Was und warum
Über Trivialliteratur in Großbritannien wusste ich bereits ein bisschen (Blogeintrag), über die USA, wie sich herausgestellt hat, nichts. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gab es die Story Papers, Zeitschriften mit sensationellen Fortsetzungsromanen. Das erfolgreichste davon war The New York Ledger. Geschrieben dafür haben Autoren und Autorinnen wie Emerson Bennett, Mary Andrews Denison oder E. D. E. N. Southworth, und wenn man sich deren Titel anschaut, dann klingt das sehr nach einer melodramatischen Kreuzung aus epigonaler englischer Schauerromantik und deutschen trivialromantischen Räuberromanen.
Nachfolger der Story Papers waren in den USA die Dime Novels, federführend hier Erastus Flavel Beadle (Wikipedia). Hier stellt eine schöne alte Webseite Material dazu vor: The House of Beadle & Adams and its Dime and Nickel Novels: The Story of a Vanished Literature by Albert Johannsen.“ Unter anderem wird die Prä-Beadle-Literatur geschmäht, also die Story Papers, hier etwa. Eines der geschmähten Bücher lese ich gerade: The Corsair King, Or, The Blue Water Rovers. A Romance of the Piratical Empire (1847) von Charles E. Averill.
Eigentlich suchte ich nach einem Buch, das in By the Shores of Silver Lake erwähnt wird. Auf Stackexchange schlug jemand The Corsair King vor. Ich weiß so gut wie nichts über den Autor, nichts über die Veröffentlichungsgeschichte. Aber ich habe das Buch heruntergeladen, es hat nur gut 100 Seiten, wenn auch jeweils zweispaltig, und ich wollte wissen, wie es weitergeht. Und weil ich nichts dazu im Internet gefunden habe, schreibe ich das hierher. Little did I know.
Inhalt
Kapitel 1: Conrad ist der Herrscher über viele Piraten, so dass er der Piratenkönig genannt wird. Im ersten Kapitel wird er uns vorgestellt:
His commanding figure was arrayed in a tunic of the most brilliant scarlet cloth, in fashion not unlike the Roman toga costume, which, spanned around the waist by a flowing golden-colored sash, thence descending to his knees, contrasting finely with the deep blue of his pantaloons; the whole splendig and gorgeous dress veiling a person of the most gracious symmetry, combined with the most gracious strength. His long and way hair of raven blackness, in hue the counterpart of his noble dark eye, was partly hidden beneath a velvet cap, fashioned into a happy resemblance to a crown, whose bright golden color served to render more dazzlingly fair, the pure olive of his classic countenance, beautiful as a woman’s, but spirited and manly a a hero’s. The swordhand grasped proudly the jewelled hilt of an upraised massive Turkish sabre, while its fellow sustained a banner with a device of a crowned monarch of the seas inscribed upon a field of ocean azure.

Gleich darauf stößt er auf ein anderes Piratenschiff, dessen Mannschaft ein drittes Schiff überfallen hat und die Überlebenden dessen Besatzung jeweils einzeln an einen Leichnam gefesselt haben. Empört über solch grausames Verhalten lässt Conrad den Anführer dieser Piraten an Armen und Beinen in ein Boot nageln, das den Wellen übergeben wird.
Kapitel 2: Dieses dritte, überfallene Schiff und dessen Besatzung sollen zuerst unversehrt weiterreisen dürfen…
„And who, strange man are you? who with a wave of your hand and a word from your lip, thus cause a pirate band to leave their prey,“ was the astonished interrogatory.
„Conrad, the Corsair King.“
…allerdings entdeckt Conrad versteckt eine Gefangene (Florence, jung, schön, bleich) auf dem Schiff, die daraufhin vor Freude gleich in Ohnmacht und in Conrads Arme fällt. Also wird das Schiff doch geplündert, die Besatzung bleibt verschont.
