Im Urlaub bin ich in einem Spieleladen gewesen, der alten Zeiten wegen. Und da habe ich auch dieses Magazin gefunden, LARPzeit Nummer 27:
(Nur Geduld, das hat nachher sogar was mit Schule zu tun.)
LARP heißt Live Action Role Playing, und was das heißt, kann man anderswo nachschlagen. Frau Rau sagt dazu immer, “in Kostümen als Elfen im Wald herumspringen”. Und das alles nur, weil ich selber noch so eine Kutte im Schrank habe, von 1984, die passt mir natürlich nicht mehr und auch die Ansprüche sind heute deutlich höher. Also ganz kurz: Fantasy-Rollenspiele haben eine lange Geschichte, die in diesem Diagramm detaillierter dargestellt ist, als man es wissen will. Nach meiner eigenen Spielephase begannen auch in Deutschland Live-Rollenspiele populär zu werden. Ich habe selber nie viel davon mitgekriegt – man trägt Kostüme, Makeup und Waffen, trifft sich ein Wochenende lang in einem Wald oder in einem Hotel, ein Organisationsteam und eine Spielleitung haben sich eine Handlung ausgedacht und die Teilnehmer spielen ihre Rollen. Am häufigsten ist die Handlung im Fantasy-Genre angesiedelt, es können aber auch die Lovecraft’schen 1920er Jahre sein; beliebt ist auch das späte 19. Jahrhundert oder Regency (“Jane Austen’s Aliens”, sage ich nur).
Woher ich das alles weiß? Ein bisschen kriege ich noch mit aus der Szene, mindestens ein alter Freund ist aktiver LARP-Spieler und ‑Veranstalter, aber das meiste habe ich aus eben diesem Magazin oben. (Überschneidungen gibt es auch mit der Goth- und Mittelalterszene.)
Für uns Pädagogen interessant ist ein Beitrag “Rollenspiel statt Unterricht”. Darin geht es um eine Schule in Dänemark, ein Internat, knapp 100 Schüler, das die Klassen 9 und 10 abdeckt und am Schluss ein reguläres Zeugnis ausstellt. Aber die Schüler lernen dort in Form von Live-Rollenspielen. Østerskov Efterskole heißt die Schule, und auf dieser Seite stellt sie sich auf Englisch vor. Dort wird auch ein Projekt beschrieben:
In the second structure, Ocean Liner, the pupils are running an ocean liner. In the preparation they are grouped in work related groups, purser, bridge, machine, entertainment …
Preparations cover fact finding about liners and deciding the layout and contents of character sheets. Finally the school is turned into a “liner” so it is possible to role play convincingly in the building. […]
The captain enters the room on the first morning and scolds everybody for a failure ridden cruise last and expects from them to be ready for a blast of a cruise in one week. In this week, the crew must choose ports of call, design sight seeing, order fuel and supplies according to travel distances, calculate expected weather, construct an on board news service (they chose media), devise a security system and prepare entertainment. In the end of the week, they all write their own passenger roles.
The second week is the actual cruise. Much of the time is taken up by presentations of the things made in the first week, but there will also be news to publish and events arranged by the teachers which open for new activities. Boat refugees are passed on the open sea (big screen projection in the dining hall). A German speaking captain of another vessel asks for assistance over the radio in the middle of the night.
On top of all the activities the students are free to add their own plot points as in a Nordic style larp. […]
Hier sind noch mehr Unterrichtsbeispiele, die man sich allerdings von Tante Google aus dem Dänischen übersetzen lassen muss. Fast mein einziges Dänisch ist nämlich “Læs videre…” – “Continue Reading…”
Gastlehrer gibt es auch. Wo die Skandinavier doch eh alles besser machen als wir, kann nicht mal ein Bildungsblogger mehr von der Schule berichten?
Damit sich bei uns für ein P‑Seminar “Pädagogisches LARP” genügend Schüler fänden, müsste das allerdings eine sehr komische Schülerzusammensetzung sein.
Weiterer Inhalt von LARPzeit 27: Tipps für das Spielen im Steampunk- und Gaslight-Milieu (Forscher, Journalisten, Diebe, Dandys), ausführliche Anleitungen zum Schneidern von Kostümen und Anfertigen von falschen Bärten; Berichte von Cons und Spielen, Artikel Waffenherstellung und Phrenologie, Kleinanzeigen und viele, viele Links, denen ich erst gar nicht nachgehen werde, weil ich dann mit dem Lesen nicht aufhören kann.
Schöne Fundstücke aus dem Magazin sind noch diese Videos:
- Eine gut fünfundzwanzig Jahre alte Dokumentation mit Ben Elton über Tischrollenspiele und LARP:
South of Watford LARP, Teil 1 (von 3) - Eine englische Reportage über LARP aus dem Jahr 2008:
Changing Faces von Gary Hudston, Teil 1 (von 2) - Eine Episode der Serie Tough Gig. Darin muss jeweils ein Stand-Up-Komiker mit einer Woche Vorbereitungszeit einer ausgesuchten Gruppe von Personen ein speziell auf sie zugeschnittenen Programm liefern. Dara Ó Briain spielt dazu eine Woche lang mit:
Tough Gig: LARP, Teil 1 (von 3)
Als Nachtrag weitere Links, zusätzlich zu denen in den Kommentaren:
- Aufsatzsammlung, englischsprachig
- Wikipedia (englisch), mit sehr vielen Links und Quellen
Weitere Nachträge:
1. Lese gerade eine Aufsatzsammlung zum Thema LARP. Glaube eine Faustregel entdeckt zu haben: je weiter unten auf der Geek Chart, desto mehr wird Habermas zitiert.
2. LARP habe ich damals wie erwähnt nicht gemacht, aber in Kostümen im Wald herumgesprungen sind wir auch, wie dieser Film belegt.