Wir lernen heute die Begriffe:
- grundlegendes und erhöhtes Anforderungsniveau
- Leistungsfach
- Vertiefungsfach
- Differenzierungsstunde
1. Leistungskurse und Niveaus
Früher gab es in Bayern Grund- und Leistungskurse. Der Hintergrund: Es gibt laut Kultusministerienkonferenz Kurse mit grundlegendem und zwei bis drei mit erhöhtem Anforderungsniveau. Die Leistungskurse waren die mit erhöhtem Anforderungsniveau.
Im G8 gab es dann keine Leistungskurse mehr, aber die KMK-Anforderungen galten natürlich weiterhin. Die Lösung: Deutsch, Englisch und Mathematik galten als Kurse mit erhöhtem Anforderungsniveau, nur eben ohne Wahlmöglichkeit. Es war – sehr, sehr, sehr theoretisch – sozusagen so, als hätten alle Schüler und Schülerinnen diese drei Fächer als Leistungskurs.
2. Das Leistungsfach im G9
Im neuen G9 gibt es weiterhin keine Leistungskurse mehr, aber die KMK-Anforderungen gelten natürlich immer noch. Die Lösung: Deutsch und Mathematik gelten als Kurse mit erhöhtem Anforderungsniveau. Es ist – sehr, sehr, sehr theoretisch – sozusagen so, als hätten alle Schüler und Schülerinnen diese zwei Fächer als Leistungskurs. Aber jetzt kommt wieder eine Wahlmöglichkeit hinzu: Ein weiteres Fach wird mit erhöhtem Anforderungsniveau belegt. Dieses eine Fach heißt dann „Leistungsfach“ Damit man hat man drei solcher Kurse auf erhöhtem Niveau.
Das Abitur legt man grundsätzlich in den drei Fächern auf erhöhtem Niveau ab, plus zwei weiteren Fächern; teilweise schriftlich, tweilweise mündlich. Wenn man allerdings eine fortgeführte Fremdsprache als Leistungsfach hat, also etwa Englisch, dann kann man sich vor Deutsch im Abitur drücken, und wenn man Informatik oder eine Naturwissenschaft als Leistungsfach hat, dann kann man sich vor Mathematik drücken.
Wie äußert sich das erhöhte Niveau? Man hat einen eigenen Kurs, einen eigenen Lehrplan, und zwei Stunden mehr pro Woche in diesem Fach gegenüber dem grundlegenden Niveau. Es ist also quasi wirklich wie ein Leistungskurs früher.
3. Optional: Der Vertiefungskurs Deutsch/Mathematik (nur in 12)
Jetzt sind Deutsch und Mathematik ein bisschen verärgert, weil man ausgerechnet in diesen Fächern keinen solchen Leistungskurs bilden kann. Weil, sind ja eh schon Leistungskurse, theoretisch, nur halt für alle. Als Trostpflaster gibt es in der Jahrgangsstufe 12 als Wahlmöglichkeit den Vertiefungskurs, und zwar eben nur für Deutsch und Mathematik, und für keine anderen Fächer. Der Vertiefungskurs, das sind zwei Extrastunden pro Woche, in denen man ein Bonusprogramm kriegt. In Mathematik komplexe Zahlen zum Beispiel, und zu Deutsch schreibe ich unten noch mehr.
4. Optional: Die Differenzierungsstunde Deutsch/Mathematik (nur in 13)
Das ist eine Extrastunde im letzten Jahre, als Wiederholung und Übung gedacht, also eher ein Förderprogramm für die Schwächeren. Kann man natürlich auch vierzehntägig oder anders machen.
5. Der Vertiefungskurs Deutsch: Lehrplan
Es gibt acht Module, die eine Hälfte eher literatur-, die andere eher sprachwissenschaftlich. Für jede Hälfte wählt die Lehrkraft – möglicherweise in Absprache mit dem Kurs – zwei dieser Module aus, so dass insgesamt vier Module behandelt werden, zwei literatur- und zwei sprachwissenschaftliche. (Außerdem, hier nur am Rand erwähnt, gibt es pro Hälfte zwei wichtige und zwei unwichtige Module, und es muss jeweils mindestens ein wichtiges Modul dabei sein.)
Die Module, die wichtigen mit (+) markiert, heißen:
- 1.1 Weltliteratur aus dem nicht-deutschsprachigen Raum (+)
- 1.2 Theaterinszenierungen (+)
- 1.3 Literarisches Schreiben
- 1.4 Literaturbetrieb und literarische Öffentlichkeit
- 2.1 Semiotik (+)
- 2.2 Sprachgeschichte konkret (+)
- 2.3 Rhetorik
- 2.4 Filmgenre
Details stehen hier. Pro Semester macht man zwei Module, heißt: pro Modul eine Doppelstunde, und das jeweils 7 Wochen lang. Reicht das zum Beispiel, um in 1.3 jeden im Kurs eine Kurzgeschichte schreiben zu lassen? In 2.3 halten alle eine Rede, gerne formal streng aufgebaut. In 1.4 macht man Tage der deutschsprachigen Literatur und Buchhandel, bringt vielleicht sogar die Ergebnisse von 1.3 als Selbstveröffentlichung in den digitalen Buchmarkt.
Welche davon würde ich wählen? Die Entscheidung fällt mir schwer. 1.1 und 1.3, 2.2 und entweder 2.1 oder 2.3?
6. Exkurs (aus abgebrochenem separaten Blogeintrag kopiert)
Es ist nicht so, dass ich Lehrer geworden bin, weil ich gerne rede. Ich bin Lehrer geworden, weil es so viele schöne und spannende Dinge gibt, die ich gerne anderen zeigen würde, und das führt dazu, dass ich viel rede. Wenn es zum Beispiel um Alliteration geht, dann muss man entweder mit Halbwissen leben oder sehr weit ausholen, und wenn ich mich nicht zusammenreiße, was neulich wieder vorkam, dann hole ich weit aus. Und das, obwohl die Alliteration als Stilmittel eher unwichtig ist.
Wir baten erstens die KI um eine Definition, und die war unvollständig oder falsch, führte jedenfalls sicher zu einem unrichtigen Verständnis. Es geht bei der Alliteration nicht um Buchstaben, sondern um Laute, und nicht um Anfangslaute von Wörtern, sondern von betonten Silben. Muss man also eigentlich zweitens die Konzepte Betonung und Silbe kennen.
So weit, so gut. So richtig verwendet wird die Alliteration drittens in der Werbung und im germanischen Stabreim, ohnehin eine schöne Sache. Nur alliterieren da auch alle Vokale untereinander. Warum eigentlich? Viertens eine gängige Theorie, wenn auch nicht unwidersprochen: Das liegt am Knacklaut, dem glottalen Plosiv, welcher Vokalen im Germanischen und auch noch im Hochdeutschen vorangesetzt ist (mal mehr, mal weniger, es ist kompliziert), und den es auch in vielen anderen Sprachen gibt. Das ist genau der monierte Laut, um den es beim Binnen-I beim Gendern geht und der angeblich im Deutschen nicht vorkommt. Aber natürlich tut er das. Zum Beispiel eben vor Vokalen, und nicht nur am Wort-, sondern am Silbenanfang: „beachten“ wird meist eben nicht „bejachten“ ausgesprochen, sondern „be:achten“, also mit Glottisschlag. Die erste Version, mit einem Halbvokal als Verbindung zwischen den Silben, ist besser für die Stimmbänder, deswegen lernt man bei der Stimmbildung, diesen Plosiv zu vermeiden, indem man ebe doch „bejachten“ sagt.
Glottisschlag: Dazu muss man fünftens doch wiederum eigentlich ein Bild der menschlichen Stimmorgane zeigen, am besten gleich als MRT-Video. Und dann könnte man gleich Phonologie machen.
Ich weiß schon, ich weiß schon, didaktische Reduktion und so, man muss nicht alles machen.
Worauf ich hinaus will
Im Kurs wurde gefragt, ob das diese Linguistik ist, von der man schon gehört habe, und ob man das im Germanistikstudium lernt. Ich glaube, das ist in der Oberstufe interessant für Schüler und Schülerinnen und eine willkommene Abwechslung vom Erörtern und Stürmen und Drängen. Das sind Themen, wie sie im Vertiefungskurs auftauchen, und die der Kurs, als ich sie ihm zeigte, auch gleich viel interessanter fand als den herkömmlichen Lehrplan.
Im herkömmlichen Lehrplan schreibt man Interpretationsaufsätze und erörtert, liest Lektüren und macht Literaturgeschichte. Und praktisch macht man vor allem das, was im Abitur geprüft wird. Das ist ein wenig arg kompetenzorientiert; die Schüler und Schülerinnen dürstet es nach echtem Wissen. In Schulbüchern der späten 1970er Jahre stehen de Saussure, Chomsky, Sapir-Whorf, was heute eben allenfalls im Vertiefungskurs erscheint. (Wie sehr das früher gemacht wurde, weiß ich natürlich auch nicht.)
Das bringt mich zu meinem Wunsch und Vorschlag: In großen schriftlichen Leistungserhebungen („Schulaufgaben“ in Bayern) soll vor allem Wissen abgefragt werden, gerne so kompetenzorientiert wie möglich. Grammatik, Literaturgeschichte, Phonologie, Kommunikationsmodelle. Hauptsache, es sind keine Aufsätze. Die bleiben den kleinen schriftlichen Leistungserhebungen vorbehalten, kürzer als jetzt, unkomplizierter, nur eine Seite lang; das sind dann die Schreibaufgaben. Formuliere 1 Argument, analysiere 1 Stilmittel, schreibe 1 Brief.
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