Am nächsten Tag erscheint ein Boot in der Nähe des Piraten, an Bord ein Mann (Rafael), der Conrad sprechen will, weil er sich um eine Stelle als Leutnant bewirbt – in Handschuhen, mit merkwürdig empfindlichen Händen und Füßen und einer schwarzen Maske, die er nicht abnehmen will… Wir sind erst auf Seite 7 des Textes. Minuten später, immer noch auf Seite 7, wird ein weiteres Schiff gemeldet, ein Handelsschiff ohne Vorräte und nur noch notdürftig manövrierfähig, unter einem Kapitän Williams. Natürlich wird mit Wasser und Essen ausgeholfen, außerdem nimmt Conrad – dessen Schiff nicht als Piratenschiff erkennbar ist – nach kurzem Zögern vier Passagiere auf, die dieses Schiff verlassen: ein älteres Paar und dessen Nichte und Neffe (Isabel und Bernard).
Kapitel 3: Noch am Abend desselben Tages begegnen sie einem Sklavenschiff, dem sie ohnehin auf der Spur sind. (Von den versklavten Menschen an Bord erfährt man allerdings nichts.) Es kommt zu einem kurzen Gefecht, dann verschwindet das andere Schiff im plötzlich aufkommenden Nebel, und man hört nur noch eine rufende Stimme: „The Witch of the Mist seeks protection in her enchanted element!“ Unheimlich, gell? Außerdem hört man von dem Frau eine Frau um Hilfe rufen.
Kapitel 4: Dann fallen Isabel und Florence über Bord; Conrad rettet Isabel, Bernard rettet Florence. In einem Sturm begegnen die Piraten noch einmal dem Sklavenschiff.
Kapitel 5: Der Kapitän des Sklavenschiffs ist ein rechter Schurke, er hält eine junge Frau und deren Bruder gefangen, den er foltert. Sie rettet dem ihr wohl wollenden zweiten Offizier, unfreiwillig an Bord, das Leben, indem sie das Seil, an dem er gehängt wird, mit einem Pistolenschuss durchtrennt. Der Offizier entkommt ins Meer; wir werden ihn sicher wiedersehen. – Die Piraten entern das Sklavenschiff und sind dabei, dessen Mannschaft im Handgemenge zu besiegen, da zündet der Kapitän das Pulvermagazin an und es kommt zu einer Explosion!
Kapitel 6: Jetzt kommen vier unverbundene Szenen. Zuerst ein Frühstücksgespräch unter Millionärs, die im Gespräch miteinander in unrealistischen Sätzen das Lesepublikum darüber informieren, dass ihre Adoptivtochter auf See verschollen ist: “It is hard for parent to lose a child,” sobbed the distressed mother, “hard even though a child by adoption.” – Dann sind wir kurz bei der Marine, wo ein Schiff die Spur von Conrad aufnehmen soll. – Dann sind wir in einem geheimen unterirdischen Spielcasino in Boston (wo alle Spieler in rote Kutten gewandet sind), wo ein junger Mann, Peyton, der das Vermögen einer Erbin ohne deren Wissen a) verwaltet und b) unterschlägt, c) die Erbin und ihr Vermögen an einen Schurken (Allison) im Glücksspiel verliert: Die Frau soll ihn heiraten oder sterben, ihr Vermögen fällt so oder so an den Schurken. Aber Peyton plant, seinen Partner betrügen. – Und zuletzt sind wir, eine Woche zuvor, in London, wo ein Duke of Richmond die Entführung einer Frau von einer Yacht befiehlt.
