Mein Feedreader ist heute voll mit Beiträgen zur
- Entscheidung des OLG Köln: Lehrer-Benotungen zulässig (Link zum Law Blog)
- Der Deutsche Lehrerverband zum „spickmich“-Urteil: „Dieses Urteil provoziert Rückschritte in Sachen Schulklima“ (bildungsklick.de) Haben wir denn soviel Fortschritte gemacht, dass das ein nennenswerter Rückschritt ist?
- Eine andere sinnvolle Empfehlung: Feed-back-Kultur in Schulen statt Internet-Mobbing. GEW zum „spickmich.de“-Urteil des OLG Köln (auch bildungsklick.de)
- Philologen-Verband: spickmich.de – Gerichtsurteil schadet der pädagogischen Arbeit an den Schulen (bildungsklick.de)
Meine Meinung dazu ist geteilt. Ich war nie bei spickmich.de – zum einen interessiert mich nicht sehr, was da steht, zum anderen, und das ist der wichtigere Grund, ist mir die Gefahr zu groß, dass ich dort Sachen über mich oder andere lese, die mich dann ärgern oder frustrieren. Interessanter und aussagekräftiger sieht übrigens www.schulbenotung.de aus. Das öffentliche Bewerten von Lehrern, die sich nie selbst in die Öffentlichkeit gestellt haben (anders etwa als ich selber), die sich nicht auf der gleichen Ebene äußern dürfen, und das nach fragwürdigen Kriterien unter fragwürdigen Bedingungen – das halte ich für grenzwertig.
Möglicherweise Ziemlich sicher geht spickmich.de also zu weit. Aber wie weit genau? Ich halte viel von Meinungs- und Redefreiheit. Tatsächlich haben in der Schule die Lehrer die Lufthoheit darüber, was, wann, wo mit wem besprochen wird. Kein Schüler kann einen Lehrer zu einem Gespräch zitieren. Also habe ich grundsätzlich nichts dagegen, wenn im Web die Schüler mehr Spielraum haben als die Lehrer. Dass Beleidigungen und Schmähkritik (wir kennen inzwischen alle diesen Fachausdruck) nicht gehen und geahndet werden müssen, ist klar. Aber was soll ein Schüler über seine Lehrer oder seine Schule schreiben dürfen?
Angestellte dürfen keine Interna ausplaudern. Sie dürfen nicht öffentlich schlecht über ihren Chef reden, sonst drohen ihnen Abmahnungen und Strafen. Beamte dürfen selbstverständlich auch keine Interna ausplaudern – und im Zweifelsfall ist alles intern, was in einer Schule geschieht. Und wir dürfen uns auch nur in begrenztem Umfang öffentlich schlecht über unsere Vorgesetzten äußern: Über den Kultusminister dürfen wir mehr lästern als über die Schulleitung.
Sehr interessant ist die Situation der Schüler: Sie sind keine Angestellten eines Betriebs und sind nicht im gleichen Maß zum Schweigen verpflichtet. Allerdings wissen sie doch viele Einzelheiten aus dem Alltag, die ein angestellter oder verbeamteter Lehrer – wo kämen wir da hin – nicht veröffentlichen dürfte. Wieviel soll ein Schüler schreiben dürfen? „Unsere Lehrer kommen ständig zu spät,“ mit Nennung des Namens der Schule. „Unserer Klassensprecherwahlen laufen nie so ab, wie das vorgeschrieben ist,“ mit Nennung des Namens der Schule. Soll ein Schüler das schreiben dürfen? Darf eine ganze Schule nach Fairness, Sexiness und so weiter bewertet werden?
Meiner Meinung nach: Ja. Zumindest, wenn es stimmt. (Rechtlich sieht das wohl auch so aus.) Nach der Frage, was ein Schüler darf, kommt die andere Frage: was ein Schüler soll. Hier sehe ich unseren Bildungsauftrag. Aber wenn ein Schüler ohnehin nur das schreiben darf, was wir wollen, dass er schreibt, dann ist da kein Spielraum für die eigene Entscheidung, dann ist da nichts mit Bildung.
Ich werde noch ein paar Nächte darüber schlafen.
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