Die Schüler haben gekichert, als ich erwähnte, dass ich bei Twitter bin.
(Wie wir darauf kamen: Es ging um Zeitung. Zuerst einfach mal eine Stunde lesen; dann um die einzelnen Ressorts, die Textsorten, den Weg vom Ereignis in die Zeitung; schließlich um gegenwärtige Finanzierung von Zeitungen und ihre Zukunft. Da waren wir dann auch schon beim Internet und alternativen Nachrichtenquellen.)
Was war daran so witzig? Auch Nachfrage wohl einfach, dass social media so gar nicht zu Lehrern passt. Ja, etliche Kollegen sind bei Facebook, aber Twitter ist wieder etwas anderes.
Dann haben wir uns über das Internet unterhalten. (Diese Art Stunde halt. Schuljahresende, ein guter Teil der Schüler eh nicht da.) Warum ich Twitter für cooler halte als Facebook. Was Netzneutralität ist. Warum ich Internet für wichtig halte.
Da habe ich natürlich auch fallen lassen, dass das Internet ein gar so neues Medium nicht ist, wie es in Erörterungs-Aufgabenstellungen meist verkauft wird. Dass ich meine erste Webseite hatte Jahre vor der Geburt der Schüler, dass ich blogge seit vor der Erfindung von Youtube. (Mein Blog erwähne ich in der Schule sonst nicht oft.)
Mehr überrascht als ungläubig kam dann eine Frage, die mir bezeichnend schien: „Kann da jeder einfach so irgendeine Seite ins Internet stellen?“ Das hat die Schüler überrascht. Meine Schlussfolgerung: Sie kennen Facebook und Twitter und erinnerten sich sogar noch an Lokalisten und SchuelerVZ. Aber das man einfach so und für gar nicht viel Geld einfach so seine eigene Webadresse haben und mit Inhalt füllen kann, das war den Schülern nicht bewusst.
Ich glaube, vor fünf Jahren war das noch anders. Da hatten die Leute noch Homepages. Da wussten die Schüler eher, dass man auch ohne Soziale Medien, also selber, eine Webseite haben kann. Zugegeben, wer das hatte, wurde belächelt, wer brauchte so etwas schon?
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Neues aus dem Internet:
(1) Lügen für das Leistungsschutzrecht (7) Letztes Jahr hat der Bundestag ein von vielen Seiten kritisiertes „Leistungsschutzrecht“ beschlossen, das Google verbietet, Texte aus Zeitungswebseiten in bestimmter Form zu verwenden, wenn nicht dafür gezahlt wird. Jeder weiß hoffentlich, dass jede Zeitungswebseite Google ganz einfach daran hindern kann, ihre Seiten zu verwenden. Machen wir bei unserer Schulhomepage auch so, Google kennt deren Inhalte nicht. Aber die meisten Verlage wollen ja, dass Google ihr Material verwendet, nur zahlen muss es dafür müssen. Im Moment verlangt Google von den Zeitungen die kostenlose Erlaubnis, sonst wird es das Material nicht verwenden. Darüber klagen jetzt die Verlage und vergleichen das mit einer Art Erpressung. Also was jetzt?
(2) Im Mai 2014 hat der europäische Gerichtshof entschieden, dass Google gezwungen werden kann, Suchergebnisse bei bestimmten Fragen nicht anzuzeigen. Und zwar: Wenn eine Person mal etwas Dummes gemacht hat, und das schon einige (wenige) Jahre her ist, und darüber steht etwas auf einer Webseite, dann darf Google auf Antrag (eventuell) diese Seite nicht mehr in den Suchergebnissen anzeigen, wenn nach der Person und der dummen Sache gesucht wird. Beim Guardian ist der erste Artikel herausgefiltert (weil ein Kommentator seinen Kommentar nicht mehr lesen will – nur wenn man nach dessen Namen in Verbindung mit dem Artikel sucht, wird er nicht mehr gezeigt), beim Spiegel auch.
Nachtrag: Die Seite http://hiddenfromgoogle.com/ sammelt solche in der EU von Google nicht mehr gelisteten Seite.