Kapitel 7: Wieder an Bord. Stellt sich heraus: Die Mannschaft ist gerade noch rechtzeitig vor der Explosion über Bord gesprungen. Die Gefangene ist gerettet, ihr – angeketteter – Bruder aber mit dem Schiff untergegangen; auch sonst gibt es keine Überlebenden, weder die Versklavten noch die Besatzung. Und Conrad hat jetzt schon drei rettungsbedürftige Frauen auf seinem Schiff. Bernard und Florence gestehen sich ihre Liebe und Florence erzählt ihm ihre Geschichte: auf den Orkneys als Gefangene einer Schmugglerband aufgewachsen, bewacht lediglich von einem Wolfshund; sie entkommt, es verschlägt sie nach Frankreich, dort wird sie von einem adligen Paar adoptiert, auf einem Yachtausflug nach London in einen Palast entführt. – “Mine is an eventful history,” in der Tat. Der Entführer ist der Duke of Richmond des letzten Kapitels, der Florence merkwürdig vertraut vorkommt; die Schmuggler arbeiteten mit ihm zusammen und Florence war absichtlich bei ihnen untergebracht worden. Heißt also: aristokratische Abstammung, Erbin. Sie wird vom Duke ins amerikanische Exil geschickt, auf einem Schiff, wo sie erst von einem überfallenden Piratenkapitän gefunden wird (der sich als der Schmuggleranführer ihrer Kindheit entpuppt), und dann gleich darauf von einem zweiten Kapitän auf die gleiche Weise gefunden wird, und das ist der Piratenkönig Conrad und das 2. Kapitel und der Schmuggleranführer ist der, der ins Boot genagelt wurde.
Kapitel 8: Das Schiff brennt! Heldenhaft kann Conrad das Feuer unter Deck löschen. Sofort danach wird ein Schiffbrüchiger aufgenommen, just jener Offizier des Sklavenschiffs, der sich vor der Explosion für die Frau mit dem Bruder eingesetzt hatte und deswegen im Meer gelandet war, Winship mit Namen. (Er war auf das brennende Schiff zugeschwommen. An Bord des Piratenschiffs erklärt er ein paar der unheimlichen Tricks der Sklavenhändlerbande. Und beim ersten Mal heißt er versehentlich „Winthorpe“.) Dann geht die Sonne auf und enthüllt ein Schiff in der Nähe und zwei am Horizont. Das Schiff in der Nähe ist das, das in Kapitel 6 auf die Jagd nach Conrad geschickt wurde; der Kapitän ist Kapitän Williams aus Kapitel 2, der Isabel und Bernard und dessen Onkel und Tante transportiert hatte. Die will er zurück haben, weil er sie als Gefangene wähnt; sie wollen aber bei Conrad bleiben, also will Williams kämpfen. Conrad sagt, er kann nicht gegen ein amerikanisches Schiff kämpfen und – flieht!
Kapitel 9: Rafael, der Mann mit der schwarzen Maske, versucht Conrad zu ermorden, der Versuch scheitert aber an der beherzten Blanche (die ehemalige Gefangene des Sklavenschiffs). Rafael wird aus der Piratenbruderschaft augestoßen und erhält Gelegenheit, zur nächsten Insel zu schwimmen. (Wir sind irgendwo in den Bahamas.) Blanche und Conrad gestehen einander ihre Liebe und wir erfahren, dass Conrad eine mysteriöse Herkunft hat, über die er selbst nicht viel weiß; dass er gar kein Verbrecher ist und nur Piratenkapitän wurde, um die Piraten zu besseren Menschen zu machen, was ihm auch gelungen ist. Bernard hat Rafael erkannt. Zwei ungenannte Gestalten verlassen nacht das Schiff. Hinweis: Es sind Bernard und Conrad. (Von der Vorgeschichte von Blanche wissen wir noch gar nichts, und ihr Bruder ist seit der Explosion nicht mehr erwähnt worden.)
Kapitel 10: In den Höhlen der Insel tagt die Versammlung der Piraten unter ihrem Vizekönig. Gericht wird gesprochen über einen Piraten, der bei einem Schiffsunglück hundert Passagiere im Stich gelassen hat. Er wird verurteilt und zum Death Chasm geschickt, wo er zu Tode gestürzt wird; zumindest hört man seinen Todesschrei. Danach gibt sich der heimliche Zuschauer Conrad zu erkennen, und der andere heimliche Zuschauer Bernard wird entdeckt und für einen Spion gehalten.
