Eine verlorene Fähigkeit. Meine Generation hat noch Liedtexte nach dem Gehör abgeschrieben. Es gab zwar auch kleine Texthefte zu kaufen, aber meist nur mit aktuellen Hits, und es gab Pfadfinderliederbücher im Selbstverlag mit sehr wenig zuverlässigen Versionen (und den gleichen Abschreib- und Zuschreibungsfehlern, wie man sie aus mittelalterlichen Liedersammlungen kennt).
Also musste man selber ran. An drei Lieder kann ich mich erinnern, deren Texte ich fein säuberlich mit dem Füller herausschrieb, immer wieder Lücken lassend, um beim fünften, sechsten, siebten Anhören vielleicht darauf zu kommen, was das für ein Wort sein konnte. Zwei Wörterbücher nebendran, was man damals halt so hatte. Gelernt habe ich viel dabei.
- „American Pie“ von Don McLean. Die Wörter „pink carnation“ bereiteten mir Schwierigkeiten, weil als ein Wort gesungen, und ich kannte zwar bucking bronc(o) als Kombination, nicht jedoch das bronc-ing buck – das mir auch nur in diesem Lied begegnet ist und vermutlich allein um des Reims willen so aussieht. Es war auf jeden Fall damals schon schön, nicht alle Anspielungen eines Texts zu verstehen.
- „The Friends of Mr Cairo“ von Jon & Vangelis. Auf kariertem Papier, drei Seiten, mit Füller und Bleistift. Kann mich noch genau erinnern. Das Lied habe ich fünfzehn Jahre nicht mehr gehört, freue mich aber aufs Wiederhören.
- „Imbecile“ von Mike Batt, gesungen von Roger Chapman. Was für ein schauderliches Tremolo. „I-i-i-mbec-i-i-i-l-e. Yo-u-u-u are acting l-i-i-ke a f-o-o-o-l agai-i-i-n.“ Neulich habe ich die Best-of von Mike Batt wieder herausgekramt. Hm. Hmhmhm. Hörte sich alles irgendwie gleich an, aber „It seemed like a good idea at the time“, „Railway Hotel“, „Imbecile“, „Ride to Agadir“ landen auf meinem iPod. Und ja, auch „Lady of the Dawn“. Zum ersten mal gehört auf einem Transatlantikflug mit dreizehn Jahren oder so, das prägt.
An manchen der Lieder von früher hänge ich, weil es damals meine Lieder waren, weil ich sie oft und intensiv hörte. Richtig nachvollziehbar ist das nicht immer. Andere haben sich einfach gut gehalten. „I want to be a dancing man“ von Fred Astaire höre ich – anders als Mike Batt – nicht aus sentimentalen Gründen, sondern weil es mir hier und heute immer noch gefällt.
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