(3) Zu meinen Teenagerjahren haben wir auf die Bundesprüfstelle für jugendgefährende Schriften (heute: Medien, BPjM) geschimpft, weil die uns vor Tanz der Teufel bewahrt haben, indem sie den Film auf den Index setzten. Im Referendariat kam dann Quake heraus, auch gleich indiziert. Inzwischen gehört es auch zu den Aufgaben der BPjM, Webseiten zu indizieren – allerdings ist dieser Index nicht öffentlich, aus naheliegenden Gründen.
Trotzdem soll er verwendet werden können, etwa von meinem Router zu Hause. Da gibt’s eine Einstellung, habe gerade nachgeschaut, dass für „Gäste“ in meinem Wlan alle Seiten, die auf diesem Index stehen, gesperrt sind. (Das ist wohl die Standardeinstellung, ich hatte mir das vorher nie angeschaut.) Nun wäre es ziemlich dumm, meinem Router diese Liste im Klartext zukommen zu lassen. Also existiert sie nur in einer verschlüsselten Form, dem sogenannten BPjM-Modul. Verschlüsselt heißt: Aus einem Text (etwa dem Link einer zu indizierenden Webseite) errechnet man nach einer mehr oder weniger öffentlich bekannten Methode einen sogenannten Hash, und den gibt man weiter. Wenn mein Router dann bei aktiviertem Kinder- oder Gästeschutz eine Webseite ausliefern soll, dann errechnet er aus dieser Webseite nach der gleichen Methode den Hashwert und vergleicht ihn mit der Sperrliste.
Aus dem Hashwert kann man nur äußerst schwer auf den ursprünglichen Text (hier: Link) schließen. Wie das geht, ist spannend und schwierig, wie überhaupt Hash-Funktionen eine tolle Sache sind.
Trotzdem hat ein Hacker oder eine Hackerin mit relativ wenig Aufwand einen Großteil der indizierten Links im BPjM-Modul rekonstruiert und veröffentlicht. Steht zum Beispiel hier. Allerdings ist der Link zu der Seite, auf der die entschlüsselte Liste zu finden ist, dort inzwischen nicht mehr zu lesen – Behörden drohen mit Klagen. Den Meinungen von Rechtsanwälten im Web zufolge (siehe Link oben) macht man sich vermutlich nicht strafbar, wenn man auf die Seite mit den entschlüsselten Webseiten-Adressen verlinkt, aber wer will so ein Risiko schon eingehen – Ärger kann man auch so kriegen, wenn die Polizei dann mal vorbeischaut. Und auf der Liste steht auch tatsächlich allerlei Indizierenswertes – Pornographie, Rechtsradikales, Anorexie-Seiten, aber auch: syntaktisch fehlerhafte Links, Irrläufer, alles mögliche. Eine Analyse der gesperrten Seiten wäre schon interessant. Interview mit dem Hacker/der Hackerin.
(Auch google.de sperrt diese Seiten, anders als Google aus anderen Ländern – aber die sperren dann vermutlich einfach anderes.)
(4) Wenn man sich – halbwegs – anonym im WWW bewegen will, oder dubiose Dinge recherchieren will, benutzt man am besten etwas, das Tor heißt. Lange Geschichte. Allerdings: wer Tor benutzt oder sich nur darüber informiert, macht sich des Extremismus verdächtig und landet in einer NSA-Datenbank.
(5) Nächsten Dienstag wäre in München eine Cryptoparty. Da kriegt man als Laie erklärt, wie man Mails verschlüsselt, Tor benutzt, Festplatten verschlüsselt (was wir als Lehrer ja tun müssen). Ob ich das als Fortbildung angerechnet kriege, wenn ich hingehe? — Tatsächlich weiß ich schon das meiste, aber falls ich mal in der Schule eine Cryptoparty machen möchte, sollte ich das auf jeden Fall vorher mal mitmachen. (Zeitpunkt ist aber ungünstig für mich, vorher Konferenzen, am nächsten Tag Mitorganisator einer Fortbildungsveranstaltung.)
http://www.youtube.com/watch?v=-8sLmx2Oz6Y
Then came the churches, then came the schools
Then came the lawyers, and then came the rules
Then came the trains and the trucks with their loads
And the dirty old track was the telegraph road
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