Kapitel 11: Bernard muss Mitglied der Piraten werden, um nicht als Spion getötet zu werden. Dafür wird er von Conrad als einer von drei möglichen Nachfolgern festgelegt, aus denen die anderen Piraten nach seinem Tod wählen dürfen. Außerdem hat Conrad den zum Tode Verurteilten aus dem letzten Kapitel erkannt – es ist der Kapitän des Schiffes, das Florence an Bord hatte, das in Kapitel 2 überfallen worden ist. Aber der Leichnam dieses Gestalt ist verschwunden; unbemerkt schleicht sich ein mysteriöser zwergenwüchsiger Buckliger von der Stelle, ein unheimliches Lachen ertönt.
Kapitel 12: Weiterhin auf der Pirateninsel: Conrad betritt seinen Harem. Er sagt sich von der Königin des Boudoirs, Eva, los, er liebe sie weiter, aber – ab jetzt – nur wie ein Bruder. Die informiert ihn: “Know that my soul’s unutterable wealth of love has changed into hate” – wir hätten das auch so gemerkt, weil sie erst Conrad mit einem Dolch ersticht und dann sich selber; beide sinken dem Tode nahe zu Boden, aber Eva wird von dem Buckligen heimlich davongetragen.
Kapitel 13: Der Piraten-Vizekönig, Francisco, hat einen heimlichen Gefangenen in einem Verlies im Höhlensystem: Wegen Erbschaftssachen hat der Gefangene einst die Mutter des Vizekönigs in einer Burg gefangen gehalten und verhungern lassen. Der Vizekönig will erstens Rache und zweitens wissen: wer sein Vater ist! Da kommt der Bucklige und befreit den Gefangenen. – Zeitgleich bringt Bernard den durch den Dolchstich des letztes Kapitels verwundeten Conrad aufs Schiff zurück. Zeitgleich auf der anderen Seite der Insel bringen zwei Piraten eine regungslose Gestalt an Bord eines Schiffes, von dem aus danach kurze Kampfgeräusche zu hören sind.
Who was that human figure? was it a dead body or a living form? and who were the abductors? What was the meaning of the pirate viceroy’s mysterious words? Who was the captive of the cavern-dungeon, and what was the nature of the damning secret? The curtain is about to be lifted from the grand drama of Fate’s mysteries.
Ich bin ja skeptisch, ob das nicht noch eine ganze Weile länger dauert, bis das geklärt ist.
Kapitel 14: Eine kleine Weile später. Conrad und seine Besatzung sind in den Bermudas und greifen das Höhlensystem der Sklavenhändler dort an. Wir erinnern uns: Die Sklavenhändler waren das zweite Schiff, dem Conrad am Anfang begegnet ist; nach einigem Hin und Her explodierte es, wobei sich Conrad und seine Leute retten konnten, zusammen mit der Gefangenen Blanche, aber ohne deren Bruder; später stößt noch der vom Sklavenschiff verstoßene Offizier Winship dazu. – Die Schätze werden geplündert, die Versklavten werden befreit und aus dem Plot entfernt: “The poor wretches no sooner found themselves free than they performed the most extravagant antics, and joyfully departed in the woods, thanking their liberators with grateful tears in their eyes.” Aber dem Anführer der Sklavenhändler gelingt es, das Pulvermagazin zu entzünden, woraufhin die Höhle einstürzt und sich alles mit Wasser füllt. Dennoch, die Piraten entkommen und gehen wieder auf ihr Schiff, sichten und verfolgen ein neu hinzugekommenes Sklavenhändlerschiff. Das entkommt aber, weil Conrad – aus uns noch verborgenen Gründen – nie in küstennahen Gewässern kämpft.) Aber das Sklavenschiff läuft auf ein Riff. Da ruft eine Frau vom untergehenden Schiff nach Conrad um Hilfe!
Who was this female figure? how came she in the power of the man? and who was this man? whither was she borne a captive, and for what dark purpose? Let our story answer.
Kapitel 15: Conrad will jetzt eigentlich mit seinem Piratenschiff Richtung Boston, um endlich die Passagiere abzusetzen (also mindestens: Isabel und Bernard, Onkel und Tante; vielleicht auch Florence und Blanche, vielleicht Winship), aber Stürme zwingen ihn Richtung Süden. Auf einer Insel der Bahamas kommt es zum Schiffbruch. Gleichzeitig beginnt die Mannschaft zu meutern; Gründe werden keine angegeben. Die Meuterer verlassen das sinkende Schiff, alle anderen bleiben zurück. Aber die Boote der Meuterer kentern und sie werden alle von Haien gefressen. Die Helden entkommen in einem Rettungsboot und landen auf einer paradiesischen Bermuda-Insel, obst- und wildreich, und vergleichen sich mit Robinson Crusoe. Schäkern unter den sechs jungen Leuten. (Spielt dieses Kapitel wirklich einfach nach dem vorhergehenden? Conrads Verwundung ist kommentarlos geheilt? Die rufende Fremde auf dem untergehenden Schiff wird ignoriert?)
Kapitel 16: Sie finden ein Höhlensystem auf der Insel; aus einem Gang strömt heiße Luft. Dem nachgehend, finden sie einen leuchtenden See, geheimnisvoll aufgewühlt und unruhig. Dessen Geheimnis: darunter befindet sich eine Magma-Schicht, „a lake of livid flame“, die den nur durch eine dünne Gesteinsschicht getrennten See darüber erhitzt. Die ganze Insel ist der Gipfel eines Vulkans! Die Gruppe zieht um in das Höhlensystem.
Kapitel 17: Zwölf Wochen später. Allen geht es gut, aber es wird etwas langweilig, so dass Isabella vorschlägt, man könnte einander zur Unterhaltung die jeweilige Lebensgeschichte erzählen. Blanche beginnt: In wohlhabenden Umständen aufgewachsen in New Orleans (mit, natürlich, dunklen Erinnerungen an eine Zeit zuvor), sie soll einen französischer Offizier heiraten, der aber schurkenhaft und ihr zuwider ist. , der um sie freite. Ihr eigener Vater, der natürlich gar nicht ihr echter Vater ist, hält sie bei spärlich Wasser und Brot gefangen. In Wirklichkeit ist Blanche die Schwester ihres Jugendfreundes, eines jungen französischen Offiziers, Henri De Leon. Der befreit sie dann auch. Der böse Vater entkommt, man findet aber einen Brief, der seine Pläne mit einem George Peyton aus Boston verbindet. Das war der Spielcasinomensch aus Kapitel 6. Damit ist Blanche die unwissende Erbin, die Peyton an den Schurken Allison verkauft hat, den er aber ohnehin betrügen will. Dieser Peyton sollte der Vormund von Blanche werden. Die flieht aber mit ihrem Bruder Henri, wird aber von einem Sklavenhändler-Schiff überfallen, dessen Kapitän sich als niemand anderes als Peyton herausstellt. (Wegen seiner Schulden musste er wohl Boston verlassen.) Damit ist Peyton derjenige, der in Kapitel 5 das Schiff hat explodieren lassen.
Kapitel 18: Als Blanche ihre Erzählung beendet hat, springt ein riesiger Wolfshund aus der Höhle Florence an. (Ich erfinde nichts!) Es ist natürlich jener Wolfshund, der Florence in der Schmugglerhöhle auf den Orkneys bewacht hat. Der Hund wird getötet, an seinem Halsband findet sich ein Brief, in dem der reuhevolle Besitzer des Hundes seine ehemalige Gefangene um Verzeihung bittet. Wir erinnern uns: der Schmuggleranführer war der ins Boot genagelte Pirat aus Kapitel 2, wie wir in Kapitel 7 erfahren hat. (Das weiß Florence jetzt aber nicht mehr?) Die Geschichten von Bernard und Isabella sind so unspektakulär, dass sie von ihnen gar nicht erst erzählt werden, glückliche Kindheit und so weiter. Winships Geschichte ist ähnlich kurz: Er wurde in die Mannschaft des Sklavenschiffs gepresst, bis er sich für Blanche einsetzte, über Bord ging, schwimmend später von Conrads Schiff gerettet wurde. Dann ist der Piratenkönig Conrad selber an der Reihe: Als Findelkind in einem Boot auf dem Meer gefunden, in Boston adoptiert, sich auf ein Schiff gestohlen. Mit fünfzehn von Piraten überfallen, mitgenommen worden, und einerseits hat ihm das ungebundene Leben gefallen, andererseits will er die Piraten zivilisieren. Der Piratenanführer damals, Pierre le Grand, hasst ihn allerdings aus einem geheimen Grund; Conrad ist aber so beliebt, dass es Pierre le Grand ist, der fliehen muss und sich nach Frankreich absetzt – tatsächlich verstoßen, angeblich aber, weil er sich zur Ruhe setzt. Die Piraten wählen Conrad zum neuen Anführer. Er will aber nur gegen Länder kämpfen, die schon einmal für Böses verantwortlich waren – deshalb ist wohl das amerikanische Schiff in Kapitel 8 vor ihm sicher. Sklavenhandel hasst er besonders. – Conrad erzählt weiterhin von weiten Seereisen, die er unternommen hat, unter anderem bis nach Elba. Dort verspricht er einem Fremden, der angeblich sogar etwas über die Vergangenheit Conrads weiß, ihm zur Flucht von Elba zu verhelfen. Ja, es ist Napoleon. Die Erzählung wird an dieser Stelle unterbrochen, als plötzlich eine Gestalt aus dem Inneren des Höhlensystems hervortritt!
Kapitel 19: Die Gestalt, in zerlumpter Kleidung, entpuppt sich als:
“The Duke of Richmond!”
“The Smuggler of the Orkney Isles!”
“My pretended father!”
“The traitor pirate Rafael!”
“Pierre Le Grand!”
Um das mal aufzudröseln:
“The Duke of Richmond!” (Florence, die ihn nur im Dunkeln gesehen hat)
“The Smuggler of the Orkney Isles!” (Florence)
“My pretended father!” (Blanche)
“The traitor pirate Rafael!” (Bernard, der ihn bei dessen Flucht gesehen hat)
“Pierre Le Grand!” (Conrad)
Man möchte ergänzen: Der Sklavenkapitän, der ins Boot genagelt wurde. Von Conrad. Der ihn nicht erkannt hat.
Pierre, nennen wir ihn Pierre, war außerdem die letzten Jahre alleine schiffbrüchig auf der Insel. Glücklicherweise fasst er seine Geschichte für uns zusammen:
- Geboren als Duke of Richmond, aber verarmt.
- Deshalb heimliche Zusammenarbeit mit den Schmugglern.
- Parallel dazu Arbeit als Pirat Pierre Le Grand.
- Wird Teil einer Verschwörung, die Bourbonen wieder auf den englischen Thron zu bekommen. Er bekommt zwei Kleinkinder aus dem Haus von Orleans, Schwestern, ausgehändigt. Die eine (Prinzessin Blanche von Navarse, prospektive Königin Frankreichs) bringt er nach New Orleans und zieht sie als seine Tochter auf, die andere (Florence, Herzogin von Neymours) gibt er in die Schmugglerhöhle.
- Die spanische Königin, eine Bourbonin, heuert ihn an, um aus politischen Gründen den neugeborenen Sohn des brasilianischen Kaisers zu entführen. Er macht das auch und setzt ihn in einem Boot auf dem Meer aus. (Im nächsten Kapitel erfahren wir offiziell: das ist natürlich Conrad.)
- Fünf Jahre später kriegt der brasilianische Kaiser eine Tochter, auch diese wird entführt; sie wird als Adoptivkind nach Boston gebracht. (Spoiler: Das wird sich als Isabella herausstellen.)
- Dann vergehen zwanzig Jahre, in den Pierre jeweils als Herzog, Schmuggler und Pirat agiert. Währenddessen verschlägt es Conrad zu den Piraten, der Pierre ablöst, währen Pierre die Piratenrolle aufgibt.
- Der Ehemann, den Pierre für Blanche ausgesucht hat, war in Wirklichkeit der spätere Orleans-König von Frankreich, Charles X, dem eine Heirat mit der Bourbonentochter geholfen hätte.
Kapitel 20: Der auf dem Meer ausgesetzte ist Conrad, wir dachten es uns bereits. Weiteres zu Pierres Leben:
- Pierre schleicht sich als Rafael wieder bei den Piraten ein, weil er dort wieder Macht erlangen will. (Das geschieht vermutlich vor einer ganzen Weile.) Er steigt nach und nach auf, bis er versehentlich selbst das Schiff mit Florence überfällt, die er doch selbst als Herzog nach Amerika verfrachten ließ. Wie das zeitlich gehen soll, fragt mich nicht.
- Pierre wird, als Schurke, ins Boot genagelt und ausgesetzt; “his disguise had prevented him from being recognized by Conrad.“
- Er wird von einem Sklavenschiff gerettet und verarztet, macht sich aber gleich als Rafael mit der schwarzen Maske zurück zu Conrads Schiff.
- Nach dem Mordversuch an Conrad wird er, diesmal als Rafael, wieder ausgesetzt, wieder von einem Schiff aufgenommen, das aber – später wichtig – Schiffbruch erleidet, so dass es ihn auf die Insel verschlägt, auf der sich jetzt alle getroffen haben.
- Kurz davor setzt er, bereits reuig geworden, seinen Hund mit der Nachricht aus.
Pierre bringt alle in seinen Bereich der Höhle, wo er ihnen Goldschätze und eine Goldmine zeigt. Außerdem erkennt er Isabella als die entführte brasilianische Kaiserstochter.
Kapitel 21: Da stürzt die Haremskönigin Eva aus Kapitel 12 hervor, sie und Conrad umarmen sich innig, der zwergenhafte Bucklige erscheint mit einem verletzten Gefährten und schießt auf die beiden, trifft aber Pierre.
Der Zwerg: Ist derjenige, der in Kapitel 10 zu Tode gestürzt wurde. Er hat überlebt, aber mit krummem Rücken. Hasserfüllt hat er auf Rache gesonnen, an Conrad und dem Vizekönig Francisco. Deshalb hat er die (ja ohnehin tödlich verwundete) Eva entführt. Da erkennt Pierre in dem verwundeten Gefährten des Buckligen seinen Bruder Edwin, der einst dessen Frau ermordet und sein Kind entführt hat. Daraufhin erkennt Eva in Pierre ihren Vater, denn der verwundete Gefährte ist just jener, den Eva laut Kapitel 13 die letzten fünf Jahre gefangen gehalten hat, weil der ihre Mutter hat verhungern lassen und seinen Bruder – vermeintlich, wie wir jetzt wissen – getötet hat. Eh, war das nicht Francisco, der Vizekönig? In der Tat, denn Francisco ist niemand anderes als Eva in männlicher Verkleidung. (Ein paar Hinweise darauf gibt es in Kapitel 13 tatsächlich bereits, so dass man auf das Topos der verkleideten Frau unter den Piraten bereits vorbereitet ist). – Am Ende von Kapitel 13 hat der Bucklige den gefolterten Edwin und die entführte Eva auf sein Schiff bringen lassen; am Ende von Kapitel 14 ist es Eva, die man rufen hört. Und just jenes Schiff ist es wohl, das Pierre (als Rafael) laut dessen Erzählung aufgenommen hat, bevor es Schiffbruch erlitt und Rafael an die Insel gespült wurde. Eine kleine Weile nach ihm hat es auch Eva, den Buckligen, und Edwin dorthin verschlagen.
Vor seinem Tod, er ist ja von einer Kugel getroffen, ersticht Pierre seinen Bruder Edwin und den Buckligen. Eva gibt Conrad frei, als sie seine Liebe zu Blanche sieht, und verschwindet aus der Höhle, um nie wieder gesehen zu werden. Aber wer weiß:
Dim and shadowy traditions have come down to us, of a maiden and a virgin band, who, afar in the ocean isles, sway the sovereignty of the seas. May not this maiden corsair be the Houri Queen, and these female rovers of the deep, the beauties of the seraglio bower? Future researches may determine.
Kapitel 22: Nach ein paar Wochen kommt ein Schiff und nimmt unsere Abenteurer mit. Der Kapitän ist jener Kapitän Williams, ach, whatever. Wir sind ihm mehrfach begegnet. Alle bedienen sich am Gold der Insel. Williams, jetzt ist auch schon alles egal, stellt sich heraus als der Pflegevater, bei dem der junge Conrad einst aufwuchs, nachdem er im Boot gefunden wurde und bevor er sich zur See aufmachte.
Kapitel 23: Alle versammeln sich und feiern im Palast von Pedro I, Kaiser von Brasilien. Auf der Hochzeitsreise schaut Conrad mit Blanche noch einmal in seinen alten Jagdgründen vorbei und belauscht die Piraten in ihrer Höhle, wie sie das alte Piratenlied singen. Es gibt einen neuen Piratenkönig, nachdem Conrad, Francisco, Bernard plötzlich alle verschwunden sind; Conrad überträgt ihm das Amt. Der Harem ist leer, nachdem kürzlich eine Frau, auf die die Beschreibung von Eva/Francisco passt, auf der Insel war. (Der Harem, erfahren wir, war übrigens nur eine Auffangstation für geflüchtete Unterdrückte Frauen, die alle freiwillig dort waren.)
Danach schauen sie auf der Insel vorbei, auf der sie schiffbrüchig so schöne Zeit verbracht haben. Sie werden überfallen von, wie sie glauben, Wilden – die sich dann aber doch als die befreiten Sklaven aus Kapitel 14 herausstellen, die sich dort niedergelassen haben und ihnen natürlich kein Haar krümmen: „Farewell! and remember that the oppressed African possesses a soul in common with his fellow man.“
Kapitel 24: Pedro I stirbt, Conrad wird Kaiser Pedro II von Brasilien. Wir erfahren ein bisschen, wie es weitergeht. (Winship wird in den US-Kongress gewählt.)
Überlegungen
Ich wollte hier irgend etwas Analytisches schreiben. Aber zu viel, zu viel! Ich bin erschöpft. Respekt, alle offenen Fragen sind beantwortet, auch wenn das mit dem Zeitablauf nicht hinhauen kann. Nur Allison ist eine überflüssige Figur.
Wir haben: Geheimisvolle Herkunft (Conrad, Florence, Isabel, Blanche, Eva), junge Frauen in Nöten (Florence, Isabel, Blanche, Eva), Begegnungen auf See (viel zu viele, der Atlantik ist voll davon), eine verkleidete Piratenkapitänin, Erbschaftsangelegenheiten.
Gentle Reader, mehrfach; doom worse than the most horrible death, a fate more terrible than death“; I will save you from the fate more fearful than death, einen Goldschatz, einen Vulkan (auch wenn er nicht ausbricht), Piratenjustiz und ein vererbbares Piratenamt. (Dread Pirate Roberts, anybody?)
Das alles aufzuschreiben hat wesentlich länger gedauert, als es zu lesen. Aber wer weiß, wer noch einmal dieses Buch lesen wird. Ich zolle höchsten Respekt allen, die diesen Blogeintrag gelesen haben.
Ist es das gesuchte Buch? Es passt zeitlich nicht ganz, müsste vor 1880 im New York Ledger in Fortsetzungen erschienen sein. Das kann ich mir bei einem Roman aus dem jahr 1847 nicht vorstellen. Hier noch einmal die Stelle:
Laura began to read to them all a wonderful story, about dwarfs and caves where robbers lived and a beautiful lady who was lost in the caves.
Es gibt nur einen Zweg, aber viele Höhlen, keine Räuber, aber Piraten, und viele schöne Frauen, die sich aber nicht in Höhlen verirren. Die Geschichte ist außerdem zu blutrünstig für Laura. Aber wer weiß, vielleicht hat sie sie gar nicht gelesen. Ich werde weiteren Spuren nachgehen. Nach einer Pause. Das war ein gar zu wilder Ritt.
Hier gibt es das Buch. Es liest sich flott und angenehm, wenn man nicht gleichzeitig darüber bloggt, sondern nur staunen will:
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