Bei Amazon kann man Bücher kaufen, gebrauchte und neue. Uns interessieren hier nur die neuen, also die, die neu aufgelegt werden und aktuell lieferbar sind. Auch da gibt es wiederum neue und alte – Klassiker aus dem 18. Jahrhundert wie “Tom Jones” und neue Bestseller wie die Harry-Potter-Bände. Hier sieht man, aus welchen Jahrzehnten die aktuell aufgelegten Bücher (“in print”) sind:
Die Grafik geht auf eine Untersuchung von Paul Heald an der Universität Illinois zurück. Eric Crampton hat sie zusammen mit einem Blogeintrag veröffentlicht. Sie wird gerne mal mit dem griffigen Schlagwort “The Missing 20th Century” versehen. Der Grund: Es gibt viele neue Ausgaben von Büchern bis zu den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts, und natürlich noch die aktuellen Bücher der letzten Jahrzehnte, aber wenige Bücher von 1930-1990 sind lieferbar.
Wie kommt das? Es gibt zwei Theorien. Die einen sagen, dass in dieser Zeit einfach keine guten Bücher erschienen, für die sich heute jemand interessiert. Das Interesse reicht gerade mal bis in die 1920er Jahre und fällt dann ab – nicht sehr wahrscheinlich. Aber manche Kommentatoren behaupten das tatsächlich. Vielleicht wurden in diesen Jahren auch einfach weniger Bücher geschrieben.
Die andere Theorie sagt, dass das mit dem Urheberrecht zu tun hat. Fast alle Bücher, die bis 1922 in den USA veröffentlicht wurden, sind dort nämlich in der public domain.
In zwanzig oder dreißig Jahren wird diese Lücke noch größer geworden sein. Ein Großteil der Bücher des 20. Jahrhunderts wird dann nur schwer zugänglich sein – gebraucht bei Amazon oder in Bibliotheken. Zwei Fragen, die man diskutieren könnte: Wird sich das durch E-Books ändern, werden dann also alle Bücher permanent lieferbar sein? Und zweitens: Wie wichtig ist es für eine Gesellschaft, diese Bücher zugänglich zu machen, wie sehr muss ein Staat also durch die Gesetzgebung diesen Zugang zu ungenutzten Ressourcen ermöglichen? Man kann schließlich sagen, ja das ist Pech, aber wenn sich nur wenige dafür interessieren, dann ist das halt so und das Buch ist nicht erhältlich.
Mehr Informationen und Kommentare dazu gibt es bei TechDirt. Dort auch Feinheiten zum Copyright. In den USA musste man bis 1963 Copyright beantragen, sonst hatte man keines. Das galt dann für 28 Jahre und konnte noch einmal um 28 Jahre verlängert werden. Ein Großteil der Copyrighthalter nahm die Verlängerung nicht in Anspruch. Warum nicht?
— Und damit das auch etwas mit Deutsch zu tun hat, wo Urheberrecht noch nicht in die Erörterungen vorgedrungen ist, aber Vor- und Nachteile des Internets diskutiert werden: Wenn ein Schüler diese Zusammenhänge in einem Aufsatz klar und verständlich formulieren würde, der Lehrer wäre beeindruckt. Warum beeindrucken Schüler ihre Lehrer nicht öfter derart? (1) Liegt die Schwierigkeit für den Schüler darin, dass er diese Argumente nicht kennt und stattdessen oberflächliche Allgemeinheiten hinschreibt? (2) Liegt die Schwierigkeit darin, den Gedankengang etwa in den verlinkten Blogs nachzuvollziehen? (3) Oder liegt sie darin, den Gedankengang verständlich in eigener Sprache hinzuschreiben?
Zu (1): Wie viel Wissen zueinem Gebiet kann man im Abitur verlangen? Man soll ja exemplarisch lernen und kann sich nicht bei jedem Thema auskennen.
Zu (2): Dann wäre Leseverstehen das Problem. Deswegen hat man jetzt auch immer mehr Aufgaben mit beiliegenden Quellen, auch im Abitur.
Zu (3): Dann müsste man präzisen Ausdruck und Stil üben.
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