Der Cotswold Way ist ein relativ junger englischer Fernwanderweg, der – anders etwa als der South Downs Way, dessen Teilstrecken seit Jahrtausenden genutzt werden – nicht auf alte Reisestrecken zurückgeht, auch wenn er natürlich alte Wege nutzt. Er verläuft an der Grenze von England zu Wales von Chipping Campden im Norden nach Bath im Südwesten. Insgesamt ist der 164 km lang, wir liefen diesen Mai in 5 Tagen die südliche Hälfte davon.
Vorbereitung
Gute Wanderstiefel hatten wir bereits. Neu waren leichte Wanderhosen; die Regenjacken wurden imprägniert. Das Wanderführer-Büchlein empfahl leichtes Verbandszeug und eine Trillerpfeife zum Mitnehmen, auf beides verzichteten wir, Frau Rau leichten Herzens. Taschenmesser hatten wir dabei, kam aber nicht zum Einsatz.
Wir hatten vor, jeden Tag 20-25 Kilometer zu laufen, solche Entfernungen sind wir von Wanderungen um München herum gewöhnt, wenn auch in flacherem Gelände als in den Cotswolds. Als auch eine probeweise 35-Kilometer-Wanderung problemlos ging, fühlten wir uns auf fünf Tage einigermaßen vorbereitet. – Tatsächlich waren wir an jedem Morgen frisch und munter, keinerlei Muskelkater, keinerlei Blasen oder Druckstellen; aber zumindest mein Fußbett freute sich danach über etwas Wanderpause. Vielleicht sollte ich mal doch Einlagen ausprobieren?
Bed & Breakfast hatten wir vorher gebucht, beziehungsweise eine Agentur für uns, die auch den Transport unserer Koffer – wir waren ja nicht nur zum Wandern in England – von Unterkunft zu Unterkunft organisierte.
Mitgenommen außerdem: Eben jenes Wanderführer-Büchlein mit sehr detaillierten gezeichneten Karten, die viel übersichtlicher waren als die echte Karte, die wir natürlich auch dabei hatten. Und eine App mit GPS und Offline-Kartenmaterial, klar.
Fazit: Wunderschön. Die fünf Tage vergingen wie im Flug und waren viel zu kurz. In Zukunft dann lieber acht Tage wandern, mit zwei Tagen Pause in der Mitte dazu.
Landschaft






Das letzte ist schon nicht mehr nur Landschaft, sondern Denkmal. Leuchtfeuer gibt es dort seit mindestens 1588, die Pinien wurden zum Sieg bei Waterloo 1815 gepflanzt, und – wenn ich das richtig verstanden haben – immer wieder mal zu einem feierlichen Anlass abgebrannt und dann neu gepflanzt.
Wege

Der Cotswold Way wurde bewusst so angelegt, dass er die schönsten Stellen der Cotswolds – eine AONB (Area of Oustanding Natural Beauty) – mitnimmt, er zieht deshalb schon eher viele Schleifen. Aber die Teilstücke sind sehr oft alte Wege, und diese Wege sind gerne mal sehr gerade. Das stört beim Wandern überhaupt nicht, die geraden Strecken sind kurz und fallen nur deshalb auf, weil sie wirklich gerade sind, auch mitten durch Felder und Äcker, mitten über Hügel, mitten durch Weiden. Das liegt vielleicht auch am englischen Wegerecht.
In Deutschland gibt es ein Betretungsrecht. Kurz gesagt: Ich darf grundsätzlich jeden Waldweg benutzen, auch wenn er mir nicht gehört. In England (nicht: Schottland) ist das anders: Da darf man nur Wege, die als öffentlich zugänglich markiert sind, benutzen. Eine wichtige Kategorie dieser Wege ist der public footpath. Das sind Strecken, auf denen ein teilweise Jahrhunderte altes Wegerecht liegt, auch wenn sie im Privatbesitz sein mögen. Der Besitzer ist verpflichtet, den Weg einigermaßen begehbar zu halten, und macht ansonsten mit dem Grund um den Weg herum, was er will. Und so kommt es eben, dass Wege direkt über Felder und Weiden führen können, voller Schafe oder Kühe. Der Besitzer der Tiere ist verantwortlich, wenn jemand zu Schaden kommt; die meisten Stiere (außer: Jungtiere) dürfen gar nicht erst auf Weiden gehalten werden, durch die ein solcher Weg führt. (Auf einem public bridleway darf man auch radfahren, der Weg muss aber keinesfalls fahrradtauglich gehalten werden. Ein permissive path ist ein Weg in Privatbesitzer, bei dem der Eigentümer die Benutzung freiwillig erlaubt, ohne durch Wegerecht dazu gezwungen zu sein.)
England versucht seit 1949 Ordnung in das Wegerechtssystem zu kriegen und erstellt eine Definitive Map, die diese Wege verzeichnet. Im Jahr 2000 fehlten lauten Schätzungen mehr als 10% aller public foothpaths in diesem Verzeichnis, bis zum 1.1.2026 läuft eine Frist – alle Wege, die bis dahin nicht verzeichnet sind, verlieren ihren Status als öffentlicher Weg. Die Ramblers‘ Association kämpft darum, dass diese Wege eingetragen werden und dass die Rechte der bestehenden Wege nicht beschnitten werde, was von Landbesitzern immer wieder mal versucht wird.
„Zaunübertritte“
Wenn diese Wege über Weiden führen, gibt es um diese herum natürlich Zäune. Damit in die Weiden kommt, gibt es Gatter. Eine Alternative zu Gattern sind stiles, Zaunübertritte. Die muss man nicht eigens wieder schließen, es gibt sie in vielen Varianten. Abgebildert: ein hölzernes kissing gate und eines aus Metall, zwei squeeze stiles (die mochte ich nicht, mit Rucksack und dem Ballast eines erfüllten Genießerlebens muss man sich ganz schön dünn machen). Viele Versionen mit Treppenstufen, auch mit kleinem Hundedurchgang daneben.

Mauern
Am Rand der Wege gibt es ab und zu Mauern, lokal gerühmt sind vor allem die alten dry stone walls.



Die Cotswold Voluntary Wardens kümmern sich darum, dass die Wege ausgeschildert bleiben und inspizieren und bessern regelmäßig die Mauern aus. Auf einen Trupp davon stießen wir, einer lief uns gleich mit der kleinen Zeitung Cotswold Lion nach und wir plauderten und bedankten uns bei den Leuten für den schönen Weg.
Tiere
Hervorzuheben ein „Cotswold Lion“, eine Schafrasse aus den Cotswolds, und eine von zwei piggeries, an denen wir vorbeikamen, jeweils im Wald, jeweils leer.
Rehe sahen wir einige im Wald, Fasane sehr viele. (Gehört noch viel mehr.) Die Rehherde war auf dem Grund eines großen Anwesens.

Pflanzen
Blumen gab es viele, die habe ich aber nicht fotografiert. Was es vor allem gab: Wälder voller bluebells, die auf Deutsch – stellt sich heraus – „Atlantisches Hasenglöckchen“ heißen, Massen von Bärlauch allüberall, und Hirschzungenfarn, die einzige europäische Farnart mit ganzrandigem Blattwedel (Quelle: Internet).

Essen
Das wären eh nur Bilder von Eiern, Speck, Würsten, Tomaten, Pilzen. Jedenfalls war das immer mein Frühstück. Fürs Mittagessen bekamen wir im Bed & Breakfast ein Lunchpaket, einmal sogar mit Caprisonne. Wenn wir mittags einen Pub fanden, und das war an den meisten Tagen der Fall, aßen wir dort, und das Lunchpaket wurde dann das Abendessen. Einmal aßen wir Abends mit der Familie Fasan, am letzten Abend – Hill Farm bei Cold Ashton – gab es für uns vorbereiteten Salat, Fish Pie und – außerordentlich lecker – Sticky Toffee Pudding, über den mehr zu schreiben dereinst noch Gelegenheit zu suchen wird.
Gebäude am Wegesrand

Woodchester Mansion wurde Ende des 19. Jahrhunderts gebaut, aber nie bewohnt. Der Familie ist das Geld ausgegangen, oder eine Spukgeschichte, ich habe Widersprüchliches in Erinnerung. Jedenfalls ist innen nichts, außer einigen wenigen Räumen und fünf verschiedenen Fledermausarten. Die konnten wir nicht sehen, weil an diesem Tag geschlossen ware – dennoch lohnte sich der Abstecher hierher, anderthalb Stunden abseits vom Way, wie wir – da Frau Rau eine kluge Frau ist – überhaupt jeden (Frau Rau) oder fast jeden (Herr Rau) zusätzlichen Exkurs unternahmen, den unser Büchlein vorschlug.

Eine der vielen Steinkirchen, und zwar die mit den meisten Kissen (siehe unten).


Kein Wunder, dass das hier das Vorbild für Tolkiens Auenland war. Man sieht die Hobbits geradezu schmauchend angeln. Das ist dann auch genau das verklärte England hier, zu dem viele zurückwollen. (In einem Artikel mal gelesen, dass die rechtsextreme englische Partei Britain First auf ihrem Parteitag das Auenland-Thema aus der Herr-der-Ringe-Verfilmung laufen ließ, komplett unironisch.)

In Dyrham Park wurden die Außenaufnahmen für The Remains of the Day gedreht. Auch hier war innen zu, aber wir sahen uns Park, Kirche, Friedhof an und nahmen erfrischenden Tee zu uns – keinen feinen Tee, sondern ordentlichen. Im Park gab es auch die Rehherde, die man oben mal sehen kann.

Das war der Hof, auf dem wir unsere letzte Nacht vor Bath verbrachten.
Bonus
Es gab sehr viele alte Steinkirchen auf dem Weg. In einer davon, St Mary’s in Wotton-under-Edge („Wotton“ mit kurzem „u“ vorne aussprechen), sahen wir viele bestickte Kissen für die Kirchenbänke, sogenannte kneelers. Die hat man da gerne mal.

Schreibe einen Kommentar