Schwere Vorwürfe gegen das bayerische Kultusministerium hat der Präsident des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands (BLLV), Klaus Wenzel, erhoben: Auf Druck der Behörde sollen Schüler des achtjährigen Gymnasiums besser benotet werden. „Mir wurde mitgeteilt, dass das Kultusministerium Schulleitern die versteckte Anweisung erteilt hat, man solle nachhelfen, dass G-8-Schüler nicht schlechter abschneiden als die Schüler auf dem G9“, sagte Wenzel gegenüber der Süddeutschen Zeitung. (bildungsklick)
Das Problem mit versteckten Anweisungen ist, dass sie versteckt sind, und dass es deshalb leicht ist, zu behaupten, dass es welche gibt. Der Beweis für versteckte Anweisungen: keiner hat sie je gesehen, also müssen sie versteckt sein. Damit ist schon mal die Hälfte der Behauptung bewiesen.
Falls es sie aber wirklich gibt, die versteckten Anweisungen, dann wurde wieder mal geschlampt im Kultusministerium, denn die Schulleiter haben vergessen, mir und meinen Kollegen Bescheid zu sagen.
Andererseits ist das vielleicht auch gar nicht nötig. Es ist dem Kultusministerium und damit den Schulleitungen durchaus möglich, Signale auszusenden, was gerade in der Luft liegt und was nicht, Regeln zu ändern für das Pflichtwiederholen, Fördermaßnahmen zu finden und dadurch Prozesse zu lenken… Dass im G8 weniger Schüler durchfallen als im G9, ist nicht nur der Brillianz der beteiligten Lehrer und Schüler zu verdanken. Allerdings läuft das nicht in Form geheimer Botschaften, sondern durcch Änderungen der GSO, und auch nicht so offensichtlich wie manchmal in den USA:
Alle 93 Lehrer einer Schule wegen schlechter Noten entlassen (Süddeutsche Zeitung). Weil an einer Schule nur wenige Schüler den Abschluss schaffen – 48%, tatsächlich nicht viele – und die Lehrer sich weigern, kostenlos Mehrarbeit zu leisten und dazu Nachhilfeunterricht zu geben, sind einfach alle entlassen worden.
Aus guten Gründen droht Lehrern am Gymnasium eben nicht die Entlassung. Und was die Oberstufe im G8 betrifft, da hat man wirklich nicht den Eindruck erhalten, dass das Kultusministerium lenkend eingegriffen hätte. (Auch wieder schade, andererseits.)
Dass die Noten der G8-Schüler in der Oberstufe sich nicht groß von den Noten der G9-Schüler unterscheiden, hat mich nicht überrascht. Das deckt sich mit meinen Beobachtungen und mit dem gesunden Menschenverstand. (Anders wird es vielleicht in den Abiturfächern, wenn man sich die nicht mehr heraussuchen darf.) Denn die G8-Schüler sind nicht dümmer oder klüger als ihre ein Jahr älteren Mitschüler. Und Lehrer verlangen von Schülern nichts Übermenschliches:
Die Note „gut“ soll erteilt werden, wenn die Leistung den Anforderungen voll entspricht.
Und die Anforderungen legen in der Realität die Lehrer fest, in Abhängigkeit von der Schwierigkeit des Stoffes und der dafür aufgewendeten Zeit. Bei gleich starken Schülern kann man nur gleichartige Leistungen erwarten und die Anforderungen davon abhängig machen. Natürlich gleichen sich die Noten, auch ohne versteckte Anweisungen.
Die interessantere Frage ist doch die: Lernen die Schüler im G8 vergleichbar viel und vergleichbar Sinnvolles wie im G9? Kann und weiß man mit einer „2“ im G8 vergleichbar viel wie mit einer „2“ im G9? Das ist wichtiger als der Notendurchschnitt. Aber die besorgte Frage: lernen unsere Kinder im G8 weniger (fürs Leben, wofür auch sonst) als die Vorgänger, die wird kaum gestellt. Wenn die Noten passen, dann scheint das zu reichen.
(Die Antwort auf die Frage weiß ich übrigens nicht.)
— Der oben zitierte BLLV repräsentiert in Bayern übrigens nicht besonders die Gymnasiallehrer. Da ist der Bayerische Philologenverband repräsentativer. Beide Verbände mag ich nicht besonders. Den LEV gibt’s auch noch, das ist die Landes–Eltern–Vereinigung der Gymnasien in Bayern, die sagen von sich, dass sie die bayerischen Gymnasialeltern vertreten. In einem Schreiben vom 13.12. mit dem Briefkopf LEV und mit dem Vorsitzenden Thomas Lillig als Unterzeichner wird als einer von 6 Punkten gefordert: „Notendurchschnitte der Note 3,0 und schlechter sind in allen Jahrgangsstufen und bei allen klassenbezogenen Leistungserhebungen nicht mehr statthaft.“ Seriously? Meint der 3,0 Punkte, also in der Oberstufenskala? Aber wieso dann in allen Jahrgangsstufen? Fälscht da jemand Briefe und stellt sie ins Netz? Das kann man doch gar nicht ernst nehmen.
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