(Bilder vom Rosenfest weiter unten, erst Durcheinandereres.)
1. Ich und die Menschen
Ich habe das Glück, die Welt großartig finden zu können. Mindestens bis in die 5. Klasse hinein war ich verwundert und erstaunt und froh darüber, dass es überhaupt etwas gibt, statt nichts. Dann ließ das mit dem Philosophieren nach und das mit dem Sammeln von Comics und Lesen von Science Fiction begann.
Auch Menschen mochte ich schon immer. Aber ich wunderte mich nicht über sie, sie waren einfach da. Mit einem Zwillingsbruder und großer Verwandtschaft und häufigen Treffen war ich auch nie allein. Im Wohnblock waren es Rainer, Harald, Joachim, in der Grundschule dann Günter, mit dem ich Abenteuer erlebte, später Christian: Freunde. Zu all diesen verlor ich den Kontakt.
In den frühen Jahren des Fantasy-Rollenspiels und Science-Fiction-Fandoms waren es noch viel mehr Freunde: Norbert; Karl-Heinz, Michael, Robin, Joachim (ein anderer), Jürgen, Alexander; Dirk und Jan und Bernhard. Petra und Claudia und andere aus der Con-Szene. Ewig viel Zeit haben wir miteinander verbracht, und manchmal waren es doch nur zwei, drei, vier Jahre: So lange dauerte eine Ewigkeit damals. Ich nähre mich noch heute von den Erinnerungen. Mit den meisten dieser Freunde bin ich gerade mal bei Facebook befreundet, habe aber keinen Kontakt, auch weil ich Facebook nicht besuche. Wenn es hoch kommt, einmal im Jahr Grüße. Mehr will ich auch gar nicht, und doch ist es ein bisschen traurig.
Zwischen Schule und am Anfang des Studium traten Michael und Markus, Toni, Aldonna, vielleicht Christiane in mein Leben. Eine tolle Ewigkeit war das, unendlich viel gelernt und erfahren. Ich bin voller Dankbarkeit für diese Menschen und unsere Zeit zusammen. – Manche davon sehe ich alle zwei Jahre, andere gar nicht mehr. Ich könnte mehr Kontakt suchen, aber ich habe gar nicht das echte Bedürfnis.
Zu meinen späteren Studienzeiten trieb ich mich mit Gisi und Lisa herum, Frank, Uwe, Andrea, Inés,der späteren Frau Rau. Eine ist verschollen, einer weit weg, mit den anderen halte ich regelmäßig Kontakt. (Ja, weiß schon, mit Frau Rau natürlich auch.)
Und dann kam das Internet, also vor allem das Mitmachweb, die Bloggerei, später dann Twitter. Dieses Internet ist voller toller, kluger, witziger, menschlicher, freundlicher, guter Menschen. Die wenigstens davon kenne ich gut, manche ein bisschen besser, viele über Blogs, sehr viele über Frau Rau. Die Welt ist schön, also meine Welt (und ich weiß, dass ich das von einer sehr privilegierten Warte aus betrachten kann), und voller interessanter und bewunderswerter Menschen, oder einfach nur Menschen – wenn man sie kennt, müssen sie gar nicht erst klug oder interessant sein, sie sind allein schon kennenswert, weil sie Menschen sind, glaube ich; sie müssen nichts leisten. (Böse Menschen sind keine dabei. Die gibt es wohl schon auch. Aber es gibt so, so viele, die keine sind.)
Vor zwei Wochen traf ich auf unserem Fest – siehe unten – auf viele dieser Menschen. Mit ein paar konnte ich reden, mit vielen nur ein paar Worte wechseln, andere nur aus der Ferne bestaunen. Kontakt halten selbst zu denen, die ich kenne, ist schwierig, zur großen Verwandtschaft, zu Freunden von früher: Ich bin zu träge. Es gibt zu viele tolle Menschen.
Tatsächlich sitze ich sehr gerne alleine mit Frau Rau zu Hause. Wenn sie mich nicht ab und zu mitnehmen würde zu Abenteuern und Freunden, was würde ich alles verpasst haben. Vielen Dank. Ich lese gerne und viel, und bastle, programmiere, lerne, die Liste der Projekte, die ich mal angehen möchte, wird länger und länger: Ich kann mich gut allein beschäftigen und tue das oft. Für all die guten und lieben Menschen hat man ja später noch Zeit.
Allein, man hat sie nicht. Ein Mensch ist kurz nach dem Fest, hoffentlich nur vorläufig, ganz verschwunden; ein anderer, zwanzig Jahre nicht gesehen und ansonsten unverändert, konnte am Tag darauf wegen persönlicher Umstände plötzlich doch nicht mehr zum Plaudern vorbeikommen.
This day was just a token
Too many words are still unspoken
Oh, well, we’ll catch up some other time
(mehr hier)
„Some Other Time“ aus Leonard Bernsteins On the Town (nicht vorhanden in der berühmten, aber enttäuschenden Filmfassung), Text von Betty Comden und Adolph Green, die auch in der Musical-Fassung zwei Rollen spielten und danach bei vielen, vielen anderen Produktionen als Autoren beteiligt waren. Hintergrund: Drei Matrosen auf Landgang, Abenteuer und Begegnungen in New York, und am nächsten Morgen müssen sie wieder an Bord sein.
– Ich sehe mich schon in fünfunddreißig Jahren auf der Couch sitzen, wie immer etwas sentimental, und vielleicht wird sich dann die kognitive Dissonanz auflösen, mit der ich lebe, dass es so viele liebe Menschen auf der Welt gibt, und dass ich nicht genug Zeit mit ihnen verbringe.
Am liebsten wäre es mir einfach, wenn alle twitterten: Dann sehe ich, dass es ihnen gut geht (oder auch nicht). Das reicht mir schon für den Anfang.
2. Warum ich so wenig rede
Frau Rau erzählt ab und zu, wie sie mich, als ich noch nicht um sie zu werben begonnen, aber mich in ihrem Umkreis bemerkbar gemacht hatte, zu einem Frühstück mit ihren Freunden eingeladen hatte: Ich war wohl nur aufmerksam da gesessen und habe kaum ein Wort gesagt. So ist das heute noch manchmal. Heute kommt Faulheit dazu: Ich kann zur Not Konversation machen, kann Smalltalk, kann sogar einen gewissen Charme entwickeln – aber die tolle Frau Rau kann das noch viel besser als ich, und in gemeinsamer Runde lasse ich das oft sie bestreiten. Dazu kommt noch etwas, das früher noch viel mehr im Vordergrund stand, aber immer noch da ist: Ich bin immer davon überzeugt, dass andere Menschen viel interessantere Geschichten haben als ich und da will ich nicht stören. Frau Rau hat mir beigebracht, dass das nicht unbedingt stimmt, aber dennoch fällt es mir nicht gleich, Konversationssignale richtig zu deuten.
3. Das Fest
Frau Rau wollte schon seit vielen Jahren eine Feier für Freunde und Familie veranstalten, so richtig mit festlichem Rahmen. Und seit zwei oder drei Jahren wusste sie auch schon einen Ort dafür: Die alte Kongresshalle in München, gegenüber dem Verkehrsmuseum. Und da wir jedes Jahr den Beginn unserer Beziehung feiern und sich der der mehr oder weniger rund jährte, war das auch das Thema des Festes.
Normalerweise werde ich schlag zehn Uhr müde, an diesem Abend war ich munter bis zwei, verhältnismäßig munter bis drei Uhr. Ich habe versucht, mich mit allen, die ich kannte, kurz zu unterhalten, und habe das nicht einmal ansatzweise geschafft – aber es hat mich gefreut, wenn ich die Gäste aus der Ferne beobachtet habe. Es hat mich überhaupt alles gefreut, ich würde gerne sagen: Es war mir ein Vergnügen – das war es auch, aber diese Formulierung möchte ich Frau Rau vorbehalten lassen, der Hauptgastgeberin, sie trug den mental load der Organisation.
Alle die folgenden Fotos ©Smilla Dankert – vielen Dank der tollen Fotografin, die eine Woche nach dem Fest alles noch einmal hat auferstehen lassen. Es sind so viele Fotos von Frau Rau und mir, nicht weil ich eitel bin, sondern weil ich ohne Zustimmung der Gäste keine Fotos poste:









Mehr Fotos habe ich entdeckt bei Joel, Frau Brüllen, Miss Caro, und via Frau Mutti und Miriam Vollmer, bei Kluges & Scheiß. und im hermetischen Café.
Frau Rau und ich haben damals heimlich geheiratet; es gab keine Hochzeitsfeier. Also hatten wir auch keine Erfahrung mit Festen. Und wie bei allem, was man zum ersten Mal macht, lernt man sehr viel dabei:
- Mit Profis arbeiten, also einer Eventmanagement-Agentur. Man braucht eventuell: Catering, Musik, DJ, Dekoration, Blumenschmuck, Ausstattung, Haustechnik.
- Nicht verrückt machen lassen: Alles. Wird. Gut.
- Man freut sich über jede Zusage, die früh hereinkommt. Jetzt ist mir das enorm peinlich, wenn ich früher leichtfertig geschrieben habe: „Oh, ich habe den Termin ja übersehen, aber klar komme ich.“ Man glaubt ja sonst, dass keiner kommt.
- „Keine Geschenke“ heißt, dass Gäste trotzdem Geschenke bringen. Wir freuten uns darüber. Aber wir freuten uns auch über keine Geschenke – das größte Geschenk ist, da zu sein.
- Man braucht Tage, um wieder runterzukommen.
- Auch am letzten Tag gibt es noch Absagen und Planänderungen. Das ist okay.
Nachtrag: Noch mehr Bilder vom Fest in der Alten Kongresshalle (alle ©Smilla Dankert, und vielen Dank fürs Machen und Veröffentlichenlassen):
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