisch mit Heirat oder Tod der Hauptperson, aber seit dem 20. Jahrhundert hört die Handlung halt oft eher einfach mal auf und die Kamera fährt zurück und lässt die Figuren ratlos stehen. Und bei Kafkas längeren Texten, also den Romanen oder Romanfragmenten, frage ich mich auch, ob die so lange sein müssen. Ja, der K. kommt nicht weiter, aber das habe ich dann doch schon ab der Mitte verstanden.


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Kommentare

7 Antworten zu „Im Theater gewesen mit der Q12: Kafka, Das Schloss“

  1. Sabine

    Ich bin allmählich der Romane auf der Bühne ziemlich müde. Klar, so viel tolle Stoffe, die etwas zu sagen haben, da möchte die Theatermacherin nicht zurückstehen, und oft werden auch tolle Abende daraus. Bei den vielen Stücken, die ich sehe, fällt mir aber immer wieder auf, dass Texte, die fürs Theater geschrieben sind, dann doch treffsicherer sind, Karin Henkels umwerfende Medea zum Beispiel (selten so mitgefühlt und mitgefiebert).

    Ich fühle mich ein wenig undankbar, denn die Leute am Theater machen das ja alles sehr gut, aber gerade in Das Schloss habe ich oft mit den Augen gerollt, obwohl ich wegen Karin Henkel mit sehr großen Erwartungen rein bin. Vielleicht bin ich einfach allmählich ein old fart…

  2. Vermutlich geht es um das Publikum: das kommt halt eher bei einem bekannten Stoff, also Roman oder Film. Und, anscheinend, eher als bei Klassikern, oder machen die keinen Spaß mehr; gibt es nicht genug Stücke, die geschrieben werden?

  3. „ich gehe gar nicht so gern ins Theater“ spricht mir ja total aus der Seele – ich verstehe eigentlich gar nicht so genau, weshalb das so ist (bei mir selbst) und bei dir hätte ich das auch nicht erwartet, ich dachte irgendwie immer, das Theatermögen geht mit dem Deutschlehrersein fest einher. Immerhin ahne ich jetzt, weshalb Frau Rau allein in die Kammerspiele geht.

  4. Aginor

    Portal ist ein Meisterwerk.
    Hab es erst letztens wieder mal gespielt.

    Theater ist für mich ein wenig durchwachsen. Wenn ich das Stück nicht kenne geht es oft besser, ansonsten bin ich zu sehr damit beschäftigt mit der Vorlage zu vergleichen. Andererseits gehen manche Inszenierungen offenbar schon sehr davon aus dass man das Stück kennt, und wenn nicht dann fällt einem das Verständnis schwer.
    Gehe aber auch aus anderen Gründen nicht so gerne hin (ebenso wie ins Kino, ist nicht so mein Ding).

    Gruß
    Aginor

  5. Susann

    Als Mama bedanke ich mich per Mail bei den Lehrerteam und/oder auch bei der Schulleitung, wenn etwas Besonderes für die Schülerinnen und Schüler organisiert wird. Ich finde, das ist nichts Selbstverständliches und sollte auch honoriert werden. Die Schule organisiert eine Trommelwoche, einen Expertenvortrag, die Lehrer gehen auf Exkursion, ins Theater, ins Schullandheim – das ist Zeit & Nerven, die investiert werden. Ich möchte, dass die Beteiligten wissen, dass jemand merkt, DASS sie das tun, und ich weiß, dass sehr selten ein explizites Dankeschön konnt.

  6. Das ist schön, vielen Dank dafür, Susann! Ich verstehe es, wenn man im Alltag nicht daran denkt, aber es ist schön, wenn es doch geschieht.

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