Modell 1: Gut und bewährt.
Das mit den Digitalisierungskonzepten an Schulen geht ja schon eine Weile, schon lang vor Covid19. Und damals, vor einem Jahr vielleicht, meinte ein Kollege, der tatsächlich pflichtgemäß, aber unenthusiastisch das Nötigste digital machte: er wolle das ganze nicht. Kein Mebis, kein Smartphone, keine Computer, kein digitales Sonstwas. So wie er seinen Unterricht gerne hätte, wie er ihn sich vorgestellt hatte, so wie er ihm am liebsten ist: als Märchenonkel und Erklärbär; ein Modus, wie er mir auch vertraut ist – lehrerzentriert, mit fachwissenschaftlich gut ausgebildeten Lehrern, mit Referaten und Aufträgen vielleicht, viel im Diskurs und Gespräch, sokratisch. Mit DVDs und CDs, das wohl schon, nehme ich an. Aber ohne Sprachlabor, ohne digitales Whiteboard, ohne Magnete, ohne Wörterbücher für Schüler und Schülerinnen, mit Tafel, mit Overheadprojektor. Diese Lehrkraft will den Schülern und Schülerinnen auch gar keine Medienkompetenz beibringen (und macht das halt, aus Pflichtgefühl), sondern Aspekte der Fachwissenschaft. (Dass diese Lehrkraft guten Fachunterricht macht, setze ich mal als gegeben.)
Modell 2: Hauptsache ausprobieren.
Am anderen Ende der Technikaffinität ist der digitale Hausmeister: Jongliert Mebis und Videokonferenzen, Padlets und Chatkanäle, gibt spontan WLAN frei und geteilte Dokumente, nimmt .odt ebenso an wie .docx oder .rtf oder dreht und wandelt .jpg in .pdf um.
Kleine Frage
Meine Frage: Wie viel Technik muss eine Lehrkraft können? Sollte es nicht einen technische Assistenz an einer Schule geben, die alle Technikfragen übernimmt?
Der Assistenz sagt man dann: Ich brauche einen Mebiskurs, den bitte einrichten, mit folgenden Abschnitten, und hier ist die Liste der Schüler und Schülerinnen, die sollen dann in den Kurs.
Der Assistenz sagt man dann: Hier eine Liste von Passwörtern für den Online-Wettbewerb, bitte allen im Kurs jeweils das passende zukommen lassen.
Der Assistenz sagt man dann: Hier der Dramenauszug, bitte schön formatieren entsprechend der Schul-Stilfibel, mit Versangaben am Rand, die Regieanweisungen bitte kursiv.
Der Assistenz sagt man dann: Hier diese acht Schüler und Schülerinnen sollen gemeinsam an einem Online-Dokument arbeiten, leg da mal was an und gib denen den Link. (So neulich geschehen, nur dass ich halt die Assistenz in diesen Fällen bin.)
Der Assistenz sagt man dann: Das hier bitte kopieren, DIN A 3 beidseitig.
Nicht lachen! Im Referendariat habe ich das noch erlebt, dass man Kopiervorlagen in eine Mappe in einem Raum legte, und am nächsten Morgen kriegte man dann die Kopien. Zugegeben, das waren auch keine Kopien, sondern Umdruck-Vervielfältigungen, aber auf einem relativ neuen Gerät.
Und was wäre so schlecht an diesem Modell? Es wäre vielleicht ineffizient, aber Ineffizienz würde unserer Gesellschaft vielleicht gut tun. Mehr Assistenz an den Schulen für Techniker, mehr Sekretariat, einen Portier, und die Lehrkräfte in Talaren wie in Eton… kann ich mir vorstellen.
Zugegeben: Mir bereitet das Gefühl der Selbstwirksamkeit Vergnügen, das ich durch den Umgang mit Werkzeugen erfahre. Aber das muss ja nicht allen so gehen.
Modell 3: So wie bisher, aber mit neuen Mitteln.
Unter wiederum anderen Lehrkräften an meiner Schule boomt gerade die Übertragung des Unterrichts per Video. (Wir haben zur Zeit A/B-Wochen, in denen die eine Hälfte jeder Klasse zuhause bleibt und dort arbeitet – an Aufträgen, die verschiedene Formen annehmen können.) Die Gründe für diese Beliebtheit sind durchaus legitim: Man muss sich keine eigenen Aufträge für die Abwesenden einfallen lassen; und man muss an seinem – bewährten – Unterrichtsstil eventuell nicht viel ändern. Legitim ist das unter anderem, weil fast alle von uns ohnehin viel mehr arbeiten als sonst. Ich finde das dennoch etwas schade, weil jetzt eine Gelegenheit wäre, notgedrungen Neues auszuprobieren – Neues jenseits des neuen Kanals. Gelegentlich höre ich, die Schüler und Schülerinnen könnten nicht alleine anhand des Buches etwas lernen, und deshalb braucht es Videounterricht. Ich kann das nur für meine Fächer beurteilen, und da gibt es selbstverständlich viele Möglichkeiten, ohne Lehrkraft damit zu arbeiten. Gelegentlich höre ich, die Schüler und Schülerinnen mögen oder würden nicht alleine ohne Videounterricht etwas lernen. Das kann ich mir eher vorstellen, aber aus dieser selbstgewählten Hilflosigkeit sollten sie ohnehin heraus.
Ich weiß doch auch nicht, wo das hin will und soll. Deshalb habe ich auch davon Abstand genommen, die Wörter „agil“, „Mehrwert“ oder „zeitgemäß“ zu verwenden, von „Digitalität“ ganzu schweigen; inzwischen ist man eh schon bei „post-digital“.
So sieht die Lehre in Harvard aus. Was ist eure Meinung dazu? Vorbild? Abschreckend? Undenkbar in deutschen Schulen? #twlz https://t.co/qnI6lJRnOz
— fobizz (@fobizz) October 31, 2020
So etwas hätte ich schon gerne als ein Werkzeug unter vielen, und ich würde nicht hauptsächlich dieses verwenden, und das ist auch nicht, was wir aktuell am dringendsten brauchen